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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bier und Bierbrauerei

Gerstenmalz ein ausgedehnter Gebrauch gemacht und fast kein Bier erzeugt, das nicht Zusätze von derartigen Substanzen bekäme.

Die Erzeugung des Biers, das Bierbrauen aus Malz (Gersten-, Weizenmalz), zerfällt in folgende Fabrikationsteile: I. das Mälzen oder die Malzbereitung, II. die Würzebereitung, III. die Gärung, IV. die Aufbewahrung und Behandlung des Biers.

I. Das Mälzen, d. h. die Verwandlung der Gerste in das nähere Ausgangsprodukt für die Biererzeugung, das Malz (s. d.), geschieht durch einen besondern Prozeß, welcher bezweckt, durch Keimung des Getreides besondere lösende Eigenschaften im lebensfähigen Korn zu erwecken. Dieser Keimungsvorgang wird künstlich hervorgerufen und dann unterbrochen, und es wird bei demselben u. a. durch Überführung von Proteinkörpern ein lösliches chem. Ferment, die Diastase (s. d.), erzeugt, die namentlich bei höherer Temperatur, bis etwa 70º C., in Gegenwart von Wasser das Stärkemehl in lösliche Kohlehydrate und zwar besonders in Maltose (eine Zuckerart), Dextrin (Stärkegummi) und denselben nahe stehende Zwischenprodukte verwandelt. Durch das Keimen der Gerste werden ferner gewisse Umwandlungsprodukte erzielt, durch die beim Darrprozeß jene aromatischen Stoffe geliefert werden, welche dem Bier besondern Wohlgeschmack verleihen.

Die Malzbereitung zerfällt in vier Operationen: a. das Putzen, Sortieren und Waschen der Gerste; b. das Einweichen der Gerste; c. das Keimenlassen der Gerste; d. das Trocknen und Darren der geleimten Gerste (des Malzes).

Die zum Verarbeiten gelangende Gerste, die durch mehrmonatige Lagerung an einem luftigen Orte die Lagerreife erhalten haben soll, ohne welche die Gerste (wie auch anderes Getreide) nur schlecht keimt, wird zunächst geputzt, event. sortiert und gewaschen. Durch das Putzen sollen Staub, Spreu, Unkrautsamen, Steinchen, zerschlagene Körnchen entfernt werden; durch das Sortieren will man die vollkommen ausgebildeten Körner von den schwachen trennen sowie auch die ungleich großen Körner nach Größe in besondere Partien teilen, deren gesonderte Verarbeitung viel leichter mit besserm Resultate erfolgt. Durch das Waschen, neuerdings mit besondern Apparaten, werden die Schmutzteilchen und Pilzvegetationen an der Oberfläche der Körner entfernt. Die Gerste wird nun in steinernen oder eisernen Quell stocken, auch Weichen genannt, mit reinem und möglichst hartem Wasser eingeweicht, dessen Temperatur je nach der Jahreszeit schwankt, aber am besten nicht unter 10º C. und nicht über 15º C. ist. Weiches Wasser nimmt aus der Gerste erfahrungsgemäß viel nutzbare Substanz weg, während härteres und namentlich gipshaltiges Wasser diesen für das Mälzen ungünstigen Einfluß nicht haben soll. Durch das Einweichen nimmt das Korn ein bestimmtes für das spätere Keimen erforderliches Quantum Wasser auf und giebt gewisse, meist unangenehm schmeckende Extraktivstoffe an dasselbe ab. Das Wasser im Quellstock wird alle 12 Stunden gewechselt, das erste, als Reinigungswasser, gleich nach Beendigung des Einweichens. Die Gewichtszunahme der «quellreifen» Gerste durch Wasseraufnahme beträgt 50-55 Proz., die Volumvermehrung etwa ⅓, der Gewichtsverlust an Trockensubstanz 1-2 Proz. Die Weichdauer beträgt je nach der Beschaffenheit des Wassers (kaltes Wasser weicht z. B. schlechter als warmes) und der Gerste 60-120 Stunden. Sehr wichtig ist es, den richtigen Grad der Durchfeuchtung (Quellreife) zu treffen, da hierdurch die ganze Mälzungsarbeit, die Mürbheit des fertigen Darrmalzes, überhaupt dessen Qualität wesentlich beeinflußt wird. Als praktische Merkmale zur Erkennung der Quellreife gelten: das gequellte Korn zwischen Daumen und Zeigefinger zusammengedrückt, soll nicht stechen; entzweigeschnitten, soll sich im Innersten des Korns noch eine trockne Zone zeigen u.s.w. Man pflegt auch aus der Gewichtszunahme den Weichgrad zu bemessen, wozu neuerdings eine besondere Wage konstruiert wurde (Bernreuthers patentierter Weicheprüfer). Die Wasseraufnahme durch das Weichen beträgt 48-52 Proz. Bei warmer Witterung ist es angezeigt, wenig Weiche zu geben und auf der Tenne «nachzuweichen», was dadurch erreicht wird, daß die noch viel anhängendes Wasser aus der Weiche bringende Gerste in dickerer Lage aufgeschichtet wird, wobei das anhängende Wasser in das Korn einzieht; durch das Nachweichen wird die bei übermäßiger Feuchtigkeit leicht auftretende Schimmelbildung verhindert.

Von dem Quellstock aus gelangt die quellreife Gerste auf die Malztenne, in welcher das Keimen vor sich geht. Die Malztennen sind geräumige luftige Keller oder auch oberirdische Räume, deren Pflasterung aus undurchlässigem Material, wie Solenhofener Platten, Cement oder Asphalt besteht. In alten Mälzereien wurde Ziegelpflaster verwendet, welches aber aus verschiedenen Gründen zu verwerfen ist. Die Temperatur in den Malztennen soll am besten 9-15º C. betragen. Pro Centner zu vermälzender Gerste (1 hl Gerste wiegt durchschnittlich 65 kg) rechnet man 1,8 bis 2 qm Tennenfläche. Die quellreife Gerste wird auf dem Fußboden der Malztenne zu einem 15-30 cm hohen Haufen (Beet) gleichmäßig ausgebreitet. Man unterscheidet, je nachdem man die Temperatur der keimenden Gerste in den Beeten niedrig hält oder hoch steigen läßt, ein Haufenführen auf «kalten Schweiß» und auf «warmen Schweiß». Im erstern Fall fühlt sich der Haufen beim Einstechen der Hand nicht so warm an der Oberfläche an, eher kühl und naß, im letztern warm und dämpfend. Eine zwischen diesen beiden Methoden liegende ist die am meisten verbreitete.

Der Haufen wird, bis die Gerste zu keimen beginnt, «Naßhaufen» genannt. Derselbe wird alle 8-10 Stunden umgeschaufelt, «gewendet», «gewiddert». Durch das Wenden und das mehr oder weniger dicke Legen der Beete wird die Temperatur reguliert und das Keimgut gelüftet und entwässert. Nach 20-36 Stunden wird am untern Ende des Korns die Wurzelscheide sichtbar, die Gerste «spitzt, äugelt». Einige Stunden später werden die Zellen der Wurzelscheide zersprengt und es treten 2-3 Würzelchen hervor, die Gerste «gabelt». Sobald die Gerste sichtbar keimt, geht der Naßhaufen in das Stadium des «Junghaufens» über. Der Blattkeim, der mit beginnender Keimung die Samenfruchthaut durchbricht, schiebt sich unter der Hülse zwischen Frucht- und Samenhaut durch. Mit zunehmender Keimung entwickeln sich sowohl Wurzel- als Blattkeim kräftiger. Das Stadium des Junghaufens dauert 2-3 Tage. Während dieser Periode ist die Keimungsenergie am stärksten, infolgedessen die Temperaturerhöhung bedeutend. Der Junghaufen wird nach Bedarf alle 5-8 Stunden gewendet, wobei man die Temperatur nicht über 23º C. steigen läßt, was man durch Dünnerlegen des Haufens er-^[folgende Seite]