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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Berlin (Verwaltung)

dem vom alten Gebäude übernommenen Sandsteinfries von Schadow; das Generalpostgebäude (Reichspostamt), 1871-73 von Schwatlo erbaut, mit dem Reichspostmuseum (das Modelle der Verkehrsmittel aller Zeiten, Zeichnungen und Modelle von neuen deutschen Postgebäuden sowie eine sehr reichhaltige Postwertzeichensammlung enthält); an der Königsstraße das Hauptpostamt mit der Oberpostdirektion für B., dem Hofpost-, Stadtpost-, einem Rohrpost- und ein Telegraphenamt; das Paketpostamt an der Ecke der Artillerie- und Oranienburger Straße von Tuckermann und Struve. An der Südseite des Alexanderplatzes liegt das große, 1. Okt. 1889 eröffnete königl. Polizeipräsidium von Blankenstein und Hesse; in der Leipzigerstraße das ehemalige Reichstagsgebäude, 1871 in einem Teil der ehemaligen königl. Porzellanmanufaktur nach Hitzigs Entwurf von Gropius und Schmieden angelegt. Das neue Reichstagsgebäude auf der Ostseite des Königsplatzes, von P. Wallot seit 1884 erbaut und 5. Dez. 1894 eingeweiht, ist der vornehmste Monumentalbau B.s. Der Grundriß besteht aus einem Rechteck (138 m : 97 m); an den Ecken 4 stumpfe Türme, in der Mitte eine Kuppel. Der Sitzungssaal und die 97 m lange Wandelhalle sind die Haupträume des Baues. (S. Parlamentsgebäude.) Unweit der Potsdamer Brücke liegt das Ständehaus der Provinz Brandenburg von Ende und Böckmann (1888 vollendet), das Kreishaus des Kreises Teltow von Schwechten und das Reichsversicherungsamt, nach den Entwürfen von Busse von Hückels ausgeführt.

Von den ungefähr 20 Theatern sind äußerlich bemerkenswert: das königl.Opernhaus (1650 Plätze), 1741-43 von Knobelsdorff erbaut, der Zuschauerraum 1787 von C. G. Langhans neu eingerichtet, dann nach dem Brande von 1843 von C. F. Langhans, in der Hauptsache im frühern Zustande, erneuert, mit Konzertsaal; das königl. Schauspielhaus (1120 Plätze) mit großem Konzertsaal, 77 m lang, im Mittelbau 50 m tief, 38 m hoch, von Schinkel an Stelle des 1802 erbauten, 1817 abgebrannten frühern 1819-21 aufgeführt (s. Tafel: Berliner Bauten Ⅱ, Fig. 2). Es hat eine von 6 ion. Säulen getragene Vorhalle, zu welcher eine Freitreppe mit Bronzegruppen: Genien auf Panther und Löwen reitend, von F. Tieck hinanführt; davor das Schillerdenkmal (s. S. 797 a). Ferner die Singakademie, 1825 im griech. Tempelstil von Öttmer errichtet, berühmt durch die vorzügliche Akustik des Konzertsaals; das Lessing-Theater, 1888 von von der Hude und Hennicke erbaut; Krolls Etablissement, 1852 von Titz erbaut; das Theater Unter den Linden (von Hellmer und Fellner, 1892) und das Neue Theater am Schiffbauerdamm (von Seeling, 1892).

Unter den Bahnhöfen ragen als schöne Bauwerke hervor: der 1869-71 errichtete große Lehrter Bahnhof, der 1870-72 erbaute Potsdamer Bahnhof und der 1875-80 in Terracotta-Architektur von Schwechten erbaute Anhalter Bahnhof (s. Tafel: Bahnhöfe Ⅰ, Fig. 3), mit der 35 m hohen, 61 m weiten Halle, sowie die beiden großen Stadtbahnhöfe: Station Friedrichstraße (s. Tafel: Berliner Stadt- und Ringbahn, Fig. 2) und Alexanderplatz. Von den Hotels sind hervorzuheben: der 1873-75 von von der Hude und Hennicke erbaute Kaiserhof, das Hôtel de Rome, Hotel Bristol, im Renaissancestil vom Regierungsbaumeister Gerschke erbaut, das Central-Hotel, 1878-80 von von der Hude und Hennicke erbaut, in der Nähe das im Renaissancestil 1887-88 von Heim erbaute Monopol-Hotel, das Hôtel Continental und am Leipziger Platz Hôtel Bellevue, Hotel Ronacher und das Palast-Hotel. Ferner das Café Bauer, von Ende und Böckmann, mit Wandgemälden von A. von Werner und Hertel; die Bierpaläste von Siechen, Sedlmayr (Seidl in München), Tucher (Walther in Nürnberg) und Pschorr (Kayser und von Großheim). Architektonisch wertvoll sind auch das Faberhaus (Griesebach), Schimmelpfengs Auskunftei, die Buchdruckerei von Sittenfeld, der Offizier- und der Beamtenverein und die Kaufhäuser von Rudolf Hertzog, J. A. Heese, V. Manheimer, Mey & Edlich, Gerson u. a. Vor der Stadt, im Norden, liegen die mit großen Sommergärten versehenen Bierbrauereien, wie Bötzow, Aktienbrauerei Friedrichhain. Von Privatbauten, die namentlich in der letzten Zeit zahlreich erstanden sind und die Stadt ungemein verschönert haben, sind zu nennen: das Pringsheimsche Haus in der Wilhelmsstraße, von Ebe und Benda 1873; gegenüber das Palais der engl. Botschaft (ehemals Strousbergsches Haus), von Orth erbaut; das Borsigsche Palais (s. Tafel: Berliner Bauten Ⅱ, Fig. 3) in der Voßstraße, von Lucä, und das Mossesche Haus am Leipziger Platz (Ebe und Benda) mit dem Sandsteinfries von Klein; die Monumentalbauten der Lebensversicherungsgesellschaften Neuyork, Germania (Kayser und von Großheim) und Equitable, von Professor Schäfer entworfen, erbaut von Held und Francke im Renaissancestil; das 1889 von Sehring erbaute, mit Kunstschätzen reich ausgestattete Künstlerheim.

Verwaltung. B. bildet unter der Bezeichnung «Stadtkreis B.» einen Verwaltungsbezirk für sich (preuß. Gesetz vom 30. Juli 1883), hat jedoch mit der Provinz Brandenburg, zu der es früher gehörte, noch einige Verwaltungsbehörden als höhere Instanz gemeinsam, so das Oberpräsidium, das Konsistorium, das Provinzialkollegium und das Medizinalkollegium. Die Stadt wird verwaltet von dem Polizeipräsidium als königl. und dem Magistrat als städtischer Behörde. Ersteres zerfallt in sechs Abteilungen: 1) Polizeiverwaltung und Beaufsichtigung öffentlicher Institute und gewerblicher Anlagen, Sanitätspolizei und Prüfung der Bauhandwerker; 2) Gewerbepolizei, Straßen- und Strompolizei, öffentliches Fuhrwesen; 3) Bauabteilung; 4) Kriminalabteilung und Kommission für Sittenpolizei; 5) Paß- und Fremdenwesen nebst Einwohnermeldeamt; 6) Abteilung für Übertretungen und Polizeianwaltschaft.

An der Spitze des Magistrats (34 Mitglieder, davon 18 besoldet) steht ein Oberbürgermeister (Zelle, 30000 M.), ein Bürgermeister (Kirschner, 15000 M.); an der Spitze der Stadtverordneten (126) Dr. Langerhans. Nach Fraktionen besteht die Versammlung Anfang 1895 aus 50 Mitgliedern der Linken, 27 der Fraktion von 1886, 25 der Neuen Linken, 18 Socialdemokraten, 1 Bürgerparteiler und 3 Fraktionslosen. 80 gemischte Deputationen (Magistratsmitglieder und Stadtverordnete) beraten die Angelegenheiten vor. Die Stadt zerfällt in 18 Standesamtsbezirke (s. oben Bevölkerung), in 4 Fachhauptmannschaften und Kommissariate, 11 Polizeibezirkshauptmannschaften und 90 Polizeireviere, zum Zwecke der städtischen Verwaltung in 326 Bezirke mit je einem von der Bürgerschaft gewählten Bezirksvorsteher (und einem Stellvertreter) an der Spitze, der als Organ des Magistrats und der Stadtverordneten die Gemeindeangelegenheiten besorgt.