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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brüssel

Sablon mit einem monumentalen Brunnen, die zu einem Square umgeschaffene Place du Petit Sablon mit dem früher auf der Grande Place befindlichen Denkmal Egmonts und Hoorns (von Fraikin), einer mit Statuetten verzierten Umsriedigung und den neuerdings gesetzten Standbildern berühmter Gelehrten und Künstler aus der Zeit der span. Schreckensperiode (Ortelius, van Orley, Locquenghien, Mercator, Dodonće, De Vriend genannt "Floris", Brederode und van Bodeghem); ferner die Place des Barricades mit dem Standbilde des Anatomen Vesalius (1847), die Place Ancessens (früher Place Joseph Lebeau) mit dem 1889 errichteten Denkmal des Märtyrers der Freiheit gleichen Namens, die Place Rouppe mit der Statue der Schutzgöttin der Stadt, endlich der Kongreßplatz mit der herrlichen Aussicht auf die untere Stadt und der mit dem 4 m hohen Bronzestandbilde König Leopolds I. gekrönten 47 m hohen Kongreßsäule (1859, von Geefs). Von Denkmälern seien noch genannt das des franz. Generals Belliard (1836), das des Ministers Gendebien (1874), John Cockerills und der Manneken-Pisbrunnen von Duquesnoy (1619).

Kirchen. Die größte und schönste ist die Kathedrale von St. Gudula, im 12. Jahrh. an Stelle einer alten Kapelle des heil. Michael begonnen und bis 1653 im got. Stile erbaut, mit zwei unvollendet gebliebenen Türmen, 16 m hohen, reichbemalten Fenstern und den Grabstätten mehrerer Herzöge; andere sind: die Kirche St. Jacques-sur-Caudenberg (zur Zeit des Konvents Tempel der Vernunft), dann Notre-Dame de la Chapelle, Notre-Dame de Finistère und die 1874 eingeweihte St. Katharinenkirche. Außerdem giebt es mehrere protest. Kapellen und eine im Rundbogenstil 1878 gebaute Synagoge. Die Kirchen der Vorstädte sind außer der prächtigen St. Marienkirche in Schaerbeek mit der byzant. Kuppel und der eigenartigen von Poelaert entworfenen Kirche in Laeken weniger bemerkenswert.

Weltliche Bauten. Das berühmte 1401-54 im got. Stil erbaute Rathaus mit dem 118 m hohen Turm - einem Meisterwerke mittelalterlicher Baukunst - der über die ganze Niederstadt emporragt und auf seiner Spitze die vergoldete Bildsäule (5,5 m) des Brüsseler Schutzpatrons, des heil. Michael, trägt; das dem Rathaus gegenüberliegende Königs- oder Brothaus, ein uraltes, wieder neu aufgeführtes Gebäude, das vor 1794 mehrern Gerichtshöfen diente und in dem Egmont und Hoorn die Nacht vor der Hinrichtung zubrachten, das Entrepôt am Kanal von Charleroi, die Markthalle (Halles Centrales), die Fischhallen, die Schlachthäuser, das Hospital St. Jean mit 600 Betten, das Grand Hospice, ein Verpflegungshaus für 600 alte Leute, die Staatsbibliothek mit mehr als 300 000 Bänden, 12 000 Handschriften und einer Sammlung von über 60 000 Kupferstichen, davor das Denkmal des österr. Generalstatthalters Karl von Lothringen; der ehemalige Palast des Generalgouverneurs (Ancienne cour), jetzt Museumsgebäude, das Palais de la Nation für die Sitzungen des Senats und der Kammer, das königl. Schloß (zur Zeit der franz. Herrschaft Sitz der Präfektur) mit reichen malerischen Kunstschätzen, das Palais des Académies (der frühere Palast des Prinzen von Oranien) mit einem die bedeutendsten Epochen der belg. Geschichte behandelnden Cyklus von 13 Ölbildern von Slingeneyer, davor das Standbild Quetelets, das Schloß des Herzogs von Arenberg - dessen älterer, rechter Flügel mit dem histor. Egmontzimmer 23. Jan. 1892 ein Raub der Flammen wurde - mit wertvoller Gemäldegalerie, der Palast des Grafen von Flandern, das Wiertz-Museum (ausschließlich Gemälde von Wiertz [s. d.] enthaltend), das königl. Musikkonsevatorium, die Nationalbank, die Börse, ein Prachtbau im Stile Ludwigs XIV., die Universität mit dem Standbilde ihres Hauptbegründers P. Verhaegen (von W. Geess), der große neue Justizpalast in griech.-röm. Stil von Poelaert mit hoher (98 m) Kuppel, 180 m lang, 170 m breit, einer der gewaltigsten Bauten ganz Europas, begonnen 1866 und vollendet 1883 (Baukosten über 50 Mill. Frs.), ferner die 1847 vollendete 213 m lange, 8 m breite, 3 Stockwerk hohe (18 m), von Kaufläden, Cafés u. s. w. besetzte Glasgalerie St. Hubert, eine der schönsten und größten, die Nordpassage, die Handelspassage, endlich der 1880er Ausstellungspalast (Palais du Cinquantenaire) mit dem Museum für Altertümer und Kunstgewerbe.

Verwaltung. B. wird verwaltet von einem Bürgermeister (Buls, 25 000 Frs. Gehalt), fünf Schöffen und einem Stadtrat, dessen 29 Mitglieder von 3 zu 3 Jahren auf je 6 Jahre gewählt werden. Die Stadt ist in 6 Divisionen geteilt mit je 11 von Polizeikommissaren geleiteten Sektionen. Zur Erleuchtung dient meist Gas (5500 Straßenlaternen, etwa 14 000 Gasuhren, 180 Gasmotoren mit 600 Pferdestärken). Elektrisches Licht findet sich auf einigen größern Plätzen und in Privatgebäuden. Die Wasserleitung, welche gleichzeitig auch die 8 Vorstädte versorgt, hat etwa 320 km Röhrenleitung, davon etwa 172 km in B. selbst und gegen 3000 Hydranten. 1847 belief sich die Gesamtlänge der verdeckten Kanäle auf 45 km, gegenwärtig auf 110 km. Zur Verteidigung der Stadt besteht eine 5625 Mann starke Bürgerwehr. Die Feuerwehr zählt 174 Mann auf 14 Posten. Die Vorstädte haben eigene Bürgerwehr und Löschmannschaften.

Finanzen. Der Gesamteinnahme 1890 mit 24 276 505 Frs. stellte sich eine Gesamtausgabe von 24 217 967 Frs. gegenüber. Die Einnahmen betrugen aus Steuern 3 450 791 Frs., städtischem Grundbesitz (Miete u. s. w.) 4 959 911, Zinsen von ausgeliehenen Geldern 3 678 061, Gas 4 592 077 und Wasserleitung 1 600 472 Frs. Für Verwaltung wurden verausgabt 1 092 276 Frs., für die öffentliche Sicherheit 1 459 319, für Schulen 1 169 060, zur Verzinsung der Gemeindeschuld 8 771 020 Frs.

B. hatte seit 1853 sieben verschiedene Anleihen im Betrage von zusammen 241 600 000 Frs. aufgenommen. Diese Anleihen wurden 1886 in eine einzige Anleihe von 289 000 000 Frs. konvertiert, deren Tilgung in 90 Jahren erfolgen muß.

Behörden. B. ist Sitz der Staatsbehörden, des Senats, der Repräsentantenkammer, der Provinzialregierung und der Vertreter fremder Mächte.

Bildungs- und Vereinswesen. Die 1834 gegründete, von der Provinz, der Stadtgemeinde und den Freimaurerlogen unterhaltene Universität hat eine philos., jurist., mathem.-naturwissenschaftliche und mediz. Fakultät sowie eine pharmaceutische und eine polytechnische Schule mit (1891/92) insgesamt 89 Docenten und 1693 Studierenden; die Universitätsbibliothek hatte vor dem großen Brande (1886) 70 000 Bände, jetzt ist sie reorganisiert; die 1838 gegründete königl. Bibliothek hat 375 000 Bände, 27 000 Handschriften, 80 000 Stiche, Karten und Holzschnitte, 32 000 Münzen und Medaillen. Ferner