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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brasilien (Landwirtschaft. Bergbau. Industrie. Kolonisation. Handel)

Statuten eines evang. Synodalverbandes festgestellt und den außerhalb des genannten Staates bestehenden Gemeinden der Beitritt offen gehalten. Die prot. Seelsorge wird entweder von Theologen, die der preuß. Oberkirchenrat nach B. gesandt hat, oder von Barmer oder Baseler Missionszöglingen ausgeübt.

Landwirtschaft. B. ist ein vorzugsweise ackerbautreibendes Land, seine Produktion teilt sich in die Erzeugung zum eigenen Verbrauch und in die Erzeugung der sog. Kolonialwaren. Unter den letztern steht der Kaffeebau obenan, den man aber in hohem Maße als Raubbau betreibt, fast ausschließlich auf ausgerodetem Urwaldboden, der in verhältnismäßig kurzer Zeit ausgesogen wird. Dem Kaffee steht die Baumwolle am nächsten an Bedeutung, ihre Produktion hat seit dem nordamerik. Secessionskriege einen außerordentlichen Aufschwung genommen; sodann das Zuckerrohr, welches im Anfange des 19. Jahrh. noch die erste Stelle einnahm, ferner Tabak, Kakao (fast nur von wildwachsenden Bäumen gewonnen), Thee u. s. w. An Nahrungspflanzen zum eigenen Gebrauch baut man besonders Mandioka, Mais und Bohnen, auch etwas Weizen und eine Menge von Früchten. Die Viehzucht steht bedeutend zurück hinter der des span. Südamerika, was zum Teil dem Mangel an Salz in den am besten geeigneten Campos zuzuschreiben ist. Aus den Wäldern gewinnt man Maté, Kakao, Kautschuk, Sassaparille, Ipecacuanha, Guarana, Paranüsse u. s. w.

Bergbau. Die Ausbeute der mineral. Schätze steht noch auf einer sehr niedrigen Stufe. In frühern Zeiten war die Goldproduktion ziemlich bedeutend und soll in den J. 1600-1820 einen Wert von 1950 Mill. M. erreicht haben, gegenwärtig erreicht sie kaum 1 Mill. Milreïs jährlich. Da es an Arbeitskräften fehlte, so hatte man ausschließlich Raubbau getrieben, erst in jüngster Zeit haben sich einige Gesellschaften (besonders englische) zur bergmännischen Ausbeutung gebildet. Das Gold kommt sowohl in den meisten Flüssen als auch in den Quarzadern des Gebirges vor, namentlich in Minas Geraes, wo 6 Gesellschaften (5 englische) mit 23½ Mill. Frs. Kapital die Ausbeute betreiben, Bahia, Goyaz und in Rio Grande do Sul. Einen der Hauptreichtümer bildet das Eisen, welches man aber erst jetzt anfängt auszubeuten. Die bedeutendsten Eisenminen befinden sich zu Ipanema (Staat São Paulo), und einige kleinere in Minas Geraes. An andern Metallen finden sich noch besonders Kupfer und Blei, doch werden sie noch fast gar nicht ausgebeutet. Steinkohlen sind ebenfalls reichlich vorhanden, namentlich in Sta. Catharina und Rio Grande do Sul. Am lohnendsten ist bis jetzt die Diamantenwäscherei. Die Diamanten finden sich entweder im Flußbette in einer Geschiebeschicht, die von einer mehr oder minder mächtigen schiefer- oder sandsteinartigen Schicht bedeckt wird, oder auf den Tabolciros in einer Schicht von Trümmergesteinen, die ebenfalls ziemlich tief liegt. Die ergiebigsten Diamantgruben befinden sich in der Serra do Sincora und in der Serra Assurua (Bahia), in Minas Geraes bei Diamantina, wo 1887 3481 g gefunden wurden und in Mato Grosso bei Diamantino, weniger bedeutende auch in Goyaz, Parana und Sao Paulo. Die Gesamtausbeute in früherer Zeit ist nicht zu ermitteln, da bei der hohen Steuer das meiste heimlich exportiert wurde. Erst seit die Ausfuhrsteuer auf ½ Proz. vom Werte herabgesetzt wurde, haben die amtlichen Zahlen wirklich Wert; die jährliche Ausbeute schwankt zwischen 3 und 5 Mill. Milreïs, ist aber neuerdings durch die Entdeckung der Diamanten am Kap zurückgegangen. Die Diamantenausfuhr betrug 1885-86: 1 Mill. Frs., 1886-87 ebensoviel, die von Goldstaub 4 122 000 bez. 3 Mill. Frs. An andern wertvollen Steinen finden sich noch Smaragde, Topase, Berylle, Turmaline und Granaten.

Die Industrie hat in der neuesten Zeit einigen Aufschwung genommen, obgleich sie noch immer nur einen sehr kleinen Teil der Bedürfnisse des Landes befriedigen kann. Die hauptsächlichsten Industrieanlagen sind Baumwollwebereien, Sägemühlen, Seifensiedereien und Kerzenfabriken (mit einer Gesamtproduktion von über 7 Mill. Milreïs), Metallgießereien, Hutfabriken, Ölmühlen und Zuckerraffinerien.

Kolonisation. Die Zahl der europ. Einwanderer in B. betrug 1882: 27 197, 1884: 20 007, 1886: 25 741, 1888: 98 495. Von den 65 161 im J. 1889 waren 34 920 Italiener, 15 240 Portugiesen, 8662 Spanier, 1903 Deutsche, 470 Österreicher, 584 Franzosen, 387 Belgier und 2995 andere. 1890 wanderten 107 100, 1891: 188 816, 1892 nur 86 512 ein. Verschiedene mißlungene Versuche haben gelehrt, daß die deutsche Einwanderung, die sich naturgemäß fast ausschließlich den südl. Gebieten zuwendet, dem Lande am vorteilhaftesten ist. Die auf Regierungsländereien angelegten deutschen und schweiz. (zusammen 65) Kolonien mit etwa 103 000 deutschen Kolonisten sind sämtlich im Wachstum begriffen und erfreuen sich seit Jahren einer besondern Fürsorge. Von einer Massenauswanderung aus Deutschland nach B. wird jedoch noch nicht die Rede sein können. Einstweilen fehlt es dazu noch an den notwendigsten Vorbedingungen, denn es muß immer wieder betont werden, daß mindestens zuvor große Landkomplexe durch kapitalkräftige Kolonisationsgesellschaften für die Ansiedelung von Kleingrundbesitzern vorbereitet werden müssen. Am zahlreichsten sind die Deutschen vertreten: in Rio Grande do Sul zu São Leopoldo (mit 25 870), Porto-Alegre (8900), Novo-Petropolis (3350), Sta. Cruz (6320), São Lourenco (6280), Mundo novo u. s. w., sämtlich in den Flußthälern am Südabhange des Binnenplateau gelegen; in Sta. Catharina zu Desterro, Sto. Amaro, São José, Sao Pedro de Alcantara, Blumenau (s. d.), Dona Francisca (10 100); in Parana zu Assungui; in Espirito Santo zu Sta. Izabel, Sta. Leopoldina u. s. w. Diese Kolonien sind zum Teil von Privaten angelegt worden, aber später von der Regierung übernommen. In allen hat das Leben einen deutschen Charakter behalten. Es giebt dort viele Volksschulen mit guten Volksbibliotheken, viele kath. und prot. Kirchen und reges Vereinsleben.

Handel. Der Handel hat sich bei dem großen natürlichen Reichtum des Landes außerordentlich entwickelt und wird durch die bedeutende Anzahl guter Seehäfen unterstützt. 1889 und 1890 liefen an Seeschiffen ein: 14 078 mit 10 882 534 t Gehalt; aus: 13 731 mit 10 277 313 t Gehalt; davon 7255 Küstenfahrzeuge mit 5 572 491 t bez. 8812 mit 5 430 523 t Gehalt. Der Gesamtwert der Einfuhr im auswärtigen Handel (einschließlich edler Metalle) betrug 1886-87 523 515 200 Frs., die Ausfuhr 658 877 000 Frs. Am letztern Werte waren beteiligt: Kaffee mit 467 500 020 Frs., Zucker 40 500 000 Frs., Kautschuk 13 000 000 Frs., Baumwolle 37 800 000 Frs., Tabak 15 600 000 Frs., Felle 13 400 000 Frs., Kakao 4 077 000 Frs., Maté (Yerba) 8 500 000 Frs.