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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Kirchenwesen)

gelten die Flagge des Staatssekretärs (Fig. 12) des Reichs-Marineamtes, die Admiralsflagge mit zwei gekreuzten goldenen Ankern im untern innern Felde, die bei Anwesenheit des Staatssekretärs im Großtop gesetzt wird, sowie der Anciennetätsstander, dem Kommodorestander gleich, der im Kreuztop vom rangältesten Kommandanten mehrerer zusammenliegender Kriegsschiffe gesetzt wird. Über die übrigen Figuren der Tafel s. Flaggen.

Kirchenwesen. Die Besitz- und Rechtsverhältnisse der evang. und kath. Kirche waren für die einzelnen deutschen Staaten durch den Westfälischen Frieden festgestellt worden. Allein im Laufe des 18. Jahrh. und vor allem durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 traten so bedeutende Veränderungen ein, daß die frühere Ordnung konfessionell geschlossener Staatsgebiete nicht mehr festgehalten werden konnte, weil an dieselben Gebietsteile mit andersgläubiger Bevölkerung angeschlossen wurden. Bisher kath. Länder, wie Bayern, erwarben eine ansehnliche Zahl prot. Städte und Dörfer, und in prot. Staaten, wie Preußen und Württemberg, wurden große Länderstrecken mit kath. Unterthanen einverleibt. So gebot es sich von selbst, an Stelle des veralteten Rechtssatzes Cujus regio ejus religio (s. d.), der schon längst unbrauchbar geworden, die Politik der Gleichberechtigung und vollen Religionsfreiheit für die beiden großen Kirchen und ihre Anhänger zu setzen. Dem entspricht seit den Befreiungskriegen die Praxis der Regierungen und die staatliche Gesetzgebung. Bei freier Religionsübung empfangen Protestanten und Katholiken überall in Deutschland gleiche Rechte. Durch besondere Verhandlungen mit der Kurie werden die Beziehungen der kath. Kirche zu dem Staate geordnet (s. Konkordat). Nur diejenigen neu auftretenden kirchlichen Gemeinschaften, welche, wie der Deutschkatholicismus, die Freien Gemeinden und die aus England und Amerika eindringenden Sekten der Irvingianer, Methodisten, Baptisten u. a., weder der kath. noch einer evang. Kirche angehören wollten, begegneten Schwierigkeiten und Anfechtungen; ebenso die Altlutheraner, die aus der 1817 in Preußen und anderwärts herbeigeführten Union zwischen Lutheranern und Reformierten Anlaß zur Trennung von den Landeskirchen nehmen zu müssen glaubten; während die ältere Brüdergemeine (Herrnhuter), im Bekenntnis mit der evang. Kirche gleichstehend, schon früher Duldung gefunden hatte.

Nach Aufrichtung des neuen Deutschen Reichs blieben zwar die kirchlichen Angelegenheiten den Einzelstaaten überlassen, doch nötigten die Umstände zu einigen dem Deutschen Reich gemeinsamen gesetzgeberischen Maßregeln entscheidender Art. Dahin gehört zunächst die gesetzliche Bestimmung, daß die bürgerlichen und staatlichen Rechte aller Deutschen unabhängig vom Religionsbekenntnis sein sollen. Nur die Jesuiten und die ihnen verwandten Orden wurden durch Reichsgesetz aus den Grenzen des Reiches verbannt. Den Geistlichen und Religionsdienern wurde durch den "Kanzelparagraphen" der Mißbrauch der ihnen zugesicherten Redefreiheit zu Schmähungen, ja auch nur zu öffentlicher Erörterung von Staatsangelegenheiten in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise bei strenger Strafe verboten, dagegen den Kirchen und anerkannten Religionsgesellschaften der staatliche Schutz gegen jede Beschimpfung ihrer Einrichtungen und Gebräuche gewährt. Von durchgreifender Bedeutung wurde das Gesetz über Beurkundung des Personenstandes, das die Führung der Geburts-, Ehe- und Sterberegister in die Hand staatlicher Beamten legte, denen auch die bürgerliche Eheschließung übertragen ward. Damit war zum erstenmale die religiöse und kirchliche Freiheit für alle gewährleistet. Der socialen Gesetzgebung der Neuzeit zugehörig, aber doch für die Kirchen und das religiöse Leben wichtig, ist die gesetzliche Sicherung der Sonntagsruhe (seit 1. Juli 1892) und gewisser gottesdienstlicher Stunden.

Die römisch-katholische Kirche in Deutschland zerfällt in fünf Erzbistümer (Kirchenprovinzen), denen 14 Suffraganbistümer unterstehen, nämlich Bamberg (Bistümer Eichstätt, Würzburg, Speier), München-Freising (Augsburg, Regensburg, Passau), Freiburg (Fulda, Limburg, Mainz, Rottenburg), Gnesen-Posen (Bistum Kulm) und Köln (Münster, Trier, Paderborn). Das Erzbistum Freiburg bildet die oberrhein. Kirchenprovinz (die kath. Kirchengebiete von Baden, Hessen-Nassau und Württemberg), das Erzbistum Köln die niederrhein. Kirchenprovinz. Selbständig, unmittelbar unter dem Papste (exemt), stehen das Fürstbistum Breslau, die fürstbischöfl. Delegatur Berlin, die Bistümer Ermland, Osnabrück, Hildesheim, Straßburg, Metz. Weiteres, namentlich über die Geschichte der Erzbistümer, s. unter den betreffenden Städteartikeln. Die Fürst-Erzbischöfe von Prag und Olmütz haben von alters her in den ihnen benachbarten deutschen Gebieten noch bischöfl. Rechte, ebenso der Fürstbischof von Breslau in Österreichisch-Schlesien. Außerdem bestehen noch apostolische Vikariate in Anhalt, Sachsen und Norddeutschland (der Nordischen Mission), apostolische Präfekturen für die Oberlausitz (in Bautzen) und Schleswig-Holstein. Der päpstl. Nuntius hat seinen Sitz in München. Die Altkatholiken haben einen eigenen Bischof mit dem Sitz in Bonn, der aber in Bayern nicht anerkannt ist.

Die evangelische Kirche in Deutschland bildet nicht einen einheitlichen Organismus, zerfällt vielmehr in verschiedene Landeskirchen, die ihre Angelegenheiten selbständig ordnen. Einige von ihnen betonen gegenüber der in Altpreußen, Baden, Rheinpfalz und Nassau eingeführten Union ihren evang.-luth. Charakter, wie Mecklenburg, Sachsen, Altbayern, die Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein, mit besonderer Schärfe, und hier bestehen neben den luth. Landeskirchen und von ihnen streng geschieden reform. Gemeinden, z. B. in Leipzig, Dresden, Göttingen, Münden, Ostfriesland, Hamburg u. a. Fast überall ist in den evang. Landeskirchen die Presbyterial- und Synodalverfassung eingeführt, die gewählten Laienvertretern einen geringen oder größeren Einfluß auf das Kirchenwesen sichert. Jede Ortskirchengemeinde hat einen aus dem oder den Predigern und einer gewissen Zahl von Laien bestehenden Gemeindekirchenrat (Kirchenvorstand oder Presbyterium); für die Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und Landeskirchenverbände bestehen Kreis-, Bezirks-, Provinzial-, Landessynoden. Die Verhältniszahl der Geistlichen zu den Laienvertretern schwankt zwischen 1:1 und 1:3. Die kirchliche Centralgewalt wird im Namen des Landesfürsten (summus episcopus) unter Beirat des obersten Synodalvorstands von einem eigenen aus Juristen und Geistlichen zusammengesetzten Kollegium (Oberkirchenrat oder Oberkonsistorium) ausgeübt; unter diesem stehen, gleichfalls kollegialisch wie jene zusammengesetzt, die Provinzialkonsistorien, beraten von den Provinzialsynodalvorständen. Wie in den