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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bonaparte (Familie)

parativi omnium linguarum Europaearum" (Flor. 1847), eine Übersetzung der Parabel vom "Säemann" in 72 europ. sprachen und Mundarten (Lond. 1857) u. a. erscheinen. Er ward 8. Juli 1849 Mitglied der franz. Nationalversammlung, im Dez. 1852 Senator und franz. Prinz, im Jan. 1860 Großoffizier der Ehrenlegion. Seit 1870 lebte er in England und starb 3. Nov. 1891 in Fano (Italien). Seit 1832 war er mit Marianne Cecchi (gest. 17. März 1891) vermählt.

f. Pierre Napoléon B., eine thatkräftige, aber rohe Natur, geb. 11. Okt. 1815, wollte sich, wie seine Vettern, 1831 an dem Aufstande in der Romagna beteiligen, ward deshalb verhaftet und 6 Monate in Livorno gefangen gehalten. Danach ging er nach Amerika, wo er unter dem Präsidenten Santander in Neugranada als Kavalleriemajor diente. Nach Europa zurückgekehrt, wohnte er seit 1834 mit seinem Bruder Antoine auf den Gütern des Fürsten von Canino. Auf die Anzeige, die beiden Brüder wollten revolutionäre Freikorps errichten, befahl Papst Gregor XVI. ihre Verhaftung. Antoine entkam, Pierre wurde nach Rom gebracht und 29. Sept. 1836 zum Tode verurteilt, dann zum Exil begnadigt. Er wandte sich wieder nach Amerika, später nach den Ionischen Inseln, von wo ihn die brit. Regierung verwies, da er sich im Jähzorn zur Tötung zweier Palikaren fortreißen ließ. Seitdem lebte er in wenig glänzenden Verhältnissen zu Mohimont im Luxemburgischen. Nach der Revolution von 1848 wurde er in Corsica in die Konstituierende wie in die Gesetzgebende Nationalversammlung gewählt, wo er demokratische Grundsätze an den Tag legte. In den Tuilerien verkehrte er wenig, da ihn Napoleon III. mit Absicht fernhielt. Beim Ausbruch des Italienischen Krieges von 1859 bot B. diesem seine Dienste an und erhielt den Befehl über ein Regiment der Fremdenlegion; thätigen Anteil an den Kriegsereignissen nahm er indes nicht. 1869 vermählte er sich in Brüssel mit der Tochter eines Arbeiters, um zwei Kinder, die sie ihm bereits geschenkt, zu legitimieren. Am 10. Jan. 1870 erschienen bei ihm in Auteuil die beiden Redacteure von Rocheforts "Marseillaise", Ulrich von Fonvielle und Victor Noir, um ihn wegen eines in einem cors. Blatte veröffentlichten Artikels zur Rede zu stellen. Der Prinz erschoß Victor Noir, während Fonvielle floh. B. stellte sich selbst dem Gericht, wurde 27. März freigesprochen, verließ jedoch auf Befehl des Kaisers Frankreich und ging nach Brüssel, wo er bis 1877 lebte. Er starb, fast vergessen, 7. April 1881 in Versailles in dürftiger Lage. Seine Kinder sind: 1) Roland, geb. 19. Mai 1858, seit 1880 verheiratet mit Marie Blanc (gest. 1. Aug. 1882), der Tochter der Spielbankpächterin zu Monte Carlo, war 1880-83 Lieutenant in einem franz. Infanterieregiment und wurde 1886 infolge des Prätendentengesetzes aus den Armeelisten gestrichen. Er unternahm große Reisen und schrieb: "Les habitants de Surinam" (Par. 1884); "Les premiers voyages des Néerlandais dans l‘Insulinde" (Versailles 1884); "Les derniers voyages des Néerlandais à la Nouvelle-Guinée" (2 Bde., ebd. 1885); "Notes on the Lapps of Finmark" (Par. 1886); "Le fleuve Augusta" (ebd. 1887). - 2) Jeanne, geb. 1861, seit 1882 vermählt mit Marquis Christian von Villeneuve.

g. Antoine B., geb. 31. Okt. 1816 zu Frascati, floh 1836, der päpstl. Gendarmerie entgangen (s. oben 3 f), nach Amerika, erschien 1848 in Frankreich und wurde im Sept. 1849 Mitglied der Nationalversammlung. Er starb 28. März 1877 zu Florenz.

h. Alexandrine Marie B., geb. 12. Okt. 1818, gest. 20. Aug. 1874, vermählte sich 1836 mit Graf Vincenzo Valentini von Canino, der im Juli 1858 starb; aus ihrer Ehe entsprangen zwei Söhne und eine Tochter.

i. Konstanze, geb. 30. Jan. 1823, starb 5. Sept. 1876 als Äbtissin des Klosters zum Heiligen Herzen in Rom.

Sämtliche Söhne Lucian B.s erhielten im Dez. 1852 den Titel Prinzen der kaiserl. Familie, blieben jedoch von der Thronfolge ausgeschlossen. Der Sturz des zweiten Kaiserreichs 1870 entzog ihnen jede Bedeutung. Vgl. die offenbar von Roland B. inspirierte Schrift Le Prince Lucien B. et sa famille (Par. 1888), ein vergeblicher Versuch, ein Successionsrecht geltend zu machen.

4) Marie Anna B., später Elisa genannt, Gemahlin des Fürsten Bacciocchi (s. d.).

5) Ludwig B., geb. 2. Sept. 1778, kam 1793 nach Frankreich und wurde in der Artillerieschule zu Chalons unterrichtet. Er begleitete Napoleon nach Italien, wo er sich durch Ausschweifungen zerrüttete, dann nach Ägypten, ward 1799 von hier an das Direktorium gesandt, um über die Erfolge zu berichten und Hilfe zu erbitten, und wurde nach dem 18. Brumaire Oberst, später Brigadegeneral, nach seines Bruders Thronbesteigung Connétable und Generaloberst der Karabiniers, 1805 Generalgouverneur von Piemont, das er aber wegen Kränklichkeit bald wieder verließ. Als der batav. Großpensionär Schimmelpenninck seine Stelle niederlegen wollte, zwang Napoleon seinen Bruder, der vergebens Kränklichkeit und Klima vorschützte, zur Annahme der holländ. Königskrone (5. Juni 1806). Beim besten Willen, sich nur seinem Lande zu weihen, war Ludwig in der That franz. Statthalter. 1806 eroberte er in dem Kriege gegen Preußen dessen rhein. und westfäl. Besitzungen. Die von Napoleon ihm angebotene span. Königskrone schlug er aus. Die von Frankreich befohlenen Rüstungen und die Sperrmaßregeln gegen den brit. Handel machten ihm die Herstellung eines befriedigenden Zustandes der Finanzen unmöglich; gleichwohl wußte er Holland vor einem allgemeinen Bankrott zu bewahren. Ja mitten unter den dringendsten Händeln der auswärtigen Angelegenheiten ward ein neuer Kriminal- und ein Civilcodex vollendet und ein gleichförmiges, dem franz. nachgebildetes Maß- und Gewichtssystem zu stande gebracht. Als er aber fortfuhr, das Kontinentalsystem (s. d.) nicht mit der Strenge zu handhaben, die Napoleon forderte, und Holland gegen die stets wachsenden Anforderungen seines Brudes ^[richtig: Bruders] kräftig zu vertreten, zerfiel er mit diesem gänzlich und wurde nach Paris entboten, wo er nur durch Verzicht auf jede Selbständigkeit und die Abtretung großer Bezirke an Frankreich Thron und Rückkehr erkaufte (März 1810). Doch schon 1. Juli 1810 legte er infolge neuer Beleidigungen seitens des Kaisers die Regierung nieder, setzte verfassungsmäßig seine abwesende Gemahlin zur Regentin im Namen seines Sohnes ein, verließ Holland und begab sich unter dem Namen eines Grafen von Saint-Leu nach Graz, wo er fortan den Wissenschaften lebte. Holland ward schon 10. Juli mit dem Kaiserreich vereinigt. Ludwig lehnte jede Apanage für sich ab. Napoleon überwies der Gemahlin des Exkönigs die Besitzung Saint-Leu bei