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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Bremen

Gründen gegenüber angelegte Neustadt geteilt; an diese schließt sich jenseit des ehemaligen Festungsgrabens die Südervorstadt an; jene ist, jenseit der nach 1815 an die Stelle der frühern Festungswälle getretenen herrlichen Wallanlagen und des zickzackförmigen Wallgrabens, von einem Kranz belebter Vorstädte mit schönen Neubauten umgeben. Beide sind durch vier Brücken miteinander verbunden, die große und kleine Weserbrücke, die Kaiserbrücke (1875) und die auch für Fußgänger zugängliche Eisenbahnbrücke (1886), 230 m lang, mit drei Bogen. Unterhalb der Brücken ist im Waller Wied am rechten Weserufer ein durch den 1888 erfolgten Anschluß der Stadt an den Zollverein bedingtes Freigebiet mit einem offenen Hafenbassin (2000 m lang, 120 m breit, 6,8 m tief) und großartigen Speichern, Lösch- und Ladeeinrichtungen geschaffen worden. Die Wallanlagen sind ein Werk Altmanns, dessen Büste von Kropp seit 1877 auf einer Bastion nahe dem Doventhor steht. Sechs Übergänge, nach den ehemaligen Thoren benannt, überschreiten den Graben, am weitesten südlich das Osterthor mit der nahen Altmannshöhe, weiter nördlich das Bischofsthor, Heerdenthor, Ansgariithor mit dem nahen 1875 enthüllten Denkmal für die 1870/71 gefallenen Bremer (auf rundem Granitsockel die Bronzefigur eines siegreichen Kriegers), weiter das Doven- und an der Weser das Stephanithor.

Die altertümlichen Giebelhäuser in den zum Teil engen und krummen Straßen der Altstadt dienen neuerdings vielfach nur als Warenräume und Comptoire, während die Wohnungen in die Vorstädte verlegt sind, deren meist nur von einer Familie bewohnte freundliche Häuser den Wohlstand der Bevölkerung bekunden. Das Hauptleben bewegt sich auf den drei in der Altstadt nahe beieinander liegenden Plätzen Domshof, Domsheide und Markt, von dem die beiden wichtigsten Straßen, Langenstraße mit einigen Gebäuden des 16. Jahrh. und die Obernstraße ausgehen. An Denkmälern seien genannt der steinerne Roland (5,6 m hoch) vor dem Rathaus, ein Symbol der Marktgerechtigkeit, 1404 an Stelle einer hölzernen, schon 1366 erwähnten Säule errichtet, das Marmorstandbild des Astronomen und Arztes Olbers (1858) in der Nähe des Osterthores, das Denkmal des Bürgermeisters Smidt (1860) auf der obern Rathaushalle, die Statue des heil. Ansgar (1865), alle drei von Karl Steinhäuser in Bremen; das Erzstandbild Gustav Adolfs von Fogelberg auf der Domsheide (1856), der Willehadibrunnen vor dem Dom, der Centaurenbrunnen (1891) vor der Bismarckstraße von Sommer in Rom. Auf dem Körnerwall steht ein Denkmal Theodor Körners von Denys. Im Westen des Rathauses erhebt sich ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms ⁡⁡⁡Ⅰ. von Bärwald, das 18. Okt. 1893 enthüllt worden ist.

Kirchen. Den ersten Rang unter den Kirchen nimmt der Dom (103 m lang, 40 m breit, 31 m hoch) ein. 1044 begonnen, wurde der Bau unter Adalbert und Liemar weitergeführt. Um 1200 wurde die Pfeilerbasilika mit doppeltem Chor gewölbt. Der Plan, sie zu einer Hallenkirche umzubauen, wurde nur beim nördl. Seitenschiff ausgeführt (1502‒22). 1888‒93 wurden die beiden Türme, von denen der nördliche 1656 abbrannte, der südliche 1638 einstürzte, durch den Dombaumeister Salzmann aufgebaut und zugleich die Westfaçade restauriert. Die Kirche besitzt schöne Glasmalereien und eine treffliche Orgel; berühmt ist auch in derselben der «Bleikeller». Die kath. Johanniskirche, eine got. Hallenkirche aus dem 14. Jahrh., hat ein 19 m hohes, auf acht schlanken Pfeilern ruhendes Gewölbe und schöne Glasgemälde; die Liebfrauenkirche stammt aus dem 12. und 13. Jahrh. Die got. Rembertikirche ist an Stelle eines ältern Baues nach Plänen von H. Müller 1870 erbaut; die got. Friedenskirche mit Altargemälde von Pfannschmidt wurde 1869 vollendet; die Ansgariikirche, aus dem 13. Jahrh. stammend, hat Wandbilder aus dem 18. Jahrh.; die Stephanikirche ist in ihrer ursprünglich roman. Basilikaform neuerdings von Hase wiederhergestellt.

Weltliche Bauten. Vor allem zeichnet sich aus das got., 1405‒10 erbaute Rathaus mit der großen Halle (Gemälde von Hünten: Schlacht von Loigny 2. Dez. 1870) und seinem namentlich durch Hauffs «Phantasien im Bremer Ratskeller» berühmt gewordenen, mit Fresken von Arthur Fitger (s. d.) gezierten Weinkeller; es wurde 1609‒12 durch Lüder von Bentheim umgebaut und mit drei prächtigen Giebeln im Renaissancestil an der Südfaçade geschmückt. Gleichzeitig entstand das schöne Schnitzwerk der Güldenkammer und der benachbarten Wendeltreppe in der obern Halle. Demselben Meister verdankt man die Stadtwage (1586‒87) und das Kornhaus am Fangturm (1590‒91). Dem Rathaus gegenüber liegt der Schütting, das ehemalige Gildehaus der Kaufleute (1537‒94), jetzt im Besitz und Benutzung der Handelskammer; ferner ist zu nennen: das Gewerbehaus, vorher Krameramthaus, noch früher Gildehaus der Tuchhändler (1619‒21); von neuern Gebäuden die Börse (1861‒64) im got. Stil erbaut, mit Gemälden von Fitger, der Künstlerverein in den Räumen des Domstifts, dessen Refektorium als Halle des Künstlervereins wiederhergestellt wurde (1857), das Gebäude der Gesellschaft Museum (1873‒74 umgebaut), sämtlich von Heinr. Müller; ferner das Reichspostgebäude (1878), der Bahnhof (1889), die Sparkasse von Poppe (1880‒82), die Kunsthalle und das im Bau begriffene große Gerichtsgebäude.

Verwaltung. Die jetzt im Amt befindlichen Bürgermeister sind Lürman (1892‒95) und Pauli (1890‒93). Ihr Gehalt beträgt 14‒15000 M.

Die ständige Feuerwehr (seit 1870) besteht aus 100 Mann und erfordert eine Ausgabe von jährlich 180000‒200000 M.; es bestehen 4 Feuerwachen, 49 Feuermelder, 2 Dampf- und 15 andere Spritzen. Die Gasanstalt erzeugte (1890) 8837930 cbm Gas, darunter 1562707 cbm zur öffentlichen Beleuchtung (3695 Flammen) und 1247523 zu technischen Zwecken (91 Gasmotoren). Die Zahl der Sicherheitsbeamten beträgt 175. Die Errichtung eines städtischen Elektricitätswerkes (1,9 Mill. M.) für 8000, später 20000 brennende Glühlampen ist neuerdings (1892) beschlossen.

Behörden. B. ist Sitz eines Landgerichts (s. oben unter 1), eines Amtsgerichts, einer Oberpostdirektion für das Gebiet des Staates, Teile der preuß. Reg.-Bez. Hannover, Stade, Osnabrück und Teile des Großherzogtums Oldenburg mit 157 Verkehrsanstalten, 1438,37 km oberirdischen Telegraphenlinien (6077,89 km Leitungen, einschließlich 1067,29 km Stadtfernsprechanlagen) und eines Betriebsamtes (318,89 km Bahnlinien) der königlich preuß. Eisenbahndirektion Hannover.

Bildungswesen. B. hat eine Hauptschule, die 1817 begründet und hervorgegangen ist aus