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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Cancrin

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Cancrin

schen Kreises geben. Von solchen höfischen Liederbüchern im strengern Sinne ist auf uns gekommen: der galicisch-portug. Cancioneiro der Poet. Gesellschaft am Hofe der Könige Alfons III. und Dionysius, das einzige Liederbuch, das noch echten ritterlich-höfischen Minnegesang im Geiste und nach dem Muster der ältern Troubadourpoesie enthält. Von dieser Sammlung gab de Moura zuerst nur den Teil heraus, welcher die dem König Diniz selbst zugeschriebenen Lieder umfaßt ("Cancioneiro d' el Rei D. Diniz", Par. 1847); nachdem später F. A. de Varnhagen einen Teil aus der in der Bibliothek des Vatikans befindlichen Handschrift "Cancioneirinho de trovas antigas" (Wien 1870) veröffentlicht hatte, erschien 1875 der ganze Codex in diplomat. Abdruck von Ernesto Monaci ("Il Canzoniere portoghese della Biblioteca Vaticana", Halle) und 1878 in einer von Theophilo Braga kritisch veränderten Textgestalt zu Lissabon ("Cancioneiro portuguez da Vaticana"). Ein anderes Manuskript desselben Liederbuchs ward bald darauf entdeckt und 1880 wurden alle Inedita desselben von Monaci herausgegeben ("Il Canzoniere portoghese Colocci-Brancuti", Halle 1880). Eine weitere Ergänzung dazu bildet der "Cancioneiro da Ajuda", von dem F. A. de Varnhagen 1849 einen ganz unkritischen Abdruck besorgt hatte unter dem Titel "Trovas e Cantares ... ou antes o Livro das Cantigas do Conde de Barcellos" (Madrid; kritische Ausgabe von C. Michaelis de Vasconcellos, Halle 1880). Ferner ist erhalten die Liedersammlung vom Hofe der Könige Johann II. und Emanuel von Portugal (bekannt als "Cancioneiro general de Garcia de Resende", Almeirim und Lissabon 1516; Abdruck von Kausler, 3 Bde., Stuttg. 1846 - 52). Von der der Toulouser Meistersingerschule nachgebildeten Poet. Gesellschaft (Consistorio de la gaya ciencia) am Hofe von Aragonien unter König Ferdinand I. und seinen unmittelbaren Nachfolgern haben sich nur handschriftlich erhalten der "Cançoner d' amor" aus der Pariser Nationalbibliothek und ein ähnlicher aus der Universitätsbibliothek von Saragossa, beide fast durchaus in catalon. Sprache und Lieder nach dem Muster der spätern zünftigen Troubadourpoesie von Toulouse enthaltend. Das älteste castilische und einzige eigentliche höfische Liederbuch Castiliens ist der "Cancionero de Baena,", der die Produkte der poet. Gesellschaft am Hofe der Könige Johann I., Heinrich III. und vorzüglich Johann II. von Castilien enthält, teils noch in galicischer, zum größten Teile aber schon in castilian. Sprache nach dem Muster der spätern Troubadourpoesie abgefaßt, aber in volkstümlichen Rhythmen und Maßen (hg. von Gayangos und Pidal, Madr. 1851; von Michel, 2 Bde., Lpz. 1860). Von derselben Art, doch bedeutend weniger reichhaltig, ist der am Hofe Alfons' V. von Neapel um dieselbe Zeit entstandene "Cancionero de Lope de Stúñiga" (Madr. 1872).

Als sich diese Art Kunstpoesie später in immer weitern Kreisen verbreitete, begannen Liebhaber derselben ähnliche Sammlungen anzulegen, die sie auch C. nannten. Sie benutzten dabei wohl die ältern eigentlichen höfischen Liederbücher, beschränkten sich aber nicht bloß auf einen bestimmten poet. Kreis, ja nicht einmal auf eine strenger abgegrenzte Periode, sondern nahmen ohne Rücksicht der Zeit und des Ortes und ohne strenge Sonderung alles auf, was von dem Frühern noch gangbar und beliebt war, sowie auch das, was von den neuesten Erzeugnissen allgemeinen oder ihren besondern Beifall gefunden hatte. Daher tragen die C. dieser Art einen rein litterar. Charakter und sind oft sehr bunte Mischsammlungen, die sich über mehr als ein Jahrhundert erstrecken. Solcher C. sind mehrere handschriftlich vorhanden aus der zweiten Hälfte des 15. und dem Anfang des 16. Jahrh. auf den Bibliotheken von Madrid, Paris u. s. w. (Auszüge daraus in Gallardos "Ensayo de una Biblioteca española", Bd. 1, Madr. 1863); viele sind gedruckt. Die älteste derartige Mischsammlung ist der "Cancionero general", der zuerst von Juan Fernandez de Constantina angelegt, seit Ende des 15. Jahrh. gedruckt und dann durch Hernando de Castillo vermehrt und weiter geführt ward. Das Werk des letztern erschien zuerst 1511 zu Valencia im Druck und wurde im Laufe des Jahrhunderts mehrfach in Spanien und Antwerpen aufgelegt. Dieser bekannte, von allen Litterarhistorikern erwähnte "Cancionero general" enthält in bunter Mischung Produkte der castilian. Kunstpoesie von den Zeiten Johanns II. bis zu denen Karls V. Der von den verschiedensten Seiten gefaßte Plan, aus all den alten "Cancioneros generales" einen großen neuen zusammenzustellen, ist einstweilen teilweise und befriedigend ausgeführt in der Ausgabe der "Soc. de Bibl. Españ." (2 Bde., Madr. 1882). Da die "Cancioneros generales" wie die "Romanceros generales" dicke teure Bücher waren, so veranstaltete man für den Volksgebrauch kleinere, billige Sammlungen, wie z. B. den kürzlich neu aufgefundenen kleinen "Cancionero Vergel de Amores" (1551) u. a. m. Zuweilen führen auch die Sammlungen der Werke eines einzelnen Dichters den Titel "Cancionero", wie z. B. von Enzina, Montesino u. s. w. Das älteste Beispiel solcher "Cancioneros" ist das große Liederbuch des Königs Alfons X. des Gelehrten von Castilien. Manchmal nennt man auch Sammlungen von Kunstliedern mehrerer Dichter über einen bestimmten Gegenstand "Cancionero", wie die "Vita Christi" (Sarag. 1492), den "Cancionero de Ramon Dellavia" (ebd. 1489). Fälschlich aber nennt sich eine der ältesten Romanzensammlungen "Cancionero de romances". - Vgl. Bellermann, Die alten Liederbücher der Portugiesen (Berl. 1840); Wolf, Über die Liederbücher der Spanier (im Anhang zu Ticknors "Geschichte der schönen Litteratur in Spanien", Bd. 2, Lpz. 1852); ders., Studien zur Geschichte der span. und portug. Nationallitteratur (Berl. 1859); Diez, Über die erste portug. Kunst- und Hofpoesie (Bonn 1863).

Cancrin, Georg, Graf, russ. General und Finanzminister, geb. 8. Dez. 1774 zu Hanau, wo sein Vater Franz Ludwig C., geb. 1738, ein namentlich durch seine "Grundzüge der Berg- und Salzwerkskunde" (12 Bde., Frankf. a.M. 1773 - 91) bekannter Schriftsteller, in Diensten des Erbprinzen von Hessen stand. 1783 von der Kaiserin Katharina II. berufen, die Leitung der Salzwerke zu Staraja-Russa im Gouvernement Nowgorod zu übernehmen, starb der Vater in Rußland 1816. Der Sohn studierte 1790 - 94 zu Gießen und Marburg die Rechte und Staatswissenschaften und schrieb den Roman "Dagobert, Geschichte aus dem jetzigen Freiheitskriege" (Hamb. 1798). Er folgte 1796 seinem Vater nach Rußland, als dessen Gehilfe er zu Staraja-Russa eintrat. Ein Werk über "Die Verpflegung der Truppen" wurde nächste Veranlassung seiner Beförderung

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