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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Unterrichtswesen)

kath. Kirchen die Seelsorger und Ortspfarrer den Erzpriestern und Dechanten und diese wieder den Bischöfen unterstellt sind, so stehen in den evang. Landeskirchen die Prediger und Ortspfarrer unter Superintendenten (Dekanen) und diese wiederum unter Generalsuperintendenten. Die letztern sind durch ihr Amt Mitglieder der obern Kirchenbehörden.

Die Kirchenbehörden haben seit 1846 in der allzweijährigen Eisenacher Kirchenkonferenz (s. d.) ihrer Abgeordneten eine Stelle zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten geschaffen. Die alle Evangelischen angehende Fürsorge für die Diaspora übt der Gustav-Adolf-Verein (s. d.). Zur Wahrung der deutsch-evang. Interessen und zur Abwehr der ultramontanen An- und Übergriffe ist neuerdings der Evangelische Bund (s. d.) gestiftet. Der Deutsch-evang. Kirchengesangverein widmet sich der Pflege des deutsch-evang. Kirchengesangs. Das Bedürfnis nach Einigung der evang. Kirchen rief 1848 den Deutsch-evang. Kirchentag, eine freie Versammlung von Geistlichen und Laien, in das Leben, der aber seit 1872 wieder eingegangen ist. Dagegen hat seit 1863 der Protestantenverein (s. d.), gestiftet zum Zweck der Erneuerung der prot. Kirche im Geist evang. Freiheit und im Einklang mit der gesamten Kulturentwicklung, die Idee einer deutschen evang.-prot. National- oder Volkskirche vertreten.

Über die ziffernmäßige Ausbreitung der Konfessionen s. oben Bevölkerung (S. 121 b fg.).

Unterrichtswesen. In Bezug auf Volksbildung nimmt das deutsche Volk unter allen Völkern eine der ersten Stellen ein. Hervorzuheben ist die infolge des Schulzwanges (s. Schulen) und der Anforderungen an Einjährig-Freiwillige (s. d.) fast allgemeine Verbreitung einer gewissen schulmäßigen Bildung und andererseits die hohe Blüte der wissenschaftlichen Forschung. Die Schulbildung der Bevölkerung hat auch in der neuesten Zeit Fortschritte gemacht, denn die Zahl der in das Heer und in die Flotte eingestellten Rekruten (bei denen die sämtlich mit Schulkenntnissen ausgestatteten Freiwilligen nicht mitgezählt sind), welche weder lesen noch schreiben konnten, betrug in den Ersatzjahren 1880/81: 1,59 Proz., 1881/82: 1,54, 1882/83: 1,32, 1883/84: 1,27, 1884/85: 1,21, 1885/86: 1,08, 1886/87: 0,72, 1887/88: 0,71, 1888/89: 0,60, 1889/90: 0,51, 1890/91: 0,54 Proz. Über die Zahl der Analphabeten in den einzelnen deutschen Bundesstaaten und preuß. Provinzen s. Analphabeten (Bd. 1, S. 572).

Die Zahl der Volks- und Elementarschulen betrug (1890) etwa 59000 mit über 8 Mill. Schülern (auf je 1000 E. kamen etwa über 160 Elementarschüler). Neben den Volks- und Elementarschulen gab es (1891/92) noch 98 Taubstummenlehranstalten mit 560 Lehrern und 80 Lehrerinnen und 6300 Zöglingen und 32 Blindenlehranstalten. In den letzten Jahren sind in den Einzelstaaten große Summen aufgewendet worden, um den ärmern Volksklassen die aus dem Volksschulwesen erwachsenen Lasten zu erleichtern. Die Ausgaben für Volksschulen und verwandte Anstalten (Taubstummenanstalten u. s. w.) betrugen 1887: 25 Mill., 1888: 36 Mill., 1889: 55 Mill. M.

Für die Ausbildung der Volksschullehrer und Lehrerinnen sorgen Präparandenanstalten (1890: 112), Lehrerseminare (273) und Lehrerinnenseminare (23).

Die Zahl der höhern Mädchen-(Töchter-)schulen ist sehr groß. Preußen allein hat mehr als 400, Sachsen etwa 30, Bayern 20; dieselben sind zum größten Teil Privatschulen, eine Anzahl ist städtisch und nur wenige sind staatlich, z. B. in Berlin.

Den Übergang von den Volksschulen zu den höhern Schulen bilden die Mittel- oder Bürgerschulen (s. d.), während die Fortbildungsschulen (s. d.) die in der Volksschule erworbenen Kenntnisse zu befestigen, zu vertiefen und in ihrer Anwendung auf das praktische Leben zu erweitern bestimmt sind. Letztere Aufgabe haben besonders die gewerblichen, kaufmännischen und landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen, die freilich in den verschiedenen Staaten noch sehr ungleichmäßig ausgebildet sind.

Recht verschieden und teilweise schwankend haben sich die einzelnen deutschen Staaten auch gegenüber den andern Fachschulen verhalten. 1892 gewähren 17 Handels- und 23 Landwirtschaftsschulen durch ihre Schlußprüfung die Freiwilligenberechtigung. Andere Landwirtschaftsschulen (s. d.) fassen, ebenso wie die gewerblichen Schulen (s. Baugewerken-, Werkmeister-, Gewerbeschulen, Technisches Unterrichtswesen), dieses Ziel nicht ins Auge und widmen sich allein der fachlichen Ausbildung.

Zu den höhern Schulen gehören Realschulen (s. d.), Realgymnasien (s. d.) und Oberrealschulen (s. d.), bei denen Mathematik, Naturwissenschaften und neuere Sprachen im Vordergrunde stehen und endlich die Gymnasien (s. d.), welche besonders die alten Sprachen pflegen. Eine Übersicht über die höhern berechtigten Lehranstalten in den deutschen Bundesstaaten im J. 1893 giebt folgende Tabelle:

Staaten Gymnasien Progymnasien Realgymnasien Realprogymnasien Oberrealschulen Realschulen Höhere Bürgerschulen Andere Lehranstalten öffentliche private

Preußen 274 42 90 89 20 11 28 17 18

Bayern 37 - 5 - - - 35 7 6

Sachsen 17 - 10 - - 22 2 5 6

Württemberg 16 3 2 4 3 11 - 1 2

Baden 14 2 2 2 - 6 10 - 2

Hessen 9 2 3 - - 13 2 1 2

Mecklenburg-Schwerin 7 - 6 2 - 1 2 - -

Sachsen-Weimar 3 - 2 - - - 2 - 2

Mecklenburg-Strelitz 3 - - 1 -1 - - -

Oldenburg 5 - - 1 1 1 - 1 -

Braunschweig 6 - 1 1 1 - 1 1 3

Sachsen-Meiningen 2 - 2 - - - 1 - -

Sachsen-Altenburg 2 - - 1 - - - - 1

Sachsen-Coburg-Gotha 2 1 1 2 - - 1 - 1

Anhalt 4 - 2 1 - 2 1 - -

Schwarzb.-Sondershausen 2 - - - - - - 1 -

Schwarzb.-Rudolstadt 1 - - 2 - - - - 1

Waldeck 1 - - 1 - - - - -

Reuß älterer Linie 1 - - 1 - - - - -

Reuß jüngerer Linie 2 - 1 - - - - - 1

Schaumburg-Lippe 1 - - 1 - - - - -

Lippe 2 - - 1 - - - - -

Lübeck 1 - 1 - - - 1 - 1

Bremen 2 - 2 1 - 2 - - 1

Hamburg 2 - 1 1 - - 2 - 8

Elsaß-Lothringen 17 4 - - - - 11 1 -

Zusammen 1893 433 54 131 112 25 70 99 35 55

Im Jahre 1891 428 57 132 112 14 61 107 34 57

Von den 22 Universitäten des Deutschen Reichs (einschließlich der Akademie zu Münster und der kath.-theol. Fakultät zu Braunsberg) kommen 11 auf Preußen, 3 auf Bayern, 2 auf Baden und je eine auf Sachsen, Württemberg, Hessen, die sächs. Herzogtümer, Mecklenburg und Elsaß-Lothringen. Die meisten haben die vollständigen vier Fakul-^[folgende Seite]