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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Dänemark (Geschichte)

Anhängsel des Gesamtstaates bilden, ohne jeden Einfluß auf die gemeinschaftlichen Angelegenheiten. Daher forderte ein Bundesbeschluß vom 9. Juli die Zurücknahme jener Bekanntmachung binnen sechs Wochen, indem zugleich der dän. Regierung die Wahl gelassen wurde, ob sie die Rekonstruktion der Gesamtstaatsverfassung auf Grundlage der Vereinbarungen von 1851-52 oder der Vorschläge Lord Russells versuchen wolle. Am 22. Aug. erfolgte die ablehnende Antwort, worauf der Bundestag 1. Okt. beschloß, das Exekutionsverfahren einzuleiten, und mit der Ausführung desselben Sachsen und Hannover, in Reserve Preußen und Österreich, beauftragte. Dem gegenüber beeilte die dän. Regierung ihre Pläne auf Schleswig, indem sie 29. Sept. dem Reichsrat den Entwurf zu einem neuen Grundgesetz für Dänemark-Schleswig vorlegte, welches die vollständige Verschmelzung anbahnen sollte. Der Reichsrat genehmigte 13. Nov. diesen Entwurf, und es fehlte so dem Gesetz nur noch die königl. Bestätigung. Da starb plötzlich 15. Nov. 1863 König Friedrich VII., und den Thron bestieg Christian IX., dessen erste Regierungshandlung war, daß er 18. Nov. das neue Grundgesetz sanktionierte. Dasselbe sollte 1. Jan. 1864 in Kraft treten.

Dieser Schritt führte endlich zum Bruch. Der neue König hatte allerdings faktisch in der ganzen Monarchie die Herrschaft angetreten, aber gegen ihn machte der nächstberechtigte Agnat des erloschenen Königshauses, Erbprinz Friedrich (s. d.) von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, seine Ansprüche auf Schleswig-Holstein und Lauenburg geltend; andere deutsche Fürsten meldeten Ansprüche auf Lauenburg an. Auch in den Herzogtümern erhob sich ein zäher Widerstand, besonders in Holstein, wo die Mehrzahl der Beamten dem dän. König den Eid verweigerte. Die Majorität der holstein. Ständeversammlung und die Ritterschaft riefen den Bund um Schutz an für die Rechte des Landes und die legitime Erbfolge. Der Bundestag zog nun den Erbfolgestreit vor sein Forum. Am 28. Nov. ward der dän. Gesandte für Holstein-Lauenburg aus der Bundesversammlung ausgeschlossen, 7. Dez. die sofortige Exekution in Holstein-Lauenburg beschlossen und 22. bis 31. Dez. vollstreckt, alles unter Vorbehalt der kompetenzmäßigen Entscheidung über die Succession. Inzwischen hatte aber auch die Diplomatie sich der Sache bemächtigt, und namentlich zeigte England großen Eifer für die Aufrechterhaltung des Londoner Protokolls. Da jedoch weder Frankreich noch Rußland sich zu einer thätigen Mitwirkung verstehen wollten, so mußte sich England auf die diplomat. Aktion beschränken. Die deutschen Großmächte ihrerseits erklärten sich bereit, am Londoner Protokoll festzuhalten, wenn D. ernstlich die Vorbedingungen desselben, nämlich die Vereinbarungen von 1851 bis 1852, erfüllen wolle; insbesondere forderten sie die sofortige Zurücknahme des Grundgesetzes vom 18. Nov., und diese Forderung wurde auch von allen außerdeutschen Großmächten unterstützt. Alles dies geschah jedoch vergeblich. Die dän. Regierung nahm allerdings nunmehr 4. Dez. die Bekanntmachung vom 30. März zurück, räumte auch Holstein-Lauenburg ohne Widerstand, aber sie protestierte gegen die Rechtsgültigkeit der Bundesexekution (19. Dez. 1863) und setzte das neue Grundgesetz in Kraft (1. Jan. 1864). Nochmals (16. Jan.) forderten Preußen und Österreich die Wiederaufhebung desselben binnen 48 Stunden, worauf D. (18. Jan.) eine Frist von sechs Wochen verlangte, damit die Wiederaufhebung in gesetzmäßiger Weise stattfinden könne. Dies ward jedoch abgelehnt und nun die Occupation (Inpfandnahme) Schleswigs beschlossen, welche, da die Dänen Widerstand leisteten, bald offenen Kampf zur Folge hatte. Der Deutsche Bund verweigerte dabei seine Mitwirkung.

Am 1. Febr. 1864 überschritt das preuß.-österr. Heer die Eider und eroberte in kurzem das Festland von Schleswig und Jütland bis zum Limfjord. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864.) Inzwischen gelang es jedoch den unausgesetzten Bemühungen der engl. Diplomatie, zur Schlichtung des deutsch-dän. Streites eine Konferenz der Mächte in London zu versammeln (25. April bis 25. Juni). Es wurde ein Waffenstillstand vermittelt; im übrigen ward kein Resultat erzielt, da D. eine Personalunion in den Herzogtümern ablehnte und man sich nicht über eine Teilung Schleswigs verständigen konnte. So ging die Konferenz 25. Juni wieder auseinander, und der Krieg begann aufs neue. Die Alliierten eroberten nunmehr auch Alsen, die Inseln an der schlesw. Westküste und Jütland nördlich vom Limfjord; selbst Fünen ward bedroht. Da endlich sank den Dänen der Mut, nachdem die lange genährte Hoffnung auf fremde Hilfe sich nicht erfüllt hatte. Die nationalliberalen Minister traten zurück, und der König berief 11. Juli ein konservatives Ministerium aus alten Gesamtstaatsmännern, welches seine Amtsthätigkeit mit einer Bitte um Frieden begann, und dem dann das tragische Geschick zufiel, die definitive Auflösung des Gesamtstaates zu unterzeichnen. Am 18. Juli ward zu Christiansfeld, an der Nordgrenze Schleswigs, eine vorläufige Waffenruhe abgeschlossen, 26. Juli die Friedenskonferenz in Wien eröffnet und 1. Aug. wurden bereits die Friedenspräliminarien nebst längerm Waffenstillstand unterzeichnet. Endlich im Frieden zu Wien 30. Okt. 1864 mußte Christian IX. die drei Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Österreich und Preußen abtreten. Zugleich erfolgte ein Austausch von Inseln, Enklaven u. s. w., welcher die Grenze regulierte. (S. Schleswig-Holstein.)

Nachdem der Wiener Friedensvertrag am 9. und 11. Nov. 1864 von dem Folkething und Landsthing genehmigt war, und die deutschen Truppen vierzehn Tage darauf Jütland geräumt hatten, traten in Kopenhagen dän., preuß. und österr. Kommissarien zusammen, um die noch nicht erledigten Einzelheiten zu regulieren. Das Schlußprotokoll über die finanziellen Abmachungen zwischen D. und Schleswig-Holstein ward 17. April 1866 unterzeichnet. In Art. 5 des Prager Friedens vom 23. Aug. 1866 übertrug der Kaiser von Österreich auf den König von Preußen alle seine im Wiener Frieden vom 30. Okt. 1864 erworbenen Rechte mit der Maßgabe, daß die Bevölkerungen der nördl. Distrikte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch nach einer Wiedervereinigung mit D. zu erkennen geben, an D. abgetreten werden sollten. Als der preuß. Gesandte in Kopenhagen Mai 1867 die Verhandlungen einleitete, bezeichnete er als notwendige Vorbedingung jeder Abstimmung und Abtretung 1) die Übernahme eines verhältnismäßigen Anteils von der Schuldenlast Schleswig-Holsteins und 2) sichere Garantien für den Schutz der in dem abzutretenden Territorium wohnhaften Deutschen. Das dän. Kabinett antwortete mit einem Hinweis auf die bestehenden Gesetze und Verträge; doch eine