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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Boulogne-sur-Mer

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Boulogne-sur-Mer

hölz auf der westl. Seite von Paris, außer der Ringmauer, zwischen der Porte de Neuilly und der Porte d'Auteuil. Das mit Wegen in einer Gesamtlänge von 160 485 m durchschnittene Gehölz (848 ha), vormals königl. Jagdpark, erhielt in der ersten Französischen Revolution die Bestimmung eines Lustwaldes, verwilderte aber bei gänzlich mangelnder Fürsorge, bis Napoleon I. ihn neu herrichten ließ. Von alters her Krondomäne, wurde das Gehölz 1853 an die Stadt Paris abgetreten, unter der Bedingung, daß sie Verschönerungen in großem Maßstabe damit vornehmen solle. Die sandige, wasserarme, kaum bewachsene Fläche wurde in einen Park nach engl. Stil verwandelt, große Seebecken und ein ansehnliches Flußbett wurden ausgegraben und Hügel für Aussichten ins Freie aufgeworfen. Dazu kamen Inseln und Wiesengründe, 8 Wasserfälle, Felsenpartien, schattige Gänge, Weideplätze für Hirsche und Rehe, Tümpel mit Trauerweiden, Sennhütten mit Eß- und Trinkanstalten, ein Zoologischer Garten (Jardin d'acclimatation mit Aquarium), ein Feld für Truppenmanöver und eine Rennbahn (Hippodrome de Longchamp). Die Länge der Wasserläufe beträgt 12 268 m, es existieren 30 Brücken, 44 Springbrunnen. Die Gesamtausgaben beliefen sich 1887 auf 573 180 Frs. Die Stadt Paris besitzt im Bois de Boulogne 2 Baumschulen. Die eine (32 088 qm) nahe bei der Porte d'Auteuil zur Zucht von immergrünen Bäumen und Sträuchern, die zweite (45 000 qm) in der Nähe der Porte St. Cloud für die Zucht von Laubhölzern. Eine dritte nahe der Porte St. Cloud liefert neue Bäume jeder Art zur Unterhaltung des Gehölzes. Ringsum sind zahlreiche stattliche Villen entstanden. Beim Bevorstehen der Belagerung Sept. 1870 ließ das Ingenieurkorps, um den Kanonen ihre ungehinderte Wirksamkeiten verschaffen, den längs des Glacis zwischen der Porte d'Auteuil und der Porte Maillot befindlichen Teil des Holzes abhauen, welchen man seitdem zu einer Rennbahn (Champ de courses d'Auteuil) benutzt hat. Sonst sind die Spuren der Verwüstungen verschwunden.

Boulogne-sur-Mer (spr. bulónnj ßür mähr). 1) Arrondissement des franz. Depart. Pas-de-Calais, hat 942,04 qkm, (1891) 183 875 E., 100 Gemeinden und zerfällt in die 8 Kantone, Boulogne-Nord (51,41 qkm, 27 150 E.), Boulogne-Sud (49,32 qkm, 27 978 E.), Calais Nord-Ouest (95,51 qkm, 31 094 E.), Calais Sud-Est (59,28 qkm, 36 129 E.), Desvres (173,33 qkm, 12 908 E.), Guines (147,94 qkm, 12 960 E.), Marquise (184,03 qkm, 14 477 E.), Samer (181,22 qkm, 21 179 E.). - 2) Hauptstadt des Arrondissements B. (auch bloß Boulogne genannt), feste Seestadt im franz. Depart. Pas-de-Calais, amphitheatralisch an der Mündung der Liane, 37 km südwestlich von Calais an der Linie Paris-B.-Calais und der Zweiglinie B.-St. Omer (65 km) der Franz. Nordbahn in der Landschaft Boulonais gelegen, hat (1891) 44 340, als Gemeinde 45 205 E. (darunter etwa 7000 Engländer), besteht aus Ober- und Unterstadt, welche letztere, das Val de Tintelleries einnehmend, vorzugsweise B. genannt wird. Die obere Stadt, zu welcher drei Thore führen, war früher stark befestigt; ihre Citadelle wurde jedoch 1690 geschleift, und ihre mit runden Halbtürmen flankierten Wälle sind längst in schöne Spaziergänge umgeschaffen mit einer reizenden Aussicht, die bei hellem Wetter sogar den Turm von Dover in England erkennen läßt. Diese obere Stadt enthält das Stadthaus (1734 an der Stelle eines alten Schlosses, der Geburtsstätte Gottfrieds von Bouillon erbaut), die Kirche Notre-Dame (an der Stelle der alten, 1793 zerstörten Kathedrale, 1827-66 in griech.-roman. Stil errichtet), überragt von einer Kuppel, mit einem kolossalen Standbild der heil. Jungfrau, den Justizpalast, das alte Schloß mit Türmen und Gräben von 1231 (jetzt Kaserne und Artilleriemagazin) und die Place d'Armes. Die untere oder eigentliche Hafenstadt, 2,5 km weithin gedehnt, ist neuer, schöner und belebter, hauptsächlich von Kaufleuten, Schiffern und Fischern bewohnt. Sie enthält das Hotel des Unterpräfekten (davor die von David d'Angers entworfene kolossale Erzbüste König Heinrichs II. von Frankreich), das große Hospital, Theater, Museum mit archäol. und ethnogr. Sammlung und Gemäldegalerie, die öffentliche Bibliothek (50 000 Bände und 250 Manuskripte), Börse und den Botanischen Garten. Industrielle Vorstädte sind Bréquerecque und Capécure; das Quartier des Marins, mit niedrigen Häusern und gewundenen Straßen, hat zum Teil Treppen, welche den steilen Fels hinanführen. B. hat 6 Kirchen und 12 Kapellen, eine General-Handelskammer, einen Gewerberat, ein Handelsgericht, Filiale der Bank von Frankreich, ein Kommunal-College, eine Musik-, eine Zeichenschule und andere Unterrichts- sowie verschiedene Wohlthätigkeitsanstalten, eine Gesellschaft des Ackerbaues, des Handels, der Künste und Wissenschaften, 3 Zeitungen, Statuen von Fr. Sauvage, dem Erfinder der Spirale, und von Jenner, dem Erfinder der Kuhpockenimpfung. B. ist auch eins der elegantesten Seebäder am Kanal. Im Juli 1863 wurde daselbst ein großes Badeetablissement eröffnet, dessen Erbauung 1 Mill. Frs. gekostet hat. Das Kasino enthält einen Festsaal von 400 qm Bodenfläche, Ballsäle, Lese-, Spielzimmer u. s. w.

Industrie, Handel und Verkehr. Die ansehnliche Industrie ist vertreten durch Flachsspinnereien, Posamentenfabriken, Holzschneidemühlen, Marmorschneiden, Metallfeder-, Wagen-, Glas-, Röhren- und Cementfabriken, Brauereien, Ölmühlen. Von großer Wichtigkeit ist die Fischerei, namentlich der Stockfischfang, den die Schiffe der Stadt bei Neufundland betreiben. Ebenso bedeutend ist der Handel, vorzüglich mit Heringen, Makrelen und Austern, 1888 im Werte von 12 Mill. Frs., größtenteils nach Paris, mit Champagner- und Burgunderwein, Branntwein und feinen Liqueuren. Eingeführt werden namentlich Seide, Baumwollwaren, Schafwolle und Garn, ausgeführt ebenfalls Wollwaren, ferner Leder und Lederwaren. Sehr bedeutend sind die über B. gehenden Gold- und Silbersendungen. Der gesamte Warenverkehr im Hafen belief sich 1887 auf 420 998 t in der Einfuhr und 353 364 t in der Ausfuhr. B. (6 Stunden von Paris) ist neben Calais der nächste und beliebteste Überfahrtsort nach England. Täglich fahren Dampfboote in 9-10 Stunden direkt nach London, und Paketboote in 2¼ Stunden nach dem 30 km entfernten Folkestone, von wo die Bahn in 3 Stunden nach London fährt. Von England kommen jährlich gegen 150 000 Fremde in B. an. Auch legen hier 2 Linien der Niederländisch-Amerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft an. Der Hafen, in den 1892 1560 Schiffe mit 657 174 t einliefen, trägt gewaltige Batterien, hat 2 Molen von 780 und 600 m Länge (auf beiden je ein Leuchtturm) und wird in neuerer Zeit von seiten der Stadt, welche 35 Mill. Frs. dazu