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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Botanik

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Botanik

nismäßig junge Wissenschaft; denn erst ungefähr in der Mitte des 17. Jahrh. lassen sich die Anfänge von wissenschaftlicher B. nachweisen. Bis dahin begnügte man sich nach Art von Aristoteles und seinem Schüler Theophrast, die als Heilmittel oder zu andern Zwecken Verwendung findenden Pflanzen aufzuzählen und notdürftig zu beschreiben. Dabei war natürlich nicht die genaue Kenntnis der Pflanzen die Hauptsache, sondern ihre Bedeutung für den Menschen; auch gründete sich die Beschreibung, wenigstens die der Arzneipflanzen, meist nicht auf Selbstanschauung, sondern auf Erzählungen der Kräutersucher. Aus der Zeit von Aristoteles bis zu Anfang des 16. Jahrh. sind außer Aristoteles selbst, dessen botan. Schriften übrigens verloren gegangen sind, und Theophrast zunächst noch zu nennen der griech. Arzt Dioskorides und Plinius der Altere, die beide im 1. Jahrh. n. Chr. lebten; der erstere beschrieb in seinem Werke "Περὶ δλης ἰατριϰῇς λόγοι ἕξ" gegen 600 Arten, der letztere zählte in seiner "Naturgeschichte" alles auf, was bis dahin über Pflanzen bekannt geworden war, wobei allerlei Märchen und Wundergesckichten mit unterliefen. In der ganzen Zeit von Plinius dem Altern bis zu Anfang des 16. Jahrh. finden sich fast nur bei einigen arab. Schriftstellern Beschreibungen von Pflanzen; die Werke des Dioskorides und Plinius waren die einzig maßgebenden und wurden deshalb vielfach kommentiert, so z. B. von dem Italiener Pierandrea Mattioli (Petrus Andreas Matthiolus, 1500-77), dessen Ausgabe des Dioskorides auch in deutscher Sprache erschien. Da aber Dioskorides sowohl wie Plinius nur Pflanzen des Orients, Griechenlands, Italiens beschrieben hatten, so entstanden die größten Verwirrungen, weil man meinte, daß diese Pflanzen auch in den nördl. Ländern wüchsen.

Diesem Zustande machten gegen die Mitte des 16. Jahrh. die vorzugsweise in Deutschland und den Niederlanden erscheinenden Kräuterbücher ein Ende. Zu erwähnen sind hauptsächlich die in Deutschland von Otto Brunfels (gest. 1534), Hieronymus Tragus, d. i. Bock (s. d.), Leonhard Fuchs (1501-66), Theodor Tabernaemontanus (gest. 1590), in den Niederlanden von Rembert Dodonaeus (1517-85), Matthias l'Obel oder Lobelius (1538-1616), Carolus Clusius (Charles de l'Écluse, 1525-1609), in der Schweiz von Konrad Gesner (1516-65), in Frankreich von Jacques Delechamps (1513-88) herausgegebenen Werke, die meist auch schon mit Illustrationen versehen sind. Der Wert dieser Kräuterbücher lag vorzugsweise darin, daß sie sich nicht an die Werke des Dioskorides und Plinius anschlossen, sondern daß die in denselben beschriebenen Pflanzen zum größten Teile den Verfassern selbst vorgelegen hatten. Ein weiterer Fortschritt machte sich schon in den Schriften der Brüder Johann Bauhin (1541-1613) und Kaspar Bauhin (1560-1624) und des Italieners Andrea Cesalpino (1519-1603) bemerklich. Bei Kaspar Bauhin finden sich neben kritischen Bemerkungen über die vor ihm beschriebenen Pflanzen auch Versuche, eine Nomenklatur einzuführen, die der später von Linné angewandten schon ziemlich nahe steht. Außerdem aber stellte er bereits mehrere Pflanzengruppen auf, deren Umgrenzung zum Teil unsern jetzigen Anschauungen noch entsprechen. Doch erst mit Cesalpin wurde die Beschäftigung mit der Pflanzenwelt zur wissenschaftlichen Forschung. Dieser beurteilte die Pflanzen nicht mehr oberflächlich, nur nach ihren äußern Formen, wie seine Vorgänger, sondern er untersuchte auch die einzelnen Organe der Pflanzen genauer und legte hauptsächlich Gewicht auf die Betrachtung der Fortpflanzungsorgane. Er ist dadurch der bedeutendste Vorläufer Linnés.

Eine systematische Einteilung der Pflanzen findet sich in der Zeit von Cesalpin bis Linné noch bei mehrern Forschern vor. In dieser Hinsicht sind besonders zu erwähnen die Botaniker Joachim Jungius (1587-1657), die Engländer Robert Morison (1620-83), John Ray (1628-1705), ferner in Deutschland Augustus Quirinus Rivinus (1652-1723) und in Frankreich Joseph Pitton de Tournefort (1656-1708). Den größten Fortschritt bezeichnen Rivinus und Tournefort; ersterer schlug vor, für jede Pflanze zwei Namen, einen Gattungs- und einen Artnamen, aufzustellen: er führte aber diese sog. binäre Nomenklatur nicht durch. Tournefort, der wie Cesalpin seinem System die Ausbildung der Blüte und Frucht zu Grunde legte, und hauptsächlich die Form der Blumenkrone betrachtete, wandte die Nomenklatur, wie sie Rivinus vorgeschlagen hatte, teilweise an, legte dabei aber den Hauptwert auf die Gattungsnamen, und viele jetzt noch gebräuchlichen rühren von ihm her.

Die binäre Nomenklatur zuerst vollständig durchgeführt zu haben, ist das Verdienst Karl Linnés (1707-78). Aber auch durch die Aufstellung und Durchführung einer einheitlichen Terminologie bei der Beschreibung der einzelnen Organe, deren Ausdrücke zum größten Teile jetzt noch gebraucht werden, bewirkte Linné einen bedeutenden Fortschritt in der wissenschaftlichen B. Seine Aufstellung des sog. Sexualsystems (vgl. den speciellen Artikel Systematik) auf Grund der Ausbildung von Andröceum (s. d.) und Gynäceum (s. d.) ist wohl ebenfalls von großer Wichtigkeit, doch schließt er sich eigentlich hierin an seine Vorgänger an, deren Systeme ebenfalls auf der Form der Blüte, wenn auch nicht gerade mit besonderer Berücksichtigung der männlichen und weiblichen Fortpflanzungsorgane, fußten. Das Linnésche Sexualsystem wurde bald allgemein anerkannt und zahlreiche Botaniker suchten die Anzahl der von Linné aufgestellten Arten zu vermehren; so entstand eine große Menge storistischer Werke. Durch große Reisen wurden auch die Floren der außereurop. Länder allmählich genauer bekannt. Aber dadurch machte die wissenschaftliche B. eigentlich wenig Fortschritte, denn alle die neu entdeckten Pflanzen wurden beschrieben und in das System eingereiht, ohne daß dabei über die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzen untereinander Neues zu Tage gefördert worden wäre.

Diesen geistlosen Beschäftigungen wirkten in Frankreich schon am Ende des 18. Jahrh. Bernard de Jussieu (1699-1777) und sein Neffe Antoine Laurent de Jussieu (1748-1836) durch die Aufstellung des sog. natürlichen Systems entgegen. Schon Linné hatte hervorgehoben, daß das hauptsächlichste Ziel der botan. Systematik die Erforschung der natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse sei, die durch sein System nicht klargelegt worden waren; aber seinen Nachfolgern galt es als Hauptsache, die Zahl der Pflanzenarten zu vermehren. Während die Botaniker vor Linné die Blüte und Frucht ohne besondere Beachtung der Staubgefäße und Griffel, Linus selbst aber umgekehrt Vorzugs-