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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Breslau (Stadt)

Querschiff; das heutige Gebäude wurde an Stelle eines ältern (1148) im 13. Jahrh. im got. Stil begonnen und Ende des 15. Jahrh. vollendet, später durch Kapellen im Renaissance- und Barockstil des 17. und 18. Jahrh. erweitert und 1873-75 im Innern von Lüdecke erneuert; die beiden Türme wurden 1540, 1632 und 1759 durch Feuer verstümmelt und ihrer Spitzen beraubt; die Kreuzkirche (zugleich Garnisonkirche) ist 1295 geweiht, ein schöner Backsteinhallenbau in Kreuzform, mit Glasmalereien, histor. Denkmälern (Grabmal Herzog Heinrichs IV. von Schlesien vor dem 1866 erneuerten Hochaltar) und einer Krypta zu St. Bartholomäus (1288 gegründet); die Liebfrauenkirche auf dem Sand (Sandkirche), 1328-69 erbaut, bis 1810 Kirche der Augustinerchorherren, eine Hallenkirche mit dreifachem Chor; die Dorotheen- oder Minoritenkirche (höchstes Gebäude der Stadt), 1351 vom Kaiser Karl IV. gegründet. Die zierliche, got. Michaelskirche in der Odervorstadt (1871 geweiht); die St. Adalbert- oder Dominikanerkirche mit schönem Giebel aus dem 14. Jahrh.; die Vincenzkirche mit dem Grabmal Herzog Heinrichs II.; die Nikolaikirche, ein 1883 vollendeter Neubau an Stelle der 1806 niedergebrannten Kirche; die Matthiaskirche neben der Universität, 1736 von den Jesuiten im Rokokostil aufgeführt. Andere wichtigere teils evang., teils kath. Kirchen sind Ursuliner-, Corpus-Christi-, Christophori-, St. Mauritius- und die Hospitalkirche St. Trinitatis. Bei der Konkurrenz (1892) um den Entwurf zur neuen Lutherkirche erhielten die Architekten Abesser und Kröger in Berlin den ersten Preis. Außerdem besitzt B. noch eine große Anzahl architektonisch merkwürdiger Kapellen sowie Versammlungslokale der verschiedenen Konfessionen und Sekten. Von den Synagogen ist die neue, 1872 vollendete, nach der Berliner die schönste und größte Deutschlands.

Weltliche Bauten. Das großartige, 1888 von Lüdecke wiederhergestellte Rathaus im spätgot. Stile, aus dem 14. und 15. Jahrh., mit zierlichem hohem Turme, reichverzierten Erkern und Giebeln in Renaissance, berühmtem Fürstensaal (vier Kreuzgewölbe auf einem Pfeiler ruhend), Ratszimmern und dem nach einem früher ausgeschenkten Biere benannten Schweidnitzer Keller; nahe dabei das nach Stülers Plänen von Rour und Dickhuth 1863 vollendete Stadthaus mit schmuckvollem Sitzungssaal der Stadtverordneten in den Räumen des 1. Stockwerks; wo bis vor kurzem die Stadtbibliothek (s. unten) untergebracht war, befinden sich jetzt das Gewerbeschiedsgericht und die städtischen Baubureaus, ferner das königl. Schloß aus Friedrichs d. Gr. Zeit, später vergrößert; die 1864-67 im got. Stil erbaute neue Börse an der Promenade; das unter Kaiser Karl VI. 1736 erbaute Jesuitenkollegium, jetzt Universitätsgebäude mit der prächtigen Aula Leopoldina; das neue Regierungsgebäude auf dem Lessingplatz (1887 vollendeter Prachtbau im Renaissancestil), die Gebäude der Universitätsbibliothek (früher Augustinerchorherrenstift), der Generallandschaft und des Oberlandesgerichts; das neue zweitürmige Amts- und Landgericht mit großartiger Gefangenenanstalt, die fürstbischöfl. Residenz auf der Dominsel, das 1841 eröffnete, 1865 und 1871 abgebrannte, 1872 neu erbaute Stadttheater (seit I877 in städtischem Besitz) mit 1480 Plätzen, für Oper, Schau-, Lustspiel und Ballett (verpachtet), das Lobe-Theater (1800 Plätze); das nach Plänen von Ratherz 1875 begonnene, von Brost und Grosser 1879 vollendete Museum der bildenden Künste (Direktor Dr. Janitsch), Ziegelrohbau mit 1Osäuliger Vorhalle ionischer Ordnung und hoher Kuppel, mit allegorischen Statuen von Härtel und Michaelis auf den Giebeln; das Ständehaus, das neue Hauptpostamt, das Staatsarchiv (Direktor Professor Grünhagen) mit der Urkundensammlung des schles. Provinzialarchivs; die Gebäude der Reichsbank, der städtischen Sparkasse, Stadtbibliothek und das Hospital der Gymnasien; die neuen Universitätskliniken, das Augustahospital des vaterländischen Frauenvereins, das St. Anna-Kinderhospital des Malteserordens und St. Trinitatis; das Garnisonlazarett, die von der Stadt erbaute königl. Gewerbe-(Oberreal-)Schule, die Gebäude der Freiburger und Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn und der im got. Burgstil 1857 erbaute Centralbahnhof. Außer den oben erwähnten Denkmälern ist noch die sog. Dompnigsäule zu nennen, eine alte Betsäule mit Skulpturen von 1491, angeblich dem 1490 hingerichteten Bürgermeister Heinz Dompnig gewidmet.

Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Dr. Bender, seit 1891, 25 000 M.), Bürgermeister (von Ysselstein, 12 000 M.), 23 Magistratsmitgliedern (11 besoldet), 102 Stadtverordneten (Vorsteher Justizrat Freund) und einem königl. Polizeipräsidium (Präsident Dr. Bienko) mit 5 Polizeiräten, 24 Kommissaren, 5 Kriminalkommissaren und 271 Schutzleuten. Die Berufsfeuerwehr (seit 1859) besteht aus 1 Branddirektor, Brandinspektor, 2 Brandmeistern, 182 Feuerwehrleuten und hat 6 Feuerwachen, 156 Feuermelder (davon 102 mit Fernsprechverbindung), 1 Dampf-, 18 andere Spritzen und 54 Pferde. Drei städtische Gasanstalten erzeugten 1890/91 14 064 000 cbm Gas für 7684 Konsumenten (7825 Gasmesser, 4883 öffentliche und 120190 Privatflammen, 127 Gasmotoren mit 518 Pferdestärken). Die elektrische Beleuchtung hat 31 km Kabellänge und 8500 Glühlampen. Das neue (seit 1871) Wasserwerk lieferte 1890/91 9 205 405 cbm filtriertes Oderwasser, das alte 2 300 933 cbm zur Entleerung der Kanäle (231,263 km Länge) auf die Rieselfelder. Der Bau von Markthallen sowie eines Schlacht- und Viehhofs ist im Werk.

Finanzen. Der Haushaltplan (1889/90) schließt ab in Einnahme mit 9 568 022 M., Ausgabe mit 9 048 308 M., Schulden 28 161 370 M. Für Schulen werden aufgewendet 2 944 181 M., für Wohlthätigkeitsanstalten 988 198 M., darunter aus Kämmereimitteln 444 476 M., für Armenwesen 729 118 M., für Straßenreinigung 281 047 M., für Straßensprengung 45 778 M.

Behörden. B. ist Sitz des Oberpräsidiums der Provinz Schlesien, der königl. Bezirksregierung, des Landratsamtes für den Landkreis B., eines Oberlandesgerichts für die Provinz Schlesien (Landgerichte Beuthen, B., Brieg, Glatz, Gleiwitz, Glogau, Görlitz, Hirschberg, Liegnitz, Neisse, Öls, Oppeln, Ratibor, Schweidnitz), eines Landgerichts mit 5 Amtsgerichten (B., Canth, Neumarkt, Winzig, Wohlau) und Kammer für Handelssachen, eines Amtsgerichts, des Generalsuperintendenten für die Provinz Schlesien, eines evang. Konsistoriums, eines Stadtkonsistoriums, des kath., keinem Erzbistum untergeordneten Fürstbischofs von Schlesien mit dem Domkapitel, des Provinzialschulkollegiums, der Provinzialsteuerdirektion, eines Oberbergamtes (s. Bergbehörden) für die Provinzen Ost-, Westpreußen,