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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Betriebsmittel (der Eisenbahnen)

III. Klasse sind nicht gepolstert; die der IV. Klasse, enthalten meist keine Sitzplätze und sind gewöhnlich nur von den Stirnwänden aus zugänglich. Neuerdings ist auf den preuß. Staatsbahnen mit der Einrichtung von Sitzplätzen an den Seitenwänden vorgegangen worden. Außer den gewöhnlichen Personenwagen sind die oft mit großem Luxus ausgestatteten Salon- und Schlafwagen und die besonders auf den größern amerik. Eisenbahnen eingeführten Pullmannschen Hotelwagen zu nennen. (S. Eisenbahnwagen-Mietgesellschaften.) Fig. 1, Taf. II, veranschaulicht einen amerik. Personenwagen; Fig. 4, Taf. I, einen Schlafwagen der preuß. Staatseisenbahnen; Fig. 3, Taf. II, mit links nebenstehendem Grundriß stellt einen zweiachsigen Personenwagen mit Zwischenverbindungen dar. Besonders in der Nähe volkreicher Städte kommen auch zweistöckige Personenwagen (s. Taf. I, Fig. 5) in Anwendung. In Rußland, wo schon vor mehrern Jahren während des Baues der Transkaspischen Eisenbahn (s. d.) Eisenbahnwagen zur Abhaltung des Gottesdienstes und des Schulunterrichts für die beim Bau beschäftigten Beamten und Arbeiter und ihre Familien eingerichtet wurden, werden neuerdings fahrbare Eisenbahnkirchen hergestellt. Es sind dies vierachsige, höchst elegant ausgestattete und äußerlich und innerlich mit vielen religiösen Symbolen geschmückte Wagen mit vollständiger Kircheneinrichtung. Sie sollen in Kriegszeiten während der Truppenbeförderung den höhern Offizieren die Teilnahme am Gottesdienst ermöglichen. Ähnliche Wagen bestehen in Amerika; die Bischöfe bereisen in denselben ihre ausgedehnte Diöcese und halten auf den Stationen, in deren Nähe Kirchen nicht vorhanden sind, Gottesdienst. - Die Erleuchtung der Personenwagen erfolgt durch Öl, Petroleum, Gas, und in neuerer Zeit auch durch Elektricität.

Die Heizung der Personenwagen wird auf verschiedene Weise bewirkt. Die älteste und unvollkommenste Einrichtung ist die Erwärmung durch Wärmflaschen, die mit heißem Wasser oder Sand (neuerdings auch mit essigsaurem Natron) gefüllt werden. Trotz ihrer Kostspieligkeit in Anlage und Unterhaltung ist diese Art der Heizung die am wenigsten wirksame, indem eine Durchwärmung der Coupés nicht erreicht wird; Wärmflaschen kommen daher nur noch selten in Anwendung. Bei größern Wagenabteilungen, wie in Salon- und Interkommunikationswagen, besteht vielfach Ofenheizung. Die Füllöfen werden mit Holzkohle, die sog. Regulieröfen mit Steinkohlen geheizt; erstere brennen bis zu 20 Stunden; letztere bis zu 8 Stunden. Die Ofenheizung hat insofern Nachteile, als die Öfen viel Platz wegnehmen, ungleiche Erwärmung hervorbringen und bei Zusammenstößen u. s. w. gefährlich sind. Bei der besonders in Österreich anzutreffenden Luftheizung ist der Ofen unten am Wagenkasten angebracht; die Heizung erfolgt mit Koks und hat sich bei sorgfältiger Behandlung gut bewährt. Die Heizvorrichtung mit Preßkohlen (auch präparierte oder plastische Kohle genannt) wird besonders bei dem Coupé-System verwendet; sie besteht aus einem luftdichten eisernen, unter den Sitzbänken angebrachten Heizkasten, der durch eine in der äußern Seitenwand des Wagens befindliche kleine, dichtschließende Thür zugänglich ist. Die Kohlenziegel legt man entzündet in den Heizuntersatz, einen durchlöcherten oben offenen Blechkasten, oder einen Korb aus Eisendrahtgeflecht, der alsdann in den Heizkasten geschoben wird. Die Preßkohlenheizung, bis in die neuere Zeit besonders auf den preuß. Staatsbahnen in Gebrauch, hat sich dauernd nicht bewährt, da das Anwärmen der Wagen ziemlich lange Zeit in Anspruch nimmt und die Unterhaltung einer gleichmäßigen Temperatur große Aufmerksamkeit und bei kaltem Wetter sehr häufiges Erneuern der Preßkohlen erfordert. Neuerdings ist immer mehr die Dampfheizung in Aufnahme gekommen; auch auf den preuß. Staatsbahnen ist ihre Einführung schon weit vorgeschritten und in noch weiterm Umfange angeordnet. Der gewöhnlich der Lokomotive entnommene Dampf - die Mitführung besonderer Dampfkessel im Packwagen ist nur vereinzelt - wird durch unter dem Wagen liegende eiserne Rohrleitungen, die zwischen den Wagen durch Gummischläuche verbunden sind, nach den in den Coupés unter den Sitzbrettern angebrachten Heizcylindern geführt. Die Regelung der Temperatur erfolgt durch Hähne, die in Abzweigungen von der Hauptleitung nach dem Heizcylinder liegen und von den Reisenden nach Belieben geschlossen oder mehr oder weniger geöffnet werden können. Die Vorzüge der Dampfheizung bestehen hauptsächlich in der Sicherheit ihrer Handhabung und der Gleichmäßigkeit ihrer Wirkung; freilich ist dabei die Unbequemlichkeit vorhanden, daß das Aussetzen von Wagen erst vorgenommen werden kann, wenn die an den Enden des Wagens befindlichen Absperrhähne geschlossen und die Gummischläuche gelöst sind. - Auf den preuß. Staatsbahnen werden in der Zeit vom 1. Okt. bis Ende April sämtliche Personenzüge geheizt, wenn die Lufttemperatur unter + 5° R. sinkt. Die Wärme im Innern des Wagens soll im allgemeinen + 8° R. betragen. - Die Kosten der Wagen Heizung betragen: bei der Ofenheizung etwa 4 bis 5 Pf. für den Wagen und die Stunde, bei der Luftheizung 0,66 bis 0,89 Pf. für das Wagenkilometer (s. Eisenbahnstatistik), bei der Preßkohlenheizung etwa 5 bis 7 Pf. für das Coupé und die Stunde und bei der Dampfheizung etwa 0,5 bis 0,75 Pf. für das Wagenkilometer. - Neuerdings machen sich auch Bestrebungen wegen Heizung von Güterwagen geltend, um Gegenstände, die, wie Blumen, gegen Frost empfindlich sind, vor Beschädigungen bei Beförderungen während der Winterszeit zu schützen und sind auch bereits auf den preuß. Staats- und andern Eisenbahnen Güterwagen mit Heizvorrichtungen versehen worden.

Die auf den meisten Bahnen laufenden besondern Postwagen (Taf. I, Fig. 2 veranschaulicht einen österr. Postambulanzwagen) dienen zur Beförderung der Briefe und Pakete, die Gepäckwagen zur Beförderung des Reisegepäcks. Die zur Beförderung der Güter bestimmten Wagen zerfallen in bedeckte, offene (s. Taf. I, Fig. 1 und 3; Taf. II, Fig. 2 und 7) und für besondere Zwecke hergerichtete, wie die Viehwagen (Taf. I, Fig. 6), die Langholz-, Fleisch-, Vierwagen u. s. w. Die oben offenen Güterwagen für Kohlen, Sand u. dgl. heißen auch Loren (engl. Lowries, Einzahl Lowry). Fig. 8, Taf. II, stellt einen Wagen zum Transport von großen Geschützen dar. - Die Tragfähigkeit der Güterwagen auf den Bahnen des europ. Festlandes beträgt gewöhnlich 10 t (1 t = 1000 kg), einzelne Wagen haben auch eine Tragfähigkeit von 12,5 bis 15 t. Die engl. Bahnen besitzen Güterwagen von meist geringerer Tragfähigkeit (6-8 t), während in Amerika die Tragfähigkeit gewöhnlich eine höhere