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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchhandel

Sortimenter teil. Der 1883 in Petersburg gegründete «Verein der russ. Buchhändler und Verleger» (Obščestvo russkich knigoprodavcev i izdatelej) sucht feste Normen für den Verkehr zwischen Verleger und Sortimenter herzustellen; sein Organ ist der «Knižnyj Vĕstnik» (Bücherbote; seit 1884 monatlich einmal) mit russ. Bibliographie. Doch ist der Provinzialbuchhandel in Rußland auch gegenwärtig verhältnismäßig noch spärlich entwickelt, die herrschende Stellung nehmen immer noch die beiden Residenzen Petersburg und Moskau ein, neben denen nur noch die Buchhandlungen in den Universitätsstädten Kiew, Charkow, Kasan, Odessa einige Bedeutung haben. Einen besondern Zweig des russischen B. bildet die eigenartige russ. Volkslitteratur, bestehend aus Kalendern, Ritter- und Räubergeschichten, Volksmärchen, Wahrsagebüchern, plumpen Bilderbogen (lubočnyja kartiny). Sie hat ihren Sitz in Moskau und wird durch Colporteure (russisch oféni, Einzahl ofénja) im ganzen Lande verbreitet sowie auf den Jahrmärkten und Messen verkauft; der Umsatz in Nishnij-Nowgorod beträgt jährlich 100000 Rubel. Kasan hat außer dem russischen B. auch noch eine Bedeutung als Centrum der Herstellung des Vertriebs einer mohammed. Litteratur in tatar., türk., pers. und arab. Sprache; jährlich erscheinen etwa 300 Werke in Auflagen von 2000 bis 200000 Exemplaren. Der Betrieb des B. in Rußland steht unter dem Censur- und Preßgesetz von 1886 (§§. 175-180 handeln speciell vom Buchhandel).

Der finnische und finnisch-schwedische B. konzentriert sich in Helsingfors, der esthnische in Dorpat, der lettische in Mitau und Riga. Von größerer Bedeutung ist der polnische B., dessen Centrum für den russ. Anteil des poln. Gebietes Warschau, für den österreichischen Krakau, für den preußischen Posen sind. Die in Krakau seit 1878 erscheinende Monatsschrift «Przewodnik bibliograficzny», hg. von L. Wisłocki, kann als Organ des polnischen B. gelten.

In Österreich-Ungarn konnte das Erwachen der nationalen Litteraturen seit Anfang des 19.Jahrh. nicht ohne Einfluß auf den B. bleiben. Prag hat sich zum Centrum eines czechischen B. entwickelt. Der dort 1879 gegründete «Verein der böhm. Buchhändler und Verleger» (Spolek českých knihkupců i nakladatelů) giebt einen wöchentlichen Anzeiger «Oznamovatel» heraus. Der Vertrieb slowen. Bücher findet vorwiegend in Laibach und Klagenfurt statt, kleinrussischer (ruthenischer) in Lemberg, kroatischer in Agram, serbischer in Belgrad. Eine eigene Organisation hat der ungarische B. mit seinem Centrum in Budapest. Der hier seit 1878 bestehende Verein ungar. Buchhändler (A magyar könyvkereskedők egyelete) giebt dreimal monatlich als Vereinsorgan die «Corvina» (seit 1878) heraus. Trotz aller dieser Spaltungen ist Wien immer noch das Reichscentrum auch in buchhändlerischer Beziehung geblieben, mit dem die Mehrzahl der österr.-ungar. Buchhandlungen, auch in den nichtdeutschen Gebieten, in direkter Verbindung steht. Die Seele dieser Vereinigung bildet der 1854 gegründete «Verein der österr.-ungar. Buchhändler» in Wien mit seiner Wochenschrift «Österreichisch-Ungarische Buchhändler-Korrespondenz» (seit 1860), deren Bibliographie nicht nur über die Neuigkeiten der einheimischen deutschen Litteratur, sondern auch in besondern Abteilungen über die Neuigkeiten aller andern innerhalb Österreich-Ungarns erscheinenden Litteraturen (bei den letztern unter Beigabe deutscher Übersetzungen zu den Originaltiteln) berichtet.

Der rumänische B. hat sein Centrum in Bukarest. Ist in den erwähnten kleinern Buchhandels gebieten eine Organisation vorhanden, so schließt sie sich in der Regel mehr oder weniger der des deutschen B. an, welcher mit seinem Centrum Leipzig fortfährt, eine große Bedeutung für den Osten Europas zu behalten. Die meisten größern Buchhandlungen in Rußland sowohl als in Österreich-Ungarn und im Orient haben neben ihren lokalen Beziehungen auch direkte Verbindung mit Leipzig.

B. Geschichte des Buchhandels. Wann und wo die buchhändlerische Erwerbsthätigkeit zuerst zu finden war, wird schwerlich festgestellt werden können; denn viel älter als die Buchdruckerkunst ist der B., wenn man auch früher nur handschriftliche Bücher kannte. Der erste, freilich sehr kurze Bericht über Kauf von Büchern findet sich bei den Ägyptern, demjenigen Volke, von welchem auch die Erfindung der Papyrusrolle, der ältesten und lange Zeit üblichen Buchform, ausging. Ob bei andern Kulturvölkern des Orients Handel mit Büchern betrieben wurde, läßt sich nicht nachweisen; bei zweien derselben, bei den Phöniziern und Hebräern, kann man es als sicher annehmen. Erst bei den Griechen, und zwar zu Platons und Sokrates’ Zeiten, stößt man wieder auf Spuren eines B. Von Athen aus, wo lebhafter litterar. Verkehr herrschte, nahm er seinen Weg in die Kolonien und hellenisierten Städte, unter denen Alexandria bald und auf Jahrhunderte hinaus die erste Stelle einnahm.

Nach ihren Eroberungskriegen in Griechenland und Macedonien (2. Jahrh. v. Chr.) mögen auch die Römer Anteil am geistigen Weltverkehr genommen haben, durch die Bücherschätze angeregt, welche ihre siegreichen Konsuln als Beute mit nach Rom gebracht hatten. Gegen Ende der Republik, zur Zeit Ciceros, waren in Rom bereits mehrere Buchhändler ansässig; denn obgleich nur einer, Pomponius Atticus, namhaft gemacht wird, so folgt doch schon aus der Bemerkung Ciceros, er habe (ungefähr um 60 v. Chr.) dem Atticus allein seine Schriften in Verlag gegeben, daß Atticus nicht der einzige Buchhändler in Rom war. Wenn ferner berichtet wird, daß von Atticus auch griech. Klassiker verbreitet wurden, so läßt dies darauf schließen, daß der B. Roms zu jener Zeit sich nicht mehr im Anfangsstadium befand. Bei stetiger Zunahme erreichte er während der Kaiserzeit eine geradezu staunenswerte Ausdehnung. Hatte schon Atticus in seiner Offizin Hunderte von Sklaven beschäftigt, welche teils das Material (Papyrus) herrichteten, teils Abschriften und Korrekturen lieferten und die vollendeten Bücher mit Einband und Titel versahen, denn ohne diese kam kein Buch in den Handel, so konnte doch sein Geschäftsbetrieb sich nicht mit dem seiner Nachfolger messen. Zu der regern litterar. Thätigkeit hatte sich auch die Liebhaberei gesellt, welche es zum guten Ton gehören ließ, eine Bibliothek zu besitzen. Um dem gesteigerten Bedürfnis gerecht zu werden, mußte der buchhändlerische Geschäftsmann auf rasche Vervielfältigung bedacht sein. Diese wurde dadurch erzielt, daß man ein und dasselbe Werk oft hundert Sklaven zu gleicher Zeit diktierte, wobei man sich auch wohl mitunter der von Tiro, einem Freigelassenen Ciceros, erfundenen Kurzschrift bedient haben mag. Die auf solche Weise hergestellten Bücher