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Chambranle – Chamier
14. Juni 1817, gest. 25. März 1886 in Görz), Schwester des Herzogs von Modena. Der Vereinigungspunkt der Familie ward hierauf die Herrschaft Frohsdorf bei Wiener-Neustadt, welche 1851 in den Besitz C.s überging. Nach der franz. Revolution von 1848 suchten die Anhänger C.s vergebens eine Vereinigung mit der Orléanistenpartei zu stande zu bringen. Nach dem Sturze des zweiten Kaiserreichs bezog C., da die Wahlen vom 8. Febr. 1871 zur franz. Nationalversammlung eine legitimistische Restauration in nahe Aussicht stellten, sein Schloß Chambord, und die Anhänger der beiden Linien des königl. Hauses von Frankreich traten wegen der Verschmelzung beider Häuser in Unterhandlungen. Diese jedoch und damit die Herstellung der legitimistischen Monarchie wurde durch das Manifest C.s vom 5. Juli 1871 hinfällig, worin er die franz. Trikolore zurückwies und erklärte, daß er an der Weißen Fahne Heinrichs Ⅳ. festhalten müsse. C. kehrte nach Frohsdorf zurück. Auch ein neuer Verschmelzungsversuch nach dem Sturze des Präsidenten Thiers im Mai 1873 scheiterte, obwohl der Graf von Paris 5. Aug. den Grafen von C. als Chef der gesamten königl. Familie und alleinigen Prätendenten für den franz. Königsthron anerkannte, an dem Starrsinn des letztern, der in dem Manifest vom 27. Okt. 1873 eine bedingungslose Unterwerfung verlangte und sowohl in der Fahnenfrage wie in Bezug auf die Verfassung eine bindende Erklärung vorher abzugeben entschieden verweigerte. Ähnliche Manifeste wiederholten sich 1874 und 1877, und die legitimistische Partei verlor danach immer mehr an Anhang. Der Graf von C. starb nach längerm schweren Leiden 24. Aug. 1883 zu Frohsdorf. Da die Ehe kinderlos geblieben war, erlosch mit ihm die ältere Linie der Bourbonen; seine Ansprüche auf den Thron von Frankreich vererbten sich auf die Orléans. – Vgl. Nettement, Henri de France, ou Histoire des Bourbons de la branche aînée pendant quarante ans d’exil 1830‒70 (Par. 1872); Nouvion und Landrodie, Le comte de C. (ebd. 1886); Dubosc de Pesquidoux Le comte de C. d’après lui-même (ebd. 1887).
Chambranle (frz., spr. schangbrángl), Thüreinfassung, Gewände.
Chambre (frz., spr. schangbr), Kammer (auch gesetzgebende Körperschaft), Zimmer; Gerichtshof.
Chambre ardente (spr. schangbr ardángt), d. i. Feuerkammer, wurde in Frankreich ein außerordentlicher Gerichtshof genannt, der durch die Härte seiner Verdikte, meist des Feuertodes, berüchtigt ward. Schon Franz Ⅰ. verfolgte, besonders seit 1535, in diesem Stile die «Lutherischen»; die eigentliche C. a. richtete Heinrich Ⅱ. im Okt. 1547 ein, als ein Sondertribunal für Ketzerprozesse (Nebenkammer der Tournelle am Pariser Parlament); sie arbeitete mit äußerster Härte bis Anfang 1550 und wurde März 1553 von neuem bestellt (s. Hugenotten). Vgl. Weiß, La C. a. (Par. 1889; Darstellung und Akten 1540‒50). Ludwig ⅩⅣ. errichtete 1679 die C. a. aufs neue, um den Gerüchten von Vergiftungen, die bald nach dem Prozesse der Marquise de Brinvilliers (s. d.) in Umlauf kamen, nachzuforschen. Die Untersuchungen dieses Ausnahmegerichts dehnten sich auf Personen höchsten Ranges aus; auch Madame de Montespan (s. d.) war kompromittiert; ihr gegenüber schlug man die Sache nieder. Im Juli 1682 wurde die C. a. aufgelöst. – Vgl. Loiseleur, Trois énigmes historiques (Par. 1882); Ravaisson, Archives de la Bastille, Ⅰ-Ⅴ (ebd. 1866 fg.).
Chambre garnie (frz., spr. schangbr garnih), möbliertes Zimmer zum Vermieten; Chambregarnist, Bewohner eines solchen Zimmers.
Chambre introuvable (frz., spr. Schangbr ängtruwábl), «unfindbare Kammer», d. h. eine Kammer, wie sie sich so leicht nicht wieder findet, nannte Ludwig ⅩⅧ. die 1815 zusammengetretene Kammer wegen ihrer ultraroyalistischen, antikonstitutionellen Haltung. Später wurde der Ausdruck Spottname für jede Kammer, die monarchischer sein wollte als der Monarch.
Chambre syndicale (spr. schangbr ßängdikál) nannten sich seit 1868 die franz. Gewerkvereine (s. d.).
Chambrier (spr. schangbrĭeh), Alice de, schweiz. Dichterin, geb. 1861 in Neuenburg (Schweiz), gest. daselbst 1882. Ihre formvollendeten und gedankenvollen Gedichte wurden u. d. T. «Au delà» hg. Von Ph. Godet (Lausanne 1884); ein nachgelassener Roman «Le Chatelard de Bevaix» erschien im «Musée neuchâtelois» (1884).
Chameroy-Wage (spr. schamrŏá), s. Brückenwage.
Chamfort (spr. schangfohr), Sébastien Roch Nicolas, genannt C., franz. Schriftsteller, geb. 6. April 1740 zu Clermont (Auvergne), hatte 1764 in Paris Erfolg mit einer Komödie «La jeune Indienne», die das damals beliebte Thema des Gegensatzes zwischen Natur- und Kulturzustand behandelte. Nachdem er durch akademische Reden, wie «Éloge de Molière» (1769), «Èloge de Lafontaine» (1774) u. a., wiederholt Preise gewonnen, erwarb ihm seine größte dichterische Leistung, die Tragödie der Bruderliebe «Mustapha et Zéangir» (1778), die Gunst der Königin Marie Antoinette und den Beifall des Hofs. C. erhielt eine Pension von 1200 Frs., wurde Sekretär des Prinzen von Condé und 1781 Mitglied der Akademie. C. war durch diese Anerkennung nicht befriedigt und äußerte seine Stimmung oft in Aussprüchen bittern Menschenhasses, ohne durch eine Leistung von dauerndem Werte sein litterar. Ansehen zu befestigen, während manches festgeprägte Wort von ihm, wie das bedenkliche «Guerre aux châteaux, paix aux chaumières» («Krieg den Palästen, Friede den Hütten»), sich lange erhalten hat. Als die Revolution ausbrach, folgte C. ihren Strömungen, er gab Sieyès den Titel für seine berühmte Broschüre an und verfaßte für Mirabeau die Rede gegen die Akademien. Unter den Girondisten wurde er Vorsteher der Nationalbibliothek; während der Schreckensherrschaft brachte ihn eine Denunziation ins Gefängnis; er verleugnete seine Freunde, die Girondisten, und wurde freigelassen; dann, von neuem mit Haft bedroht, kam er derselben durch einen Selbstmordversuch zuvor, an dessen Folgen er 13. April 1794 starb. Seine «Pensées, maximes, anecdotes, dialogues» erschienen in neuer Ausgabe 1860, seine «Œuvres» Paris 1795 (4 Bde., hg. von Ginguené), «Œuvres choisies» (von Lescure, 2 Bde.) ebd. 1879. – Vgl. Sainte-Beuve, Causeries du lundi (4. Bd.); Roth, C.s Stellung in der Litteraturgeschichte des 18. Jahrh. (Mühlhausen i. Th. 1872).
Chamier (spr. schämihr), Frederick, engl. Romanschriftsteller, geb. 1796 zu London, stammte aus einer franz. Familie, trat 1809 als Kadett in den Seedienst und zeichnete sich im amerik. Kriege aus. Er verließ 1833 den Marinedienst, wurde dann Richter zu Watham-Hill in Essex und starb 1. Nov. 1870, seit April 1856 als Postkapitän pensioniert. Der
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