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Bulgarien (Lage und Oberflächengestaltung. Pflanzenwelt. Tierwelt. Klima)
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Bulgaren'
im Banat. Die Zahl der B. ist früher sehr überschätzt worden; sie dürfte nicht viel mehr als 4 Mill. insgesamt betragen, von denen etwa
2326000 auf Bulgarien und Ostrumelien kommen. Der Rest verteilt sich auf die Türkei, Rußland, Rumänien und Österreich. Der Religion
nach gehört die Mehrzahl der B. der griech.-orthodoxen Kirche an, weiter rechnet man unter ihnen 30000 Unierte, 50000 röm. Katholiken
(meist um Philippopel und bei Temesvár), 5000 Protestanten und 300000 Mohammedaner. Letztere wohnen insbesondere im
Rhodopegebirge und tragen den Beinamen der Pomaken. Der Bulgare ist intelligent, mäßig,
sparsam, gastfreundlich; er besitzt Familienliebe und Sittlichkeit, ist aber mißtrauisch, habgierig und ränkesüchtig. Die Frömmigkeit,
wenigstens in den äußern Formen, ist allgemein verbreitet.
Vgl. Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme (Münch.1837); Schafarik, Slaw. Altertümer (deutsch von Mosig von Ährenfeld, 2 Bde.,
Lpz. 1843–44); Rösler, Roman. Studien (ebd. 1871); Jireček, Geschichte der B. (Prag 1876); ders., Das Fürstentum Bulgarien
(ebd. 1891); Kanitz, Donau-Bulgarien (3 Bde., 2. Aufl., Lpz. 1879/80).
Bulgarien, vornehmlich von Bulgaren (s. d.) bewohnte Landschaft im nordöstl. Teil der
Balkanhalbinsel, welche das Balkangebirge und seine nördl. Abdachungen bis zur Donau begreift und seit dem Berliner Vertrag von
1878 das autonome, aber tributpflichtige, unter türk. «Suzeränität» stehende Fürstentum B. bildet,
und mit dem sich, durch die Revolution in Philippopel (17. Sept. 1885) und mit Billigung der Großmächte durch das Konstantinopeler
Protokoll vom 5. April 1886 thatsächlich die autonome Provinz Ostrumelien vereinigt hat (s. unten,
Geschichte).
Demnach zerfällt B. nach seinem heutigen Umfange in zwei Teile:
-
1) das eigentliche Fürstentum B. innerhalb der Grenzen des Berliner Vertrages;
-
2) die autonome türk. Provinz Ostrumelien, vorläufig unter bulgar. Verwaltung.
Lage und Oberflächengestaltung. Das
eigentliche Fürstentum B. grenzt im N. an Rumänien, von diesem bis auf den östlichsten Teil der
Grenze (gegen die Dobrudscha) durch die Donau geschieden, im O. an das Schwarze Meer, im S. an Ostrumelien und das türk. Wilajet
Saloniki, im N. an das türk. Wilajet Kossovo und an das Königreich Serbien. Es erstreckt sich als ein von W. nach O. langgedehntes
Gebiet von 42 bis 44° nördl. Br. und von 22 bis 28 1/2° östl. L. von Greenwich und umfaßt 64493 qkm.
Die autonome Provinz Ostrumelien (s. d.) umfaßt die Südabhänge des Balkan
mit den sich daran schließenden Längsthälern der Giopsa (bulgar. Strjama) und der Tundža, die Thalebene der obern Maritza (die
Ebene von Philippopel) abwärts bis zu den Engen unterhalb Seimenli-Tirnova nebst den Nordabhängen des Rhodopegebirges sowie den
nördl. Teil des Istrandschagebirges mit der Küste um den Golf von Burgas am Schwarzen Meer und grenzt im N. und W. an das
eigentliche B., im S. an die türk. Wilajets Saloniki und Adrianopel und im O. an das Schwarze Meer. Sie liegt zwischen 41 2/3 und 43°
nördl. Br. und 23 1/2 und 28° östl. L. von Greenwich und umfaßt 35900 qkm. Nach der Abtretung einiger Landstricke an die Pforte infolge
des Konstantinopeler Protokolls 1886 zählt das jetzt unter bulgar. Verwaltung stehende Gebiet ↔ 99276 qkm
(davon entfallen 34783 auf die 6 ehemals ostrumel. Kreise).
In natürlicher Hinsicht begreift das eigentliche B. den südl. Teil des Donautieflandes (rechts des Stroms) nebst dem, dasselbe im W. und
S. umziehenden Gebirgsbogen des Balkan (s. d.) bis zu dessen Kamm. Nur auf einer Strecke von 110 km, am
Durchbruch des Isker durch den Etropol-Balkan, greift B. über den Balkan nach S. hinüber und umfaßt dort die Hochthäler im
Quellgebiet des genannten Flusses, sowie die Landschaft an der obern Struma, also das Gebiet des Vitošgebirges, des Rilo-Dagh bis zu
den nördlichsten Ketten des Rhodope (Mussalla 2930 m, höchster Punkt des Fürstentums). Dieser außerhalb des Rahmens des
eigentlichen Donaubulgarien fallende Landesteil ist von bedeutender Wichtigkeit als Durchgangspforte zwischen Rumelien und Serbien
sowie zwischen Donaubulgarien und Macedonien. Den Hauptteil des fast durchweg gebirgigen Landes bildet dagegen das nördl. Vorland
des Balkan, ein allmählich nach N. sich absenkendes Plateau, vorwiegend aus Gesteinen der Kreideformation in wenig gestörter
Lagerung bestehend, in der Nähe der Donau von einer mächtigen Lößdecke überzogen, die einen fruchtbaren Getreideboden abgiebt.
Die der Donau zueilenden Balkanflüsse: Isker, Vid, Osma (Anmerkung des Editors: Osam? ), Jantra, Lom und viele andere
haben sich steilwandige Thäler in dieses Plateau eingegraben, welches ebenfalls steil gegen die Donau abfällt. Diese Steilränder,
besonders der gegen die Donau, dem flachen, sumpfigen rumän. Ufer gegenüber, bieten ebensoviele strategische Verteidigungslinien
dar, die in diesem Eingangslande der Balkanhalbinsel von besonderer Wichtigkeit sind. Die Donau ist nicht bloß der Schutz des Landes
gegen N., sondern auch die Verkehrsader, welche den größten Teil der Ein- und Ausfuhr B.s vermittelt. Vgl. die Karten:
Balkanhalbinsel sowie
Rumänien, Bulgarien und Serbien.
Die Pflanzenwelt zeigt, entsprechend der geogr. Lage, einen
Mischungscharakter von Mitteleuropa und den pontischen Steppen, ist aber schon stark von Formen des Orients durchsetzt. Die höhern
Berge haben über der Baumgrenze arktische Weiden und vielerlei Hochalpenpflanzen in ihren Matten. Südlich des Balkan besonders
gedeihen die prächtigen Ölrosen, Kulturformen von Rosa centifolia L.,
gallica L. und damascena L. Der Boden B.s ist in den ebenern
Plateauteilen fruchtbar und besonders für Getreidebau geeignet. Die Wälder sind in den Ebenen stark verwüstet; nur auf den
Nordabhängen des Balkan, besonders des Kleinen Balkan, sowie im Rilo- und Rhodopegebirge giebt es noch ansehnliche Buchen-,
Koniferen- und Eichenforsten.
Die Tierwelt bietet insoweit Interesse, als sich hier verschiedene Faunen
vermischen. Eine Reihe von südöstl. Tieren (besonders Insekten, auch einige Vögel und Reptilien) erreichen hier ihre nordöstl. Grenze,
und umgekehrt nordwestliche ihre südöstliche.
Das Klima zeigt bereits eine Annäherung an dasjenige der Mittelmeerländer, doch
sind die Winter streng und schneereich; Frühjahr und Herbst sind die Zeit reicher Niederschlage und der üppigsten Vegetation; in dem
dürren Sommer vertrocknen Gräser und Kräuter, die meisten Bäche versiegen und das Land nimmt, namentlich im östl. Teil, ein
steppenartiges Aussehen an. Im allgemeinen ist das Klima gesund; nur in den Niederungen der Donau und Maritza herrschen im
Sommer Fieber. Die
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 719.