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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Canarische Inseln

licher Schönheit. Gran Canaria und Gomera, die fast kreisrund sind, werden ganz von dem ehemaligen Vulkan eingenommen; die höchsten Erhebungen der Inseln liegen in der Mitte derselben und das von tiefen Erosionsthälern (Barrancos, s. d.) radial durchschnittene Land fällt gleichmäßig zum Meere hin ab. Auf Teneriffa ist der Vulkan, Pico de Teyde, 3716 m zwischen den den Norden und Westen der Insel einnehmenden alten Gebirgen aufgeschüttet, und auf Palma nimmt der domartige Vulkankegel (2360 m) den Norden der Insel ein, während die nach S. gerichtete dreieckige Spitze neuern vulkanischen Ursprungs ist; die halbmondförmige Insel Ferro ist der stehen gebliebene Rest eines alten, halb eingestürzten Kraters. Gänzlich verschieden von diesen Inseln sind die beiden östlichsten, Fuerteventura und Lanzarote, welche ziemlich unfruchtbar sind und sehr verwickelte Gebirgsbildung zeigen, aber nur eine Höhe von 680 m erreichen; die mit der erstern durch einen niedrigen Basaltrücken verbundene ebenfalls basaltische Halbinsel Jandia erreicht 844 m. Fuerteventura zeigt in großer Ausdehnung Thonschiefer und Grünsteingebirge und nur an einer einzigen Stelle vulkanische Gebilde jüngster Zeit. Weite Strecken sind auf beiden Inseln mit von Afrika herübergewehten Dünen bedeckt und der Rest des Landes ist nur in geringem Maße zum Ackerbau geeignet, sodaß die Viehzucht in großer Blüte steht. Ihnen fehlt die Mannigfaltigkeit, die die westl. Inseln so reizend macht. Diese (außer Gomera) zeigen eine große Menge von Laven, die bis in dieses Jahrhundert hinein entstanden sind, und das Land ist stellenweise mit parasitischen Auswurfskegeln förmlich besät. Der jüngste Ausbruch hat 16. April 1824 auf Lanzarote aus der Montaña del Fuego stattgefunden. Den Basalt durchziehen überall Tuffschichten (Toscales), welche sehr zur Höhlenbildung geneigt sind, sodaß es kaum ein grottenreicheres Land giebt.

Klima. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in der Meereshöhe 17-18°, die tiefste Wintertemperatur auf der Nordseite etwa 10°, auf der Südseite 12°. Schnee fällt selten tiefer hinab als 1500 m. Im Sommer ist auch der Pico de Teyde von Schnee entblößt. Temperaturen über 26° sind selten. La Palma und Teneriffa erheben sich bedeutend über die 1000-1500 m hoch schwebende Wolkenschicht, welche die den größten Teil des Jahres hindurch wehenden Nordostwinde herbeiführen; sie sind deshalb auf dieser Seite reichlich bewässert, während die entgegengesetzte Seite, La Banda, manches Jahr ganz ohne Regen bleibt. Auf Canaria, Gomera und Ferro fällt dagegen ziemlich reichlich Regen, und die Gipfel der Berge sind meist von Wolken umschleiert, während die beiden östlichen, Fuerteventura und Lanzarote, in ihrer oft jahrelangen Regenlosigkeit ebenso wie in ihrer trocken-dürren Vegetation den Übergang zur Sahara bilden.

Pflanzen- und Tierwelt. Die Vegetation ist eine sehr mannigfache und von L. von Buch, A. von Humboldt, neuerdings von Christ auf das anziehendste geschildert worden. In der untern Region gedeihen alle Früchte wärmern Klimas vortrefflich; hier giebt es auch eine Abart Dattelpalme (Phoenix Jubal), dazu Tamarisken, fleischige Wolfsmilch u. s. w. Darüber beginnt die zweite Stufe mit (ehemals) Weinbau, Orangen, Weizen, höher hinauf Kartoffeln und Kastanien. Bis 1200 m steigen, oft nahe von der Küste an, die immergrünen Wälder, in denen Erica arborea L. (mit bis 80 cm dicken Stämmen), Myrica faya, mehrere Lorbeerarten (besonders Laurus canariensis und Oreodaphne) Hauptbestand bilden. Die dritte Region hat noch Fichtenwälder (Pinus canariensis) mit Erikagesträuchen, und über diesen allen bildet auf Teneriffa die Retema blanca (Spartocytisus nubigenus) über 1800 m Höhe ein alpines, blattloses Ginstergesträuch. Die canarische Flora ist reich an eigentümlichen Pflanzen; auffällig sind namentlich die kaktusartigen Euphorbien (Euphorbia canariensis L.) und die zahlreichen Semperviven.

Landtiere sind verhältnismäßig nur wenig entwickelt, und ein guter Teil der größern Formen ist aus Europa oder Afrika eingeführt. Die eigentümliche canarische Ziege, sehr große Hunde, als Lasttiere Maultiere und Esel, auf den östl. Inseln auch das Kamel, sind neben Schweinen, Schafen, Frettchen und Katzen die verbreitetsten Haustiere. Die einzigen wild vorkommenden und nicht durch den Menschen eingeführten Säugetiere sind zwei auch in Europa vorkommende Fledermäuse. Von Landvögeln haben 50 Gattungen Vertreter und 5 Arten werden nur hier gefunden. Der wilde Canarienvogel wird außerdem noch auf Madeira angetroffen. Reptilien und Amphibien kommen nicht vor, Käfer sind durch etwa 1000 teils europ., teils nordafrik. sowie einige originelle Arten vertreten; viele mögen mit Waren eingeschleppt sein. Heuschrecken ziehen oft von Afrika herüber. Das benachbarte Meer ist reich an Fischen. Es wird die Zucht von Seidenraupen und Bienen getrieben.

Landwirtschaft, Industrie und Verkehrswesen. Der Boden ist im Besitze großer Majorate, und die Pächter haben mit den hohen Steuern zu kämpfen. Von den Erzeugnissen kommen Zwiebeln und Kartoffeln nach Westindien zur Ausfuhr. Das vorzüglichste war früher ein weißer, milder Wein, Canariensekt (s. d.). Seit dem Ausbruch der Traubenkrankheit wurde aber der Weinbau vollständig verlassen. Die Cochenillezucht, der man sich zuwandte, mußte wegen Überproduktion und Änderungen der Färbemethoden eingeschränkt werden. Es wurden nun Versuche mit Tabak, Zuckerrohr und Seidenbau gemacht und stellenweise auch der Weinbau wieder aufgenommen. Die Industrie ist gering; man verfertigt Seiden-und Wollstoffe und grobes Leinen. Der Verkehr der Inseln untereinander wird durch regelmäßige Fahrten (zwei- bis achtmal monatlich) kleinerer Segelschiffe vermittelt. Gran Canaria und Teneriffa sind durch zweimalige monatliche Postdampfer mit Cadiz verbunden und letzteres durch fünfmalige Dampfer mit Liverpool (West-African Mail). Seit der beste Hafen des ganzen Archipels, Garachico auf Teneriffa, durch einen Lavastrom unbrauchbar gemacht wurde, ist Arrecife der einzige Hafen.

Bevölkerung und Kultur. Die Canarier sind zuverlässig und mäßig, arbeitsam und von unbegrenzter Gastfreundschaft. Kapellen und Wallfahrtsorte giebt es viele, die früher zahlreichen Klöster sind aufgehoben. Für die höhern Stände bestehen gute Schulen. Des Lesens unkundig waren 1887: 223 602 Personen, d. i. 80 Proz. der Bevölkerung. Zu Verwaltungszwecken ist das Gebiet in 7 Gerichtsbezirke geteilt. Die span. Garnison ist an Zahl gering; es besteht jedoch eine Landmiliz. Sta. Cruz de Tenerife und Ciudad de las Palmas sind Festungen.

Geschichte. Wahrscheinlich waren die C. I. schon den Phöniziern, gewiß den Karthagern bekannt,

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