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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bohren; Bohrer

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Bohren – Bohrer (Werkzeug)

Schachte aus, der später zugleich als Behälter für das sich ansammelnde Wasser dient, wird das Bohren begonnen. Die Dicke des Bohrlochs beträgt dabei meist nur wenige Centimeter.

Hinsichtlich der Anwendung von B. ist als wichtigster Zweck die Beschaffung reinen, klaren Wassers für den häuslichen Gebrauch und den Bedarf verschiedener gewerblicher Unternehmen hervorzuheben. In ersterer Beziehung tritt ihr großer Wert besonders in jenen Gegenden hervor, in denen gewöhnliche Brunnen gar kein oder schlechtes Wasser liefern. Brauchbare Ergebnisse wurden nach manchen vergeblichen Versuchen in der auf weite Strecken von niedrigen Marschen umschlossenen Gegend des deutschen Kriegshafens an der Jademündung erzielt. Die 1867 fertig gestellten B. von 200 und 280 m Tiefe lieferten etwa 0,1 Mill. l Wasser täglich. Seit 1878 ist eine andere Wasserversorgungsanlage in Betrieb gesetzt worden. Von geringerer Bedeutung ist die Anwendung des emporsteigenden Strahls zum Betriebe von Mühlen und andern kleinern Maschinenanlagen. Von größerm Belange erweist sich der Umstand, daß man durch passende Zuleitung des aus B. oft warm entströmenden Wassers Mühlgräben und Radstuben im Winter eisfrei erhalten kann, wie dies in einer Fabrik Heilbronns geschieht. Desgleichen haben sie zur Erwärmung von Gewächshäusern, Fischteichen u. s. w. Verwendung gefunden. Um aus Steinsalzlagern reichere Sole in großer Tiefe zu erschließen, hat man gleichfalls B. vielfach benutzt; so in Rehme unfern Minden, ferner in Öynhausen, woselbst zugleich Kohlensäure entströmt, die zu Badezwecken in eigenen Gasometern aufgefangen wird, weiter in Gottesgabe bei Rheine, wo das zu gleicher Zeit emporsteigende Kohlenwasserstoffgas zur Beleuchtung und Heizung verwendet wird u. s. w. Zu Badezwecken benutzt man sie auch in Ungarn. Trifft man beim Bohren des B. Schichten, die wohl Wasser leiten, jedoch von solchem nicht gespeist werden und am untern Ende geöffnet sind, so kann das Bohrloch Wasser aufnehmen, und der B. wird dann ein negativer oder absorbierender Brunnen genannt. In Frankreich hat man solche mehrfach mit großem Nutzen angelegt; ja in St. Denis hat man einen Brunnen erbaut, der aus drei ineinander gesteckten Röhren besteht. In der innersten steigt aus einer Tiefe von über 600 m klares Trinkwasser empor, aus dem Raume zwischen der engsten und mittlern Röhre quillt minder reines Spülwasser, und die dritte führt den Überschuß der von beiden Öffnungen gelieferten Flüssigkeit wieder ab.

Geschichtliches. Die erste Anwendung der B. fällt in ferne Zeiten. Von gebohrten Brunnen in Ägypten spricht bereits Olympiodor und sagt, daß sie eine Tiefe von 2 bis 300, ja sogar 500 Ellen hätten und das Wasser über der Erdoberfläche ausgössen, woselbst man es zur Berieselung der Äcker verwende. Die großen Oasen von Theben und Dachel sind fast siebartig mit B. durchlöchert; doch sind die meisten derselben verschüttet. Erst im 19. Jahrh. wurden sie zum Teil eröffnet. Einer dieser Brunnen zeigte nach der Aufräumung und Reinigung eine eigentümliche Erscheinung, die auch bei Elbeuf unfern Rouen sich wiederholte: Aus einer Tiefe von etwa 107 m stiegen mit dem Wasser zugleich Fische empor. Auch in China kommen B. in solcher Anzahl vor, daß beispielsweise unfern des Fleckens U-thung-khiao auf einem Raume von 1000 qkm deren mehr als 10000 existieren. Die chines. Brunnen besitzen eine Tiefe bis zu 900 m und 13‒15 cm Weite. Mehrere Generationen mußten infolge des angewendeten zeitraubenden Verfahrens an einem Brunnen arbeiten, ehe der gesuchte Quell erreicht wurde. In Europa waren B. bei Modena und Bologna sowie auch in Niederösterreich schon lange bekannt. Im Kartäuserkloster zu Lillers soll schon 1126 ein Brunnen dieser Art bestanden haben. Etwa 500 Jahre später wurde im Fort Urbain ein solcher erbaut, der das Wasser bis in die obersten Geschosse der Häuser führte. Belidor giebt 1729 bereits wertvolle Beschreibungen der B. Die allgemeine Aufmerksamkeit auf Anlagen dieser Art wurde jedoch erst 1816 rege, als eine Pariser Gesellschaft einen Preis von 3000 Frs. auf die beste Anweisung zur Erbohrung fließender Quellen aussetzte. Er wurde von dem Bergbau-Ingenieur Garnier in Arras gewonnen. Von gleicher Wichtigkeit war eine Arbeit von Héricart de Thury, welche namentlich die geognost. Bedingungen des Gelingens auseinander setzte. Seitdem sind B. in Frankreich, Deutschland und Nordamerika vielfach ausgeführt worden und haben sich als ein mächtiges Förderungsmittel des Wohlstandes bewährt; wichtig für die Bodenkultur sind sie namentlich in Algerien geworden.

Litteratur. Spetzler, Anleitung zur Anlage artesischer Brunnen (Lübeck 1832); Héricart de Thury, Geolog. und physik. Betrachtungen über das Entstehen von Springquellen durch gebohrte Brunnen (übersetzt von Frommann, Kobl. 1833); Paulucci, Das technische Verfahren bei Bohrung artesischer Brunnen (Wien 1838); Hagen, Handbuch der Wasserbaukunst, Bd. 1: «Die Quellen, Brunnen u. s. w.» (3. Aufl., Berl. 1870); A. Fauck, Anleitung zum Gebrauch des Erdbohrers (Lpz. 1877), nebst «Fortschritte der Erdbohrtechnik» (ebd. 1885).

Bohren, die Herstellung von cylindrischen Löchern in festen Körpern durch Zerspanung des Materials an der Stelle, wo das Loch entstehen soll; im weitern Sinne ist B. oder Ausbohren auch das Nacharbeiten einer bereits vorhandenen, aber nicht genau cylindrischen Öffnung, z. B. eines Dampf- oder Gebläsecylinders (s. Cylinderbohrmaschine) oder der roh vorgegossenen Nabe eines Rades. Zum B. dienen die Bohrer (s. d.), die Bohrgeräte und die Bohrmaschinen (s. d.); auch die Drehbank (s. d.) kann zum B. benutzt werden; zum B. von Löchern in der Erde die Bergbohrer (s. d.). Über das B. von Sprenglöchern s. Bergbau (Bd. 2, S. 756 b).

Bohrer sind Werkzeuge zur Herstellung cylindrischer Löcher in festen Körpern, wobei die zu entfernenden Teile in Form von Spänen (Bohrspäne) oder Pulver weggenommen werden; der wirksame Teil des Werkzeugs, die Schneide, beschreibt dabei eine drehende und zugleich eine in der Achse des herzustellenden Hohlcylinders fortschreitende Bewegung und besitzt eine dem Durchmesser des Loches entsprechende Breite. – Die B. zur Herstellung von Löchern in Metall bestehen aus einem Stahlstabe, an dessen unterm Ende zwei im Mittelpunkt sich vereinigende Schneiden angeschliffen sind. Bilden diese Schneiden einen spitzen Winkel mit der Achse des B., so heißt derselbe Spitzbohrer (Fig. 1), stehen sie senkrecht zur Achse, in deren Endpunkt sich eine kleine Spitze zur bessern Einhaltung der Mitte befindet, so wird der B. Centrumbohrer genannt (Fig. 2). Damit die entstehenden Späne aus dem sich bilden- ^[folgende Seite]