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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Charis - Charkow

Charis (grch.), Anmut (s. d.); auch Göttin der Anmut (s. Chariten).

Charīsi, Juda ibn Salomo, hebr. Dichter, geb. in Spanien, starb vor 1235. Er ist besonders berühmt durch seine u. d. T. "Tachkemoni" nach dem Vorbilde des Hariri (den er auch in das Hebräische übersetzte) verfaßten Makamen, in welchen C. Sprachgewandtheit, dichterisches Talent und scharfe Beobachtungsgabe entwickelt und die für die Zustände seiner Glaubens- und Zeitgenossen von Interesse sind. Einzelne Teile daraus sind in verschiedenen Bearbeitungen erschienen; eine deutsche Übersetzung begann Kämpf (Berl. 1845), der auch die dreisprachige erste Makame mit Übersetzung versah; ältere Textausgaben sind die von Konstantinopel 1578 und von Amsterdam 1729; in neuerer Zeit veranstalteten solche Stern (Wien 1854) und de Lagarde (Gött. 1883). Außerdem übersetzte C. mehreres von Maimonides ins Hebräische.

Charism, mittelalterlicher Name für Chiwa (s. d.).

Charisterĭum (lat.; grch. Charisterĭon), milde Beisteuer, wie sie z. B. Bischöfe in dringender Not von Kirchen erheben.

Charĭtas oder Caritas (lat.; ital. Carità, Liebe, besonders Mutterliebe, Mildthätigkeit (s. Charité); auch personifiziert als Gegenstand von Kunstwerken (s. Carità); Charitatīv, milde Gabe.

Charitātis fratres, s. Charité.

Charitatīvsubsidĭen, Geldzahlungen der deutschen Reichsritter (seit 1521) an den Kaiser an Stelle der persönlichen Dienstleistung (s. Deutsches Heerwesen, C).

Charité (frz., spr. scha-), christl. Nächstenliebe, Barmherzigkeit, dann auch Krankenhaus, gebildet von dem lat. caritas, mittellat. charitas. Mit letzterm Worte bezeichnete man schon im Mittelalter u. a. auch solche Stiftungen, welche ein Werk der christl. Liebe waren, namentlich Krankenanstalten für Verarmte. Aus ähnlichem Grunde hießen auch Ordensleute von der Regel des heil. Augustin, welche von Jean de Dieu im 16. Jahrh. zur Wartung der Kranken angeordnet wurden, Chariten oder Charitatis fratres. Noch gegenwärtig führen den Namen C. manche öffentliche Krankenhäuser in Frankreich und nach diesem Vorbilde in Deutschland. Die berühmtesten C. sind die von Paris und Berlin.

Charité, La (spr. scha-), Hauptort des Kantons La C. (258,57 qkm, 14 Gemeinden, 14842 E.) im Arrondissement Cosne des franz. Depart. Nièvre, am rechten Ufer der Loire, in 170 m Höhe, an der Linie Paris-Nevers-Lyon der Franz. Mittelmeerbahn, hat (1891) 4484, als Gemeinde 5443 E., Post, Telegraph, eine roman. Kirche von Ste. Croix, die, 1106 geweiht, zu der von Hugo von Cluny gegründeten Priorei Caritus gehörte, ferner Hochöfen, Wollspinnerei, Schuhfabriken und Seilerei.

Charĭten (in der Einzahl Charis), in der griech. Mythologie göttliche Wesen, welche als Personifikation der Anmut, Heiterkeit und Lieblichkeit in der Natur wie im Menschenleben zu betrachten sind. Die Homerische Poesie hat sie noch in unbestimmter Mehrzahl aufgefaßt (eine der "jüngern C." wird in der Ilias Pasithea genannt), bei Hesiod aber erscheinen sie in der Dreizahl: Aglaïa (d. h. Glanz), Euphrosyne (Frohsinn) und Thalia (blühendes Glück), Töchter des Zeus und der Eurynome. Diese Zahl und Benennung ist dann die allgemein übliche in der Poesie und der bildenden Kunst geworden, welche letztere sie in älterer Zeit bekleidet, später ganz nackt in jungfräulich schlanken Formen, meist mit verschlungenen Armen zu einer Gruppe vereinigt, darstellte. Nach Pausanias, der als ihre Eltern Helios und Aigle nennt, wurden in einigen Gegenden Griechenlands, abweichend von der gewöhnlichen Tradition, nur zwei C. verehrt; so in Sparta, wo sie Kleta und Phaënna, und in Athen, wo sie Auxo und Hegemone genannt wurden. Doch ist diese Angabe wahrscheinlich irrig. Wie es scheint, wurden die C. auch in Attika in der Dreizahl verehrt, und führten dort Namen, welche auch den drei Horen beigelegt wurden: Thallo, Auxo und Karpo, d. h. die Göttin der Blüte, des Wachstums und der Früchte, während Hegemone ein Name der Hekate war, welche mit den C. zusammen verehrt wurde. (Vgl. Robert, De Gratiis Atticis, in den "Commentationes in honorem Mommseni" (Berl. 1877.) - In Rom sind die C. (hier Grazien [Gratiae] genannt) niemals Gegenstand religiöser Verehrung gewesen, sondern nur nach griech. Vorbildern von Dichtern und Künstlern gefeiert worden. Aus dem Altertum erhalten ist ein die drei C. darstellendes Relief im kapitolinischen Museum zu Rom und die, allerdings verstümmelte, Marmorgruppe in der Opera del Duomo zu Siena, die 1460 im Palazzo Colonna in Rom gefunden wurde. In der modernen Plastik sind die C. dargestellt von Canova und Thorwaldsen.

Charīten (charitatis fratres), Ordensleute, s. Charité.

Charítinnen, soviel wie Chariten (s. d.).

Charĭton aus Aphrodisias, vermutlich erdichteter Name und Geburtsort des Verfassers eines Romans aus dem 4., 5. oder 6. Jahrh. n. Chr., worin die Liebesabenteuer des Chäreas und der Kallirrhoe beschrieben werden. Die Handlung ist in die Zeit des Peloponnesischen Krieges verlegt. Die erste Ausgabe besorgte mit einem gelehrten Kommentar d’Orville (Amsterd. 1750; verbesserter, mit der lat. Übersetzung von Reiske vermehrter Abdruck von Beck, Lpz. 1783); neuere Ausgaben lieferten in den "Scriptores erotici" Hirschig (Par. 1856) und Hercher, Bd. 2 (Lpz. 1859); deutsche Übersetzungen Heyne (ebd. 1753) und Schmieder (ebd. 1807).

Charivāri (spr. scha-; mittellat. carivarium, im 14. Jahrh. charivalli, charavallium; provençal. caravil), ein franz. Wort von unbekannter Abstammung, soviel wie Katzenmusik. In übertragener Bedeutung wurde das Wort als Titel einer 1832 zu Paris gegründeten satir. Zeitung gebraucht, die sich durch rücksichtslose Angriffe gegen Deputierte, Minister und König Ludwig Philipp auszeichnete. Das deutsche, bis 1830 nur mundartlich vorhandene Wort Krawall ist eine volkstümliche Verstümmelung von charavallium.

Chárkow. 1) Gouvernement in der südl. Hälfte des europ. Rußland, zu den kleinruss. oder ukrainischen Gouvernements gehörig, grenzt im N. an die Gouvernements Kursk und Woronesch, im O. an das Land der Donischen Kosaken, im S. an Jekaterinoslaw, im W. an Poltawa und hat 54495,2 qkm mit (1890) 2390433 E. (43,8 auf 1 qkm). Der Boden ist an der Nordgrenze erhöht, besonders aus der Wasserscheide zwischen Don und Dnjepr, und senkt sich allmählich nach Süden, doch ragen an der Südgrenze wieder Ausläufer des Donezkischen Höhenzugs herein. Im östl. Teil findet neben der Senkung nach S. auch eine terrassenförmige Abstufung nach O. statt. Die Höhenmessungen schwanken zwischen 136 und

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