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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Deutschland und Deutsches Reich (Territorialentwicklung)

Engern an das askan. oder anhalt. Haus (Sachsen-Lauenburg), und endlich wurde 1235) auch das Hausgut der Welfen (Braunschweig und Lüneburg) zu einem Herzogtume gemacht. Neben diesen neuen Herzögen gab es hier noch die geistlichen Fürstentümer von Münster, Paderborn, Minden, Osnabrück, Bremen, Verden, Hildesheim und Halberstadt, zahlreiche Grafschaften (z. B. Mark, Mecklenburg, Oldenburg, Holstein, Anhalt) und die großen vom Herzogtum ganz abgelösten Marken an der Elbe (s. oben), welche ebenso wie Thüringen vielfach von fremden Gebieten durchsetzt waren, so von den Gebieten der Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg, der Bischöfe von Merseburg, Naumburg und Meißen, der Grafen von Mansfeld, Orlamünde, Schwarzburg u. s. w. Franken hat seit dem Tode des hohenstaufischen Herzogs Konrad von Rotenburg (1196), Schwaben seit Konradin (1268) keinen Herzog gehabt. Die Bischöfe in beiden Ländern, der Erzbischof von Mainz, die Bischöfe von Würzburg, Bamberg, Worms, Speier, Straßburg, Basel und Konstanz waren stets reichsunmittelbar gewesen, ebenso der rhein. Pfalzgraf mit seinem vom Neckar bis an den untern Rhein verzweigten Besitz; jetzt wurden es auch die früher unter den Herzögen stehenden Abteien Fulda, Hersfeld u. a., der Landgraf von Hessen (1265 von Thüringen abgetrennt), die Grafen von Hohenlohe und Henneberg, der Burggraf von Nürnberg (Ansbach-Bayreuth) und in Schwaben der Abt von St. Gallen, die Grafen von Kiburg und Lenzburg, die von den auch die Landgrafschaft im Elsaß besitzenden Habsburgern beerbt wurden, die Grafen von Freiburg, Urach, Württemberg, die Herzöge von Teck, die Markgrafen von Baden u. s. w. Dazu kamen gerade in diesen beiden früher staufischen Herzogtümern zahlreiche Reichsstädte, Reichsdörfer, Stifter und kleine weltliche Dynasten. Am meisten bewahrte noch Bayern seinen ursprünglichen Charakter. Allerdings gab es auch hier neben dem Herzoge mächtige geistliche Fürsten (Salzburg, Passau, Regensburg, Eichstätt, Freising, Brixen, Trient, Aquileja), und es waren auch hier die Marken zu selbständigen weltlichen Fürstentümern erwachsen. Die alte, von Karl d. Gr. gegründete und aus dem Ungarnsturme des 10. Jahrh. wiedererstandene Ostmark war seit 1156 ein Herzogtum unter den Babenbergern, die 1196 auch die steirische Mark erbten; in Kärnten herrschten die Ortenburger als Herzöge, in Krain und Südtirol die mächtigen Grafen von Görz. Aber das eigentliche Bayern war auch bei dem Übergange dieses Herzogtums von den Welfen auf die Wittelsbacher nicht zersplittert worden, ja durch die letztern noch fester geeint, da sie die Güter zahlreicher aussterbender Grafengeschlechter für sich einziehen konnten. Die Zahl der Herrschaften Deutschlands in einem bestimmten Augenblick ist nicht sicher anzugeben, da diese Zahl, seitdem die Vererbung auch der Reichslehen zugelassen war, durch Erlöschen einzelner Familien, Heirat u. s. w. fortwährend sich veränderte. Um 1180 gewann der Begriff "Fürst" (princeps) eine strengere Bedeutung, und es wurden von den weltlichen Großen nur 16 dazu gerechnet, darunter nur ein Graf. Die andern hießen Magnaten oder Dynasten. Das Fürstentum war fortan kein Amtsbezirk mehr, sondern setzte sich aus einer Reihe von verschiedenen Rechten (Jurisdiktion, Heerbannrecht u. s. w.) und Besitzungen zusammen, die seine Vertreter teils unmittelbar vom Reiche, teils von andern, besonders geistlichen Fürsten zu Lehen trugen, in Pfandschaft oder zu eigen besaßen u. s. w., sodaß ein Fürst mit geringerm Titel vielfach mächtiger sein konnte als ein anderer mit höherm. Die Gebietsteile lagen meist verzettelt, aber die Fürsten bemühten sich, die Lücken in ihren Gebieten durch neue Erwerbungen auszufüllen und so geschlossene Territorien herzustellen, über welche sich allmählich die Gesamtheit ihrer Rechte gleichmäßig ausdehnte. Die Reichsgesetzgebung besonders unter Friedrich II. und seinem Sohne Heinrich VII. war dieser Ausbildung von Territorialherrschaften besonders günstig und die Anarchie des Interregnums förderte sie noch mehr. Während bis dahin alle Reichsfürsten bei der Wahl des Königs mitwirkten, traten jetzt einige als ausschließlich berechtigt auf und wurden daher Kurfürsten (electores) genannt. Die Entstehung dieses Vorrechts ist zweifelhaft. Im "Sachsenspiegel" werden sie zuerst genannt; bei der Wahl Rudolfs von Habsburg (1273) ist das Kollegium schon vollkommen ausgebildet; Kurfürsten waren die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, der Pfalzgraf am Rhein, der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg, und diese wurden in ihren Würden und Rechten durch die Goldene Bulle Karls IV. (1356) bestätigt und gehoben, indem zugleich die Unteilbarkeit der Kurfürstentümer verfügt wurde. In den übrigen Territorien machte die Zersplitterung um so größere Fortschritte, sodaß bei der Masse der kleinen und kleinsten Stände im 15. Jahrh. es geradezu unmöglich wurde, das Ganze zu überblicken und den einzelnen zu den Leistungen für das Reich, Heerdienst und Steuer, heranzuziehen. Man hat deshalb nach frühern erfolglosen Versuchen unter Maximilian I. 1500 und vollständiger 1512 eine Verteilung der Reichsstände in (1500 sechs, 1512 zehn) Kreise vorgenommen: Franken, Schwaben, Bayern, Oberrhein (Worms), Niedersachsen, Kurrhein (Mainz, Trier, Köln, Pfalz), Obersachsen mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, den Westfälischen oder Niederrheinischen (Niederländischen) Kreis, endlich Österreich und Burgund. Das böhm. Königreich mit seinem Zubehör in Mähren und Schlesien blieb außer Ansatz. Was das Reich bedurfte, wurde nun durch die Kreise auf die Mitglieder umgelegt und erhoben, kam aber trotzdem meist nur langsam und unvollständig zusammen.

Aber diese Kreisordnung konnte die Einheit nicht ersetzen, und so verlor Deutschland seit dem 15. Jahrh. an seine erstarkenden Nachbarn immerfort Land. So mußte der Deutsche Orden in Preußen 1466 Westpreußen und Ermeland an Polen abtreten; für den Rest wurde der Hochmeister Albrecht von Brandenburg 1525, als er sich in einen weltlichen Herzog verwandelte, Vasall von Polen; seit 1561 gingen auch die livländ. Provinzen an Polen, Russen und Schweden verloren. Der Zusammenhang der schweiz. Eidgenossenschaft mit Deutschland war schon 1499 durch den Frieden von Basel thatsächlich gelöst. Philipp II. als Erbe Kaiser Karls V. verband die Freigrafschaft Burgund und die Niederlande mit der Krone Spanien, und Frankreich behielt im Waffenstillstande zu Vaucelles (bei Cambrai) 1556 die 1552 Karl V. entrissenen Bistümer Metz, Toul und Verdun. Der Dreißigjährige Krieg brachte den Franzosen den größten Teil des Elsaß, den Schweden das Herzogtum Bremen (ohne die Stadt), das Fürstentum Verden, Wismar, Rügen, Vorpommern und Stettin, welche Länder allerdings im