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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Buchhandel

durch die großen Verkehrserleichterungen, Post und Eisenbahnen begünstigt werden. Auch die Verlagsthätigkeit wird durch die Lese- und Kauflust der Engländer gefördert, denn fast jeder, der Anspruch auf Bildung macht, ist im Besitze einer seinen Verhältnissen entsprechenden Büchersammlung. Die Preise sind für wissenschaftliche Werke hoch, besonders für die neuen Erscheinungen namhafter Autoren, für die auf Massenabsatz berechneten hingegen beispiellos niedrig. Den geschäftlichen Mittelpunkt des englischen B. bildet Stationer’s Hall in London; die litterar. Anzeigeblätter sind «The Publishers’ Circular» und «The Bookseller» in London.

Der B. Nordamerikas ist dem englischen ähnlich und beruht auf gleichen kaufmännischen Principien, was den Büchervertrieb und den Verkehr zwischen Verleger und Sortimentsbuchhändler anlangt. Die größte Verlagsthätigkeit besteht in Neuyork, Philadelphia, Boston, Washington, Chicago, San Francisco, wo auch große Auktionen von Verlagswerken (trade-sales) stattfinden; doch werden auch in andern Städten viele Bücher verlegt. Ein wesentlicher Teil bestand seither aus Nachdrucken englischer und deutscher Werke, da litterar. Verträge nicht vorhanden waren. Dieser Zustand hat nach Annahme der Copyright-Bill (1891) teilweise sein Ende erreicht. Der Import litterar. Erzeugnisse des Auslandes wurde seither durch den hohen Zoll (25 Proz. auf den Einkaufspreis) erschwert, doch ist letzterer infolge der durch das Mac-Kinley-Zolltarifgesetz am 6. Okt. 1890 in Kraft getretenen Bestimmungen für alle nicht engl. Bücher in Wegfall gekommen. Die Bücherpreise sind im allgemeinen hoch, was zumeist seinen Grund in den teuren Herstellungskosten hat, andererseits werden Bücher, welche für den Massenabsatz berechnet sind, sehr billig verkauft. Der bei letztern in Betracht kommende Colportagebuchhandel (canvassing trade) hat eine bedeutende Entwicklung genommen und bildet bei den großen Entfernungen und der besonders im Westen der Vereinigten Staaten zerstreuter wohnenden Bevölkerung ein notwendiges Mittel, denselben litterar. Erzeugnisse zuzuführen. An Fachjournalen besitzt der nordamerikanische B. «The Publishers’ Weekly» und «The American Bookseller» in Neuyork.

In Italien hat der B. im letzten Jahrzehnt einen großen Aufschwung genommen und die Verlagsthätigkeit in Mailand, Florenz, Turin, Rom, Neapel und Bologna ist sehr bedeutend. Auch in andern Städten erscheinen viele Bücher, von denen manche jedoch wegen der ungenügenden Organisation des ital. Buchhandels schwer erreichbar sind. Der ital. Verleger (editore) verkehrt zumeist direkt mit dem Sortimentsbuchhändler (libraio), wobei ihm bei der Versendung die innerhalb Italiens bestehenden Portovergünstigungen sehr zu statten kommen. Der ital. Verleger liefert zumeist für feste Rechnung, macht aber auch an eine Anzahl Firmen Neuigkeitssendungen. Der Kredit ist meistens ein halbjähriger, oft auch nur ein vierteljähriger gegen Wechsel. Den geschäftlichen Mittelpunkt bildet die von dem verdienten Verleger Giuseppe Pomba in Turin gegründete «Associazione tipografico-libraria italiana», deren Organ die «Bibliografia italiana» ist.

Der holländische B. ist in seiner Organisation dem deutschen sehr ähnlich. Der Verleger (uitgever) liefert an den Sortimentsbuchhändler (debitant) auf Jahreskredit sowie für feste Rechnung und à condition, und macht auch Neuigkeitssendungen. Die Abrechnung findet am Schlusse des Jahres statt durch Zahlung des Verkauften und Remission des Nichtabgesetzten. Disponenden (s. d.) sind nicht üblich. Die Zahlung erfolgt gewöhnlich im Februar oder März. Kommissionäre (Korrespondenten) nach Art der deutschen giebt es jetzt nur noch wenige in Amsterdam, dem Centralpunkt des Holland. Buchhandels, da seit Errichtung des «Bestelhuis» daselbst dieses die Funktionen derselben verrichtet. Auslieferungslager der Verleger bei den Kommissionären giebt es in Holland nicht und die auswärtigen Verleger senden ihre Pakete an das «Bestelhuis», welches die Weiterbeförderung besorgt. Den Mittelpunkt des Geschäftsverkehrs bildet die «Vereeniging ter bevordering van de belangen des boekhandels» in Amsterdam, deren Organ das «Nieuwsblad voor den Boekhandel» ist. Außerdem erscheint im Haag die «Nederlandsche Bibliographie».

Der skandinavische B., welcher ähnlich wie der deutsche organisiert ist, beschränkt sich zumeist auf die Haupt- und Universitätsstädte der drei Staaten: Kopenhagen, Kristiania, Stockholm, doch giebt es auch in andern Städten, z. B. Odense, Alborg, Bergen, Throndhjem, Göteborg, Malmö u.s.w., Buchhandlungen. Der Verleger, welcher zumeist auch Sortimentsbuchhändler ist, liefert in Jahresrechnung, welche im März auszugleichen ist, sowohl für feste Rechnung wie à condition, und macht auch Neuigkeitssendungen. In jedem der drei Staaten bestehen Buchhändlervereine, deren Hauptorgan die in Kopenhagen erscheinende «Nordist Boghandlertidende» ist. Außerdem erscheinen in Kopenhagen die «Dansk Bogfortegnelse», in Stockholm die «Svensk Bokhandels Tidning» und in Kristiania die «Norsk Boghandlertidende».

Der B. Spaniens und Portugals besitzt keine besondere Organisation, wie solche in andern Staaten besteht und die Interessen der Buchhändler vertritt. Die Verlagsthätigkeit beschränkt sich in Portugal fast ausschließlich auf Lissabon und Porto, während in Spanien außer in Madrid und Barcelona, den Hauptverlagsplätzen, auch noch in andern Städten viele Bücher erscheinen, die aber zum Teil aus Mangel an einer Organisation nur wenig bekannt werden und oft nur schwer zu erlangen sind. Einen großen Teil der span. Litteratur bilden Übersetzungen besonders franz. wissenschaftlicher und belletristischer Werke. Ein bibliogr. Organ erscheint jetzt in Madrid u. d. T. «Boletin de la libreria».

Die Grundlage zur Entwicklung eines russischen B. ward 1783 gegeben, als von der russ. Regierung gestattet wurde, neben den bis dahin allein bestehenden Staatsdruckereien auch Privatbuchdruckereien zu errichten, und als erster russ. Verleger kann Nowikow (s. d.) in Moskau bezeichnet werden. Von dort kamen auch die Brüder Glasunow nach Petersburg und errichteten daselbst 1785 die erste Buchhandlung (bis dahin hatte man Bücher nur von den Buchbindern bezogen), die noch gegenwärtig besteht. Petersburg bildete sich dann bald zum Centrum des russischen B. aus, nicht ohne Hinzuthun verschiedener ausländischer Buchhändler, namentlich Deutscher und Franzosen, die sich daselbst niederließen. Die letztern befaßten sich anfangs zwar nur mit der Einfuhr deutscher und franz. u. a. Litteratur, nahmen aber von Mitte des 19. Jahrh. an auch vielfach direkt am russischen B. als Verleger und