Castra (Mehrzahl von Castrum,
lat., befestigter Ort, Kastell), das militär. Lager der alten Römer, ist in der Grundlage uralt. Wie alle röm. Niederlassungen, wurde
es als ein Viereck vermessen, das nach der Lehre der Augurn (s. d.) durch zwei sich rechtwinklig
schneidende Linien, den Cardo (eigentlich die Linie von Norden nach Süden) und den
Decumanus (die Linie von Osten nach Westen) geteilt war. Bei Lagern wurde die Richtung
dieser Linien durch den Ort des Feindes und den Marsch des Heers bestimmt. Das Lager wurde in der Richtung des
Cardo von einer breiten Straße durchzogen, der
Via principalis, die in zwei Hauptthore
(die Porta principalis dextra und sinistra) mündete, und
in der Richtung des Decumanus von einer zweiten halb so breiten, welche jene rechtwinklig
kreuzte und nach vorn auf die Porta praetoria, nach hinten auf die
Porta decumana, oder quaestoria auslief. Die
Via principalis teilte das Lager in einen größern vordern und einen kleinern hintern (dem
Feinde abgekehrten) Abschnitt. In letzterm lag der Feldherr mit dem Stabe und ausgewählten Truppen. Unmittelbar hinter der
breiten Hauptstraße befanden sich die Zelte für die Stabsoffiziere (Legionstribune, Legaten, Präfekten der Bundesgenossen),
dahinter durch einen Weg mit der Hauptstraße verbunden und ihr zugekehrt das Praetorium,
der Platz für das Zelt des Feldherrn. Auf der einen Seite des Prätoriums war das Forum, wo
das Tribunal sich erhob, auf dem der Feldherr zu den Truppen redete oder Recht sprach, auf der andern das
Quaestorium. Rechts und links von Forum und Quaestorium lagen erlesene Mannschaften,
und endlich lagen zwischen dem Wall und der Straße, die hinter dem Prätorium und den Räumlichkeiten neben ihm parallel mit
der Via principalis durch das Lager zog, ausgewählte Truppen aus der Reiterei und dem
Fußvolk der Bundesgenossen sowie Hilfsvölker. Jenseit der Via principalis in der dem
Feinde zugekehrten weit größern Abteilung des Lagers (sie begriff etwa zwei Drittel des Ganzen) lag die Hauptmasse des Heers
ebenfalls in genau geregelter Weise. Auch dieser Raum war durch Wege geteilt.
Das Lager wurde mit Wall und Graben eingefaßt, die aber zwischen sich und jenen Zelten, Plätzen und Straßen einen breiten,
leeren Raum ließen, der hauptsächlich für den Aufmarsch der Truppen und zur Sicherung gegen Feuer und Geschosse bei
Angriffen bestimmt war. Der Wall (agger) wurde aus Erde aufgeworfen und mit Palissaden
(valli, die Palissadenreihe heißt vallum) besetzt.
Diese Grundzüge des röm. Lagers blieben im wesentlichen dieselben, obwohl die Anordnung im einzelnen sich im Laufe der Zeit
vielfach änderte. Namentlich befand sich später das Prätorium mit den damit verbundenen Räumlichkeiten nebst den
auserlesenen Truppen in dem mittlern Drittel des Lagers und waren die Hilfsvölker und Legionen so gelegt, daß jene von diesen
umschlossen waren. Seit längere Kriege auch in entferntern Gegenden geführt wurden und es sich um die Behauptung von
eroberten Provinzen handelte, unterschied man Sommer- und
Winterlager (C. aestiva und
hiberna), während früher nur im Sommer Krieg geführt wurde und die Wehrmannschaft im
Winter in Rom blieb. Lager, die längere Zeit hindurch bewohnt und dafür eingerichtet waren, unterschied man als
Standlager (C. stativa) von den auf kürzere Zeit
errichteten. ↔
In der Kaiserzeit entwickelten sich gleichzeitig mit der Ausbildung der stehenden Heere viele solche Standlager zu wirklichen
Festungen und wurden andere von Anfang an als solche angelegt. Und wenn diese Festungen nicht wie befestigte Städte und
unsere Festungen zugleich eine städtische Einwohnerschaft umschlossen, so wurden sie doch öfter bei ältern Ortschaften
angelegt, und Niederlassungen (canabae) von Marketendern, Handel- und
Gewerbetreibenden, auch ausgedienten Soldaten (Veteranen) schlossen sich an die Standlager an. Von diesen Niederlassungen
wurden viele mit der Zeit faktisch, manche auch rechtlich Städte zum Teil von großer Bedeutung, wie Mainz, Straßburg, Wien,
Ofen.
Eine Beschreibung des röm. Lagers aus republikanischer Zeit (aus der Mitte des 2. Jahrh. v. Chr.) ist von dem Historiker
Polybius überliefert. Außerdem giebt es eine wahrscheinlich aus dem Anfang des 3. Jahrh. n. Chr. stammende, jedoch
unvollständig erhaltene Schrift, die unter dem Titel
«Hygini gromatici liber de munitionibus castrorum» zuletzt Gemoll (Lpz. 1879) und
Domaszewski (ebd. 1887) herausgaben. – Vgl. Lange,
Historia mutationem rei militaris Romanorum (Gött. 1847); Masquelez,
Étude sur la castramétation des Romains (Par. 1864); Nissen, Das Templum (Berl. 1869);
Mommsen, Die röm. Lagerstädte (im «Hermes», Bd. 7, 1872); Marquardt, Röm. Staatsverwaltung (2. Bd., 2. Aufl., besorgt von
Dessau und Domaszewski, Lpz. 1884); De la Chauvelays, L’art militaire chez les Romains
(Par. 1884); Schiller, Röm. Kriegsaltertümer (in Jw. Müllers «Handbuch der klass. Altertumskunde", Bd. 4, Nördl. 1887).
Castrén, Matthias Alexander, finn. Sprachforscher und Reisender, geb. 2. Dez. 1813
zu Tervola im nördl. Finland, studierte 1830–36 zu Helsingfors, wo er sich 1839 als Docent habilitierte. Nachdem er schon 1838
das finn. Lappland bereist und im Interesse der «Kalevala-Studien» 1839 eine Reise durch Karelien unternommen hatte,
verbrachte er die J. 1841–44 mit ethnogr. und linguistischen Forschungen unter den finn., norweg. und russ. Lappländern
sowie unter den europ. und sibir. Samojeden. Noch reicher an wissenschaftlichen Ergebnissen war eine große Reise, die er im
Auftrage der Petersburger Akademie und der Universität Helsingfors 1845–49 durch ganz Sibirien von der chines. Grenze bis zu
den Küsten des Arktischen Oceans unternahm. 1851 erhielt er die erste Professur der finn. Sprache und Litteratur zu Helsingfors,
starb aber schon 7. Mai 1852. C. selbst veröffentlichte: die schwed. Übersetzung der ersten Ausgabe der «Kalevala» (1841), die
«Elementa grammatices Syrjaenae» (Helsingfors 1844), die
«Elementa grammatices Tscheremissae» (Kuopio 1845), «Vom Einfluß des Accents in der
lappländ. Sprache" (Petersb. 1845), «De affixis personalibus linguarum Altaicarum»
(Helsingfors 1850) und «Versuch einer ostjakischen Sprachlehre" (2. Aufl., von Schiefner, Petersb. 1858). Im Auftrage der
Petersburger Akademie gab Schiefner
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 1004.