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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Staatsrechtliches)

Kilwa, Mohorro) Kaiser-Wilhelms-Land (Stephansort, Friedrich-Wilhelm-Hafen, Herbertshöh) und auf den Marschallinseln (Jaluit). Von diesen haben Kamerun, Dar es-Salaam, Bagamojo, Pangani, Tanga, Saadani, Kilwa, Moborro, Klein-Popo und Lome Telegraphenbetrieb; Dar es-Salaam und Bagamojo sind durch unterseeische Kabel sowohl untereinander als mit der Insel Sansibar verbunden; Saadani, Pangani und Tanga sind an Bagamojo, Kilwa und Moborro an Dar es-Salaam mittels einer oberirdischen Leitung angeschlossen. Kamerun steht durch ein Kabel mit Bonny, Klein-Popo sowie Lome durch eine oberirdische Leitung mit der engl. Goldküste in Verbindung. Außer den genannten Postanstalten in deutschen Schutzgebieten befinden sich in überseeischen Ländern noch deutsche Postagenturen in Shang-hai, Tien-tsin und Apia. Das kaiserl. Postamt in Konstantinopel (6 Beamte) vermittelt den Postverkehr der Kaiserlich Deutschen Botschaft und der deutschen Reichsangehörigen mit dem Heimatlande. Über Postdampferlinien, Post- und Telegraphenschule, Postkrankenkassen, Postunterstützungskasse s. die Einzelartikel.

Staatsrechtliches. (Hierzu: Politische Übersichtskarte des Deutschen Reichs.) I. Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg, nebst dem Gebiete des Reichslandes Elsaß-Lothringen, umfaßt also außer letzterm 22 monarchische und drei republikanische Einzelstaaten (Art. 1 der 1. Jan. 1871 in Kraft getretenen Reichsverfassung und Gesetz vom 9. Juni 1871, betreffend die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem Deutschen Reiche). Die allgemeinen Zwecke des Deutschen Bundes, welcher den Namen "Deutsches Reich" führt, sind, wie der Eingang der Verfassung ausspricht, "der Schutz des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechts sowie die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks". Der Bund ist ein unauflöslicher und daher im Eingange der Verfassung als ein "ewiger" bezeichnet. Er hat eine selbständige, von den Bundesgliedern verschiedene souveräne Bundesgewalt, deren Träger die Glieder des Bundes, als jurist. Einheit betrachtet, sind. Die Ausübung der Funktionen der Reichsgewalt ist durch die Reichsverfassung dem Kaiser und dem aus Vertretern der Mitglieder des Reichs bestehenden Bundesrate (s. d.) übertragen, neben welchen der aus gewählten Abgeordneten des deutschen Volks bestehende Reichstag (s. d.) den die Reichsgewalt konstitutionell beschränkenden Faktor bildet. An seine Zustimmung ist die Reichsgewalt bei der Ausübung gewisser Funktionen gebunden, ihm steht ein allgemeines Recht der Kontrolle in bestimmten Formen zu. Die Gesetzgebung des Reichs ist eine einheitliche für alle Staaten des Reichs in dem Sinne, daß sie von einem gemeinsamen Organ des Reichs ausgeübt wird, im Gegensatz zu der völkerrechtlichen Vereinbarung des vormaligen Deutschen Bundes (Bundesakte vom 8. Juni 1815). Die beiden Faktoren der Reichsgesetzgebung sind der Bundesrat und der Reichstag (Art. 2-5 der Reichsverfassung). Abgesehen von der Vertretung Preußens im Bundesrate sind gewisse Funktionen der Reichsgewalt dem Deutschen Kaiser (s. d.), der stets König von Preußen ist, ausschließlich übertragen (Art. 11-19 der Reichsverfassung). Da aber das Reich eine souveräne Staatsgewalt besitzt, so hat die Selbständigkeit der Einzelstaaten nicht mehr den früher vorhandenen Umfang, sondern unterliegt den durch die Reichsverfassung bedingten Einschränkungen.

Hieraus ergiebt sich in betreff des Verhältnisses der Reichsgewalt und der Staatsgewalten der Einzelstaaten Folgendes: a. Die Verfassungen der Einzelstaaten wie auch die Gesetze und Verordnungen derselben sind durch die Verfassung des Reichs, als des obersten Grundgesetzes, insoweit für aufgehoben oder abgeändert zu erachten, als dieselben mit ihr im Widerspruche stehen oder nicht vereinbar sind. Die Reichsgesetzgebung geht der Landesgesetzgebung vor (Art. 2 der Reichsverfassung); das kann sich auch auf landesverfassungsgesetzliche Bestimmungen erstrecken, b. Die Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft im ganzen Reichsgebiete durch ihre Verkündigung von Reichs wegen, welche vermittelst eines Reichsgesetzblattes geschieht. Somit bedarf es weder einer Publikation der Reichsgesetze durch die Regierungen der Einzelstaaten, noch weniger einer Genehmigung durch dieselben, c. Der Reichsgewalt gebührt das Recht der Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze und der Beaufsichtigung der Regierungen der Einzelstaaten in allen zur Zuständigkeit des Reichs gehörigen Angelegenheiten (Art. 4 und 17). Hierin ist nicht nur das Recht zur unmittelbaren Kenntnisnahme und zum unmittelbaren Befehl, sondern auch die Befugnis enthalten, von den Regierungen der Einzelstaaten Auskunft zu fordern und dieselben zur Vollziehung der Reichsvorschriften zu zwingen.

II. Die Verfassung des Deutschen Reichs gewährt dem Reiche eine wirkliche Staatsgewalt und ein in dieser geeinigtes Volk, hierdurch aber dasjenige, was den wesentlichen Unterschied des Bundesstaates von dem bloßen Staatenbunde ausmacht. Die Reichsgesetze verbinden die Angehörigen der Staaten des Reichs unmittelbar, und es besteht nicht bloß eine Herrschaft der Reichsgewalt über die Staatsgewalten der Einzelstaaten. Auch steht der Reichsgewalt hinsichtlich der ihrer Zuständigkeit überwiesenen Gegenstände ein erheblicher Teil selbständiger Regierungs- und Verwaltungsbefugnisse zu, welche sie selbst, ohne Vermittelung der Regierungen der Einzelstaaten und zum Teil sogar durch ihre eigenen Beamten ausübt (Art. 4, 11, 18, 36, 48, 50, 53, 56, 63, 64 der Reichsverfassung). Das Reich besitzt nicht allein seine eigenen Finanzquellen, sondern auch das Recht der direkten Besteuerung seiner Angehörigen (Art. 70). Das Volk des Reichs, welches als solches durch das gemeinschaftliche Reichsindigenat (Art. 3, dazu Gesetz vom 1. Juni 1870 über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit) politisch geeinigt ist, nimmt als einheitlicher staatlicher Körper durch die gemeinsame von ihm gewählte Volksvertretung (Art. 5, 20 fg.) an der Gesetzgebung und an der Leitung der Reichsangelegenheiten Anteil und wird auch nach außen hin (Art. 11) als einheitliche polit. Macht durch die Reichsgewalt vertreten. Die beiden süddeutschen Staaten Bayern und Württemberg haben sich jedoch in mehrern Beziehungen, ins-^[folgende Seite]