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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brasilien (Bevölkerung)

ist nur im Süden von Bedeutung, hier werden viele Rinder in den Campos gehalten.

Bevölkerung. Die Einwohnerzahl genau zu bestimmen ist nicht möglich. Freilich gab es schon früher amtliche Zahlen, nach denen B. 1830 schon 5 735 502, 1856 bereits 7 677 800 E. haben sollte. Erst 1872 ist eine unvollkommene Volkszählung vorgenommen worden, welche für die Gesamtbevölkerung eine Zahl von 9 930 478 E. ergab. Von diesen waren männlichen Geschlechts: 5 123 869 (4 318 699 Freie und 805 170 Sklaven), weiblichen Geschlechts 4 806 609 (4 100 973 Freie und 705 636 Sklaven). Nach der Nationalität zerfiel die freie Bevölkerung in 8 176 191 Brasilianer und 243 481 Fremde (121 246 Portugiesen, 45 829 Deutsche, 44 580 Afrikaner, 6108 Franzosen u. s. w.). Für 1888 wird die Bevölkerung auf 14 600 000 berechnet, d. h. 1,7 auf 1 qkm, wahrscheinlich zu hoch. Die Sklaverei ist seit 13. Mai 1888 gänzlich aufgehoben worden. Wie in allen tropischen Ländern Südamerikas, besteht die Bevölkerung aus Ureinwohnern (Indianern), die entweder wild oder häuslich eingerichtet leben, aus Negern, aus eingeborenen oder eingewanderten Weißen und den vielfach abgestuften Kasten, welche durch Vermischung dieser Urrassen mit ihren nächsten Nachkommen entstanden. Der größte Teil der Einwohner lebt in den Städten längs der Küste; die ungeheuern Staaten Mato Grosso, Goyaz, Para und Amazonas sind zum Teil menschenleere Einöden. Auf die einzelnen Staaten verteilt sich die Bevölkerung folgendermaßen:

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Staaten qkm Einwohner 1888 Auf 1 qkm

Amazonas 1 897 020 80 654 0,04

Para 1 149 712 407 350 0,35

Maranhão 459 884 488 443 1,06

Piauhy 301 797 266 933 0,88

Ceara 104 250 952 625 9,13

R. Grande do Norte 57 485 308 852 5,37

Parahyba 74 731 496 618 6,64

Pernambuco 128 395 1 110 831 8,63

Alagoas 58 491 459 371 7,85

Sergipe 39 090 232 640 5,95

Bahia 426 427 1 821 089 4,27

Minas Geraes 574 855 3 018 807 5,25

Espirito Santo 44 839 121 562 2,71

Rio de Janeiro 68 982 1 164 438 16,88

Bundesdistrikt 1 394 406 958 291,96

Goyaz 747311 211 721 0,28

Mato Grosso 1 379 651 79 750 0,06

São Paulo 290 876 1 306 272 4,49

Parana 221 319 187 548 0,84

Sta. Catharina 74 156 236 346 3,18

Rio Grande do Sul 236 553 643 527 2,72

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Die Hauptstadt Rio de Janeiro hat (1892) 422 756 E. - Über das Verhältnis der verschiedenen Rassen herrscht noch eine sehr große Unsicherheit; doch gehörten von den (1872) 9 930 478 Gezählten 3 787 289 der kaukas., 1 954 452 der afrik. und 386 955 der amerik. Rasse an, während 3 801 782 Mischlinge sind. Die hellern Abstufungen der Mischrassen werden gewöhnlich als Weiße (Branco) bezeichnet; sie sind zum überwiegenden Teile Abkömmlinge portug. Einwanderer, zu denen die Azoren und Madeira ein bedeutendes Kontingent stellten. Nähern sie sich nun in vielen Hinsichten ihrem Stammvolke, so haben sich doch, durch den Einfluß des veränderten Lebens, eigenartige Charakterzüge ausgebildet. In dem Volkscharakter der einzelnen Staaten giebt sich übrigens viele Verschiedenheit kund. Im äußersten Süden (Rio Grande do Sul) wohnt ein rauhes, Viehzucht treibendes Volk, welches erst 1845 nach langem Kampfe zum Gehorsam zurückgeführt worden ist. Einen kräftigen, unabhängig gesinnten, aber thätigen Stamm stellen die Bewohner von Sao Paulo dar. Durch milden Ernst, strengere Sitten, Bildung und Liebe zum Wissen ragt der Bewohner von Minas Geraes über alle andern Brasilier hervor. Gleichgültigkeit gegen geistige Fragen, aber großer Eifer in Verfolgung alles auf materielle Verbesserungen Bezüglichen kennzeichnen den Eingeborenen des Staates Bahia, wo allerdings auch die Industrie seit einigen Jahrzehnten einen großen Aufschwung genommen hat. Der Pernambucaner scheut die Verletzung der Form und des Gesetzes wenig und ist stets zu Unruhen geneigt gewesen. Jedenfalls hat er am meisten durch das Leben in der Mitte einer unverhältnismäßig großen Sklavenmenge gelitten. Sklaven fanden sich hauptsächlich in Rio de Janeiro, Minas Geraes, Bahia, Pernambuco und São Paulo, in denen Zucker- und Baumwollbau überwiegt; die Neger sind die kräftigste unter den Rassen B.s. In dieser Hinsicht zeichnen sich besonders die von der Küste von Angola stammenden athletischen Minaneger aus, die auch in Sitte und Sprache ihre Nationalität am reinsten bewahrt haben.

Am meisten gehen die Angaben über die Zahl der Indianer auseinander. Als wahrscheinlichste Zahl giebt man 600 000 an. Die Gesamtheit der Indianer B.s pflegt man nach Martius als brasil.-guaran. Stamm zu bezeichnen, welcher in acht Gruppen zerfällt. Die bedeutendste von ihnen ist die der Tupi, welche sich durch Bildsamkeit vorteilhaft auszeichnen. Ihre Sprache (die Guaremi-Sprache) ist als lingoa geral durch ganz B. und Paraguay verbreitet und dient als Verkehrssprache im ganzen Innern des Landes. Andere Gruppen sind die Gé oder Kran, die Goyatacá, die Kren, zu denen wahrscheinlich auch die Botokuden gehören, die Paresi im Hochlande von Mato Grosso, die Guaycuru, die Guck oder Coco und die Arawaken oder Arawak, letztere beiden Gruppen hauptsächlich nördlich vom Amazonenstrom unterhalb des Rio Negro bis nach Guayana hineinreichend. Neuerdings hat von der Steinen am obern Xingu im Steinzeitalter lebende Karibenstämme angetroffen. Örtlich sind diese Gruppen gar nicht getrennt, sie zerfallen in eine große Anzahl von Stämmen, die bunt durcheinander wohnen und zum Teil ihre Wohnsitze fortwährend ändern. (Vgl. Tafel: Amerikanische Völkertypen, Fig. 7, 17, 18, 19.)

Nach der Konfession zählte man 1872: Katholiken: Freie 8 391 906, Sklaven 1 510 806, zusammen 9 902 712; Akatholiken: 27 766 Freie. Kirchlich ist B. eingeteilt in 1 Erzbistum: Bahia, dessen Inhaber Metropolit und Primas von B. ist, und 11 Bistümer: Belem (Para), San Luiz de Maranhão, Fortaleza (Ceara), Olinda, Rio de Janeiro, São Paulo, Porto-Alegre, Marianna, Diamantina, Goyaz, Cuyaba. In Rio Grande do Sul ist ein bedeutender Anfang zur Organisation der evang. Kirche gemacht worden. Am 19. und 20. Mai 1886 wurden unter Beistand des deutschen Konsuls Hellwig aus Porto-Alegre von den Vertretern von 12 deutschen evang. Gemeinden in San Leopoldo die