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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brot und Brotbäckerei

Haferbrot, das Brot mit Zusatz von Hülsenfrüchten, in neuerer Zeit auch von Kartoffeln, in den Zeiten der Hungersnot von Baumrinde u. s. w.) nur als billiges Surrogat für Arme und in den Zeiten der Teuerung. Alle diese Zusätze, mit Ausnahme des in Amerika in größter Menge verwandten Mais, ersetzen aber keineswegs das Roggen- und das Weizenmehl. Sie sind mehr oder weniger schwer, unverdaulich und unschmackhaft. Am besten noch zu Brot eignet sich, mit Weizen- und Roggenmehl gemengt, das Mehl der Gerste.

Der Zweck der Brotbereitung ist, das Mehl der Körner oder Cerealien durch Abänderung seiner chem. und physik. Beschaffenheit in den Zustand zu versetzen, in dem es nach dem Backen am leichtesten zwischen den Zähnen zerkleinert, mit Speichel getränkt und den Verdauungssäften am besten zugängig gemacht wird. Ein Teig aus Mehl und Wasser giebt nach dem Trocknen eine Art Kuchen, der die Stärkemehlkörner des Mehls unverändert enthält und nur schwer verdaut wird, abgesehen davon, daß er durch seinen faden Geschmack den Appetit nicht reizt. Trocknet man den Kuchen bei einer Temperatur über 100° C., so gleicht der Kuchen getrocknetem Kleister, welcher der Verdauung große Hindernisse entgegensetzt (Matze der Juden u. s. w.). Wirkt die höhere Temperatur nur auf die Oberfläche, aber nicht in das Innere des Teigs, so bildet sich ein Produkt, das in der Mitte steht zwischen mehliger und glasiger Beschaffenheit. Von dieser Art ist der gewöhnliche Schiffszwieback, der immer als ein stark ausgetrockneter Teig zu betrachten ist und vor dem gebackenen Brote den Vorzug großer Haltbarkeit, aber den Nachteil eines faden Geschmacks hat. Das Mittel zur Auflockerung des Teigs ist meist (aber nicht immer) die geistige Gärung, die man durch Zusatz von Fermenten (Sauerteig, Hefe) einleitet; ein kleiner Teil der Stärke verwandelt sich in Zucker, der dann in Alkohol und Kohlensäure zerfällt. Letztere sucht gasförmig zu entweichen, wird aber daran durch die Zähigkeit des Mehlteigs verhindert. Der nebenbei produzierte Alkohol kommt nicht in Betracht und geht während des Backens verloren. Aus Weizenmehl erhält man Weißbrot, aus Roggenmehl oder einem Gemisch davon mit Weizenmehl das Schwarzbrot.

Die Bereitung des Brotes zerfällt in zwei Abschnitte: die Teigbildung und das Backen. Erstere bezweckt eine innigere Mischung des Mehls mit Wasser und Ferment. Durch das Backen soll erreicht werden: 1) ein Aufschließen (Verkleistern) der Stärkekörner; 2) eine Lockerung des Brotes durch Austreibung des Wassers und der Gase; 3) eine Vernichtung (Tötung) der Fermente zur Verhinderung weiterer Zersetzung der Mehlbestandteile; 4) eine Röstung der Oberfläche des Brotes, da die hierdurch entstandene Rinde oder Kruste dem Brote Wohlgeschmack und Haltbarkeit verleiht. Das Ferment ist entweder Hefe, die in eigenen Fabriken für den Bedarf der Bäcker hergestellt und als Preßhefe (s. d.) in den Handel gebracht wird, oder Sauerteig (s. d.). Auf 100 Teile Mehl gebraucht man in der Regel 2 Teile Preßhefe oder 4 Teile Sauerteig. Als Ersatz des Ferments wird auch Backpulver (s. d.) verwendet. Durch die Hefe wird vorzugsweise alkoholische Gärung im Teige eingeleitet, der Sauerteig ruft neben dieser Milchsäuregärung hervor, und zwar in um so höherm Maße, je älter derselbe ist. Der Hefe bedient man sich für die Bereitung des weißen Brotes und aller feinern Bäckereien, des Sauerteigs für das Graubrot, und dieses erhält einen um so saurern Geschmack, je länger der Sauerteig in Gärung gewesen oder, was dasselbe ist, je mehr Milchsäuregärungsorganismen sich in demselben gebildet haben. Je nach dem Geschmack der Konsumenten hat man die Säuerung des Teigs zu leiten; soll das Brot einen möglichst wenig wahrnehmbaren sauern Geschmack haben, so pflanzt man die Gärung von frisch gärendem Teig auf neue Teigmassen fort; sind dagegen die Konsumenten an stark saures Brot gewöhnt, so läßt man den Sauerteig bis zu einer Woche alt werden. Man beginnt die Operation der Teigbildung am Abend vor dem Backen damit, daß man die Hefe oder den Sauerteig mit so viel Wasser und Mehl bei 30-35° C. zusammenknetet, daß etwa der vierte Teil des ganzen Teigs sich bildet. Dieser Vorteig, den man bis zum nächsten Morgen an einem mäßig warmen Orte stehen läßt, wird nun mit der ganzen Menge von Wasser und Mehl vermengt, wobei sorgfältig darauf zu sehen ist, daß keine Klumpenbildung eintritt. In dem Maße, wie die Menge des Mehls vermehrt wird, entsteht zunächst eine breiige Masse, endlich ein zäher, plastischer Teig, dessen Bearbeitung, wenn sie mit der Hand ausgeführt wird, die ganze Kraft und Geschicklichkeit des Bäckers beansprucht, um eine vollkommene Einverleibung des zugefügten Mehls herbeizuführen. Bei dieser Bearbeitung quillt der Kleber und das Pflanzeneiweiß des Mehls zu einer zähen, klebrigen Masse, die das Zusammenhängen der ganzen Teigmasse bedingt, das Wasser wird von den Stärkemehlkörnern aufgesogen, der im Mehl vorhandene oder vielleicht erst während der Teigbereitung entstehende Zucker wird gelöst und verfällt sofort durch die Wirkung des Ferments der Gärung, deren gasige Produkte das Aufgehen des Teigs verursachen. Die Verhältnisse, in denen Mehl und Wasser bei der Teigbereitung gemengt werden müssen, sind nicht immer gleich, da die eine Mehlsorte durch höhern Klebergehalt mehr Wasser zu binden im stande ist als eine andere, deren Gehalt an Kleber geringer ist; ganz allgemein kann man annehmen, daß auf 4 Teile Mehl 3 Teile Wasser erforderlich sind, jedoch muß in dieser Hinsicht immer die Beschaffenheit des entstehenden Teigs maßgebend sein. Demselben wird so viel Mehl zugeknetet, wie er verträgt, ohne brüchig zu werden; andererseits darf er nicht zu naß gehalten werden, weil sonst das Brot dicht und schliffig wird.

Während beim Kleinbetriebe das Kneten des Teigs durch Menschenhand geschieht, verwendet man in größern Bäckereien und Brotfabriken eigene Knetmaschinen, die durch Dampfkraft oder einen sonstigen Motor betrieben werden. Dieselben sichern nicht allein eine ebenso gründliche Bearbeitung des Teigs, sondern haben auch den Vorteil der größern Reinlichkeit und des billigern Betriebes. Eine sehr verbreitete, von dem Pariser Bäcker Bolland erfundene Knetmaschine ist auf Tafel: Brotbäckerei, Fig. 1, dargestellt. In dem eisernen Troge T liegt eine Welle A, die von der Transmission aus in langsame Rotation versetzt wird. An der Welle A sind die spiralig gestellten Knetarme L L befestigt, die den Teig bei der Drehung der Welle nach allen Richtungen umwälzen, kneten, zerteilen und wieder vereinen. Nach beendigter Teigbildung giebt man dem um seine Achse drehbaren Troge mittels der