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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bevollmächtigter; Bevollmächtigter Minister; Bewaffnung; Bewaldrechten; Bewässerung

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Bevollmächtigter – Bewässerung

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Bevölkerungstheorie'

Vereinigung der «Malthusian League» gefunden hat und u. d. T. «The Maltusian» eine eigene Monatsschrift herausgiebt. Die Anhänger dieser auch auf dem Kontinent vertretenen Richtung erwarten von der «fakultativen Sterilität» eine Beschränkung der Bevölkerungszunahme auf ein den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechendes Maß.

Im Gegensatz zur Übervölkerung entsteht die Entvölkerung teils durch anhaltendes Überwiegen der Sterbefälle über die Geburten, wie bei den aussterbenden Naturstämmen, teils durch starke freiwillige oder erzwungene Auswanderung, wie z. B. in Spanien durch die Vertreibung der Mauren. Die Wirkung beider Ursachen wird begünstigt durch Hungersnot, verheerende Kriege, Druck fremder Eroberer und andere Übel. Bei dem gegenwärtigen Stande der Kulturentwicklung ist natürlich die völlige Entvölkerung irgend eines Landes, das für den Menschen überhaupt bewohnbar ist, nicht zu erwarten, sondern bei der starken Vermehrung der Kulturvölker, die durch Verbesserung der Hygieine und namentlich durch die Verminderung der Kindersterblichkeit befördert wird, werden alle durch Verschwinden der Ureinwohner überseeischer Gebiete entstehenden Lücken rasch ausgefüllt, wie auch die nur dünn bevölkerten Länder allmählich zu einer größern Bevölkerungsdichtigkeit gelangen. Die Entvölkerung ist daher nur eine relative und zeitweilige Erscheinung. Sie ist z. B. gegenwärtig in Kleinasien und Nordafrika zu beobachten, wenn man die Bevölkerung dieser Gebiete zur Zeit ihrer höchsten Blüte im Altertum in Vergleich stellt; ebenso wies Deutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege im Vergleich sowohl mit dem frühern als auch mit dem gegenwärtigen Zustande eine furchtbare Entvölkerung auf. Man kann übrigens nicht jede selbst längere Zeit dauernde Abnahme der Bevölkerung als Entvölkerung im eigentlichen Sinne bezeichnen, denn dieser Abnahme ist vielleicht eine übermäßig starke Vermehrung, eine Übervölkerung, vorhergegangen, auf die nunmehr eine naturgemäße Reaktion folgt. Die eigentliche Entvölkerung beginnt erst, wenn die Bevölkerung unter das Niveau sinkt, das nach den natürlichen Hilfsquellen des Landes und nach seinen geschichtlich gegebenen wirtschaftlichen Existenzbedingungen als das normale angesehen werden muß. Wo diese Grenze liegt, läßt sich nur schätzungsweise und nur für den konkreten Fall, nicht allgemein angeben. Irlands Bevölkerung hat seit 1846 fortwährend abgenommen (s. Bevölkerung, S. 928a, 929), doch wird man mit Rücksicht auf die allgemeinen Verhältnisse des Landes auch bei der jüngsten Ziffer noch nicht von einer eigentlichen Entvölkerung sprechen können. Auch innerhalb eines und desselben Landes finden Verschiebungen der Bevölkerung statt, die man wohl als Entvölkerung einzelner Landesteile bezeichnet. So kommt in den Kulturstaaten nicht selten eine absolute Verminderung der Bevölkerung gewisser ländlicher Bezirke und kleinerer Städte vor, während die Großstädte immer mehr Einwohner an sich ziehen. Unter einer solchen örtlichen Entvölkerung werden einzelne Interessen zwar oft schwer leiden, für die Nationalwirtschaft im ganzen aber wird die so entstehende Verteilung der Bevölkerung und der Produktivkräfte der Regel nach die zweckmäßigste sein.

Litteratur. Doubleday, The true law of population (Lond. 1840; 2. Aufl. 1854); Sadler, The law of population (2 Bde., ebd. 1830); Spencer, ↔ Theory of population (ebd. 1852); Garnier, Du principe de population (Par. 1857); Kautsky, Einfluß der Volksvermehrung auf den Fortschritt der Gesellschaft (Wien 1880); Soetbeer, Die Stellung der Socialisten zur Malthusschen Bevölkerungslehre ( Berl. 1886); Ichenhäuser, Ein Beitrag zur Übervölkerungsfrage (Neuwied 1888); Hansen, Die drei Bevölkerungsstufen (Münch. 1889); Fetter, Versuch einer Bevölkerungslehre, ausgehend von einer Kritik des Malthusschen Bevölkerungsprincips (Jena 1894); Starkenburg, Die Bevölkerungswissenschaft und ihre praktische Bedeutung für die Gegenwart (Lpz. 1895).

Bevollmächtigter, derjenige, welcher kraft einer ihm erteilten Vollmacht als Stellvertreter und im Namen des Vollmachtgebers eine Rechtshandlung vornimmt.

Bevollmächtigter Minister (franz. Envoyé extraordinaire und Ministre plénipotentiaire), seit der Mitte des 18. Jahrh. Bezeichnung des nach den Botschaftern (s. d.) rangierenden ordentlichen Gesandten (s. d.), obwohl er in ordentlicher Stellung sich befindet und nicht unbedingte Vollmacht hat.

Bewaffnung, s. Waffen.

Bewaldrechten, Rundholzstücke nicht scharfkantig, sondern nur so mit der Axt in der Längsrichtung beschlagen, daß 8 Seitenflächen entstehen, von denen 4 eben und 4 bogig sind. Statt B. sagt man auch schalkantig oder baumkantig beschlagen. Das B. soll das Austrocknen des Holzes befördern und dieses dadurch transportfähiger machen. Den Ausdruck B. gebraucht auch der für das Deutsche Reich 1885 eingeführte Zolltarif.

Bewässerung oder Irrigation, das Mittel, dem Boden und durch ihn der Vegetation die erforderliche Feuchtigkeit, eine der Bedingungen frischen und ergiebigen Pflanzenwachstums, zu verschaffen; sie ist dasselbe im großen Maßstabe, was das Begießen bei der Gärtnerei im kleinen ist, und muß, gleich diesem, zu passender Jahreszeit mit Wasser von entsprechender Beschaffenheit und auf einem Boden, welcher schon im voraus dafür empfänglich gemacht worden ist, vorgenommen werden. Da in warmen Klimaten oder auf sonst sterilen Flächen häufig die Zufuhr von Wasser die einzige Bedingung der Fruchtbarkeit eines Bodens ist, so ist die B. schon seit den ältesten Zeiten zu einer der bedeutendsten Meliorationen in der Landwirtschaft und demgemäß auch in systematischer Weise zu einer Kunst ausgebildet worden, welche die eine Hälfte der Aufgabe der landwirtschaftlichen Kulturtechnik bildet. Schon die Bibel erwähnt an mehrern Stellen die Leitung von Wasser über die Saaten; das Land zwischen Euphrat und Tigris, Mesopotamien, galt im grauen Altertum seiner zu Befruchtungszwecken durchgeführten Kanalisation halber für ein Vorbild landwirtschaftlichen Fortschritts; die Länder der ältesten Kultur, China, Indien und Ägypten, haben von jeher und bis heute die B. in jeglicher Weise zur Belebung ihrer Saaten benutzt. Das letztere Land begnügt sich keineswegs mit den periodischen Überschwemmungen des Nilstroms, sondern leitet dessen Gewässer vermittelst eines in der Neuzeit durch großartige Dampfwasserhebewerke unterstützten, weitverzweigten Kanalsystems durch sein ganzes Ertragsgebiet bis zum Rande der Wüste.

In Europa waren die Etrusker die ältesten Bewässerungskünstler. Von den riesigen Werken, welche sie ausschließlich zum Zwecke der Wasserzufuhr für die Felder errichteten, geben noch gegenwärtig die

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 932.