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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Chemie

die Anwendungen der C. auf die Gewerbe, namentlich zur fabrikmäßigen Herstellung von chem. Präparaten, die als Handelsprodukte (s. Chemische Präparate) dienen.

Geschichte der Chemie. Die C. als Wissenschaft ist verhältnismäßig noch jung, obgleich man chem. Erscheinungen seit dem grauen Altertum kannte und auch der Name C. schon früh, etwa vom 4. Jahrh. an, vorkommt. Der Ursprung desselben ist in Ägypten zu suchen, seine ursprüngliche Bedeutung jedoch ist zweifelhaft. Das ägypt. Wort chêmi bedeutet einmal Ägypten selbst, danach könnte C. die speciell «ägyptische» Kunst heißen sollen, gleichzeitig aber auch «schwarz», sodaß C. die «schwarze Kunst» ist, vielleicht von der Beschäftigung mit einem schwarzen, für alchimist. Zwecke dienenden Präparat.

Erste Veranlassung zu chem. Untersuchungen gab zweifellos das Bestreben, unedle Metalle in Gold zu verwandeln, das wiederum auf der Beobachtung beruhte, daß man namentlich dem Kupfer die Farbe des Silbers und Goldes durch Zusammenschmelzen mit andere Metalle enthaltenden Mineralien zu geben vermag. So hielt man zeitweise das weiße Arsenkupfer für Silber, die Legierungen mit Zinn und Zink für Gold, und bestrebte sich später, als man erkannte, daß diese Produkte sich noch von den wirklichen Edelmetallen unterschieden, Mittel (den Stein der Weisen) zu finden, um die vermeintlich teilweise Umwandlung zu einer vollständigen zu machen. Vom 4. bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrh. kannte die C. nur diese Aufgabe. Diese Richtung wird Alchimie (s. d.) genannt. Sie ist erst im 19. Jahrh. verschwunden.

Im 16. Jahrh. beginnt die zweite Periode der Entwicklung der C. in der sog. Iatrochemie (s. d.). Sie ist in den Händen von Ärzten, welche die Vorgänge im gesunden und kranken Organismus auf chem. Verhältnisse, stets in Anlehnung an alchimist. Vorstellungen, zurückzuführen und durch solche zu erklären suchen. Die Therapie hat für sie den Zweck, die in der Krankheit gestörten normalen chem. Mischungsverhältnisse wiederherzustellen, und bedient sich dazu chem. Präparate als Heilmittel, deren Bereitung Aufgabe der C. ist.

Erst von Robert Boyle (1661) an beginnt die C. sich zur selbständigen experimentellen Naturwissenschaft, deren Zweck zunächst einzig Naturerkenntnis ist, zu entwickeln. Da ihre Untersuchungsmethoden zunächst rein qualitative waren, so gelangte sie betreffs der Zusammensetzungsverhältnisse der chem. Körper und der Natur großer Gruppen von chem. Prozessen zu Vorstellungen, die vor den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. aufkommenden Studien über die Mengen der sich vereinigenden Bestandteile chem. Verbindungen vollständig zusammenbrachen. Charakteristisch für jene Zeit und die chem. Theorie beherrschend ist die Erklärung des Wesens der Verbrennungserscheinungen durch die Annahme des hypothetischen Stoffes Phlogiston, sodaß die bis gegen Ende des 18. Jahrh. dauernde Epoche die der Phlogistischen Chemie (s. d.) genannt wird.

Unmittelbar auf die Entdeckung des Sauerstoffs folgte die auf quantitative Versuche gestützte richtige Erklärung der Verbrennungsvorgänge durch Lavoisier (1775), und hiermit beginnt die letzte und neueste Entwicklungsstufe der C., die man daher zunächst als Antiphlogistische Chemie (s. d.) bezeichnete. Sie führte bald zur Entdeckung der wichtigsten stöchiometrischen Gesetze (s. Stöchiometrie), zur Aufstellung der naturwissenschaftlichen Atomtheorie durch Dalton, ihrer experimentellen Durcharbeitung durch Berzelius u. s. w. Früher als Scheidekunde bezeichnet, da die Erkennung und Trennung der Bestandteile der chem. Körper ihr Hauptzweck, sie also vorwiegend analytisch war, hat sie sich bald und in wunderbarem Aufschwung den synthetischen Aufbau chem. Verbindungen zu einer ihrer Hauptaufgaben gesetzt. Während in der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts die sog. unorganische C. als das wichtigste Arbeitsgebiet erscheint, hat später, namentlich seit etwa 1860, die organische C. die führende Rolle übernommen. In diesem synthetischen Zeitalter, in dem sich auch die technische C. vielfach entwickelt hat, befindet sie sich noch und häuft theoretisch und praktisch Erfolge auf Erfolge. In neuester Zeit entwickelt sich neben ihr die physikalische C. in ungeahnter Weise.

Die chem. Litteratur ist ungemein umfangreich. Besonders zu nennen sind die im folgenden angegebenen Werke. Gesamte C.: Graham-Otto, Ausführliches Lehrbuch der C. (5 Bde., Braunschw. 1868 fg.); Regnault-Strecker, Kurzes Lehrbuch der C. (von Wislicenus, 2 Bde., ebd.; 1. Bd., 9. Aufl. 1877‒81: 2. Bd., 6. Aufl. 1876): Roscoe und Schorlemmer, Ausführliches Lehrbuch der C. (5 Bde., ebd. 1879‒91): dies., Kurzes Lehrbuch der C. (9. Aufl., ebd. 1890). Handwörterbücher: Neues Handwörterbuch der C. (hg. von von Fehling, nach dessen Tode von Hell; gegenwärtig im 6. Bde., ebd. 1871‒93); Handwörterbuch der C., hg. von Ladenburg (Bd. 1‒11, Breslau 1883‒93). – Allgemeine C.: von Hofmann, Einleitung in die moderne C. (6. Aufl., Braunschw. 1877); Naumann, Allgemeine und physik. C. (als 1. Bd. der 6. Aufl. von Gmelin-Krants Handbuch der anorganischen C., Heidelb. 1877); Meyer, Die modernen Theorien der C. (5. Aufl., Breslau 1884); Horstmann, Theoretische C. (als 2. Abteil. des 1. Bds. von Graham-Ottos Ausführlichem Lehrbuch der C., Braunschw. 1885); Ostwald, Lehrbuch der Allgemeinen C. (2. Aufl., 1. Bd.: Stöchiometrie, Lpz. 1891; 2. Bd., 1. Tl.: Chemische Energie, ebd. 1893); ders., Grundriß der Allgemeinen C. (ebd. 1889); Mendelejeff, Grundlagen der C. (aus dem Russischen, Petersb. 1892). - Anorganische C.: Gmelin-Krant, Handbuch der anorganischen C. (3 Bde., 6. Aufl., Heidelb. 1877; bis 1893 noch nicht vollendet); Ira Remsen, Anorganische C. (Tüb. 1890); Dammer, Handbuch der anorganischen C. (3 Bde.; erschienen Bd. 1 u. 3, Stuttg. 1892‒93). – Organische C.: Schorlemmer, Lehrbuch der Kohlenstoff-Verbindungen (3. Aufl., Braunschw. 1885 fg.); Fittig, Wöhlers Grundriß der organischen C. (11. Aufl., Lpz. 1886); Beilstein, Handbuch der organischen C. (2. Aufl., 3 Bde., Hamb. 1886‒90; 3. Aufl., Hamb. und Lpz. 1892 fg.); von Richter, C. der Kohlenstoffverbindungen oder organische C. (6. Aufl., Bonn 1891); Bernthsen, Kurzes Lehrbuch der organischen C. (3. Aufl., Braunschw. 1891); Elbs, Die synthetischen Darstellungsmethoden der Kohlenstoffverbindungen (2 Bde., Lpz. 1891); Meyer und Jacobson, Lehrbuch der organischen C. (in 2 Bdn., ebd. 1891 fg.). – Analytische C.: Fresenius, Anleitung zur quantitativen chem. Analyse (6. Aufl., 2 Bde., Braunschw. 1873‒87); Bunsen, Gasometrische Methoden (2. Aufl., ebd. 1877); Hoppe-Seyler, Handbuch der physiol.- und pathol.-chem. Analyse (5. Aufl., Berl. 1883); Fresenius, Anleitung zur qualitativen chem. Analyse (15. Aufl.,

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