Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

178

Deutschland und Deutsches Reich (Geschichte 1648-1803)

Ein Wandel trat mit Maximilians Sohn Rudolf II. (1576-1612) dadurch ein, daß dieser Zögling der Jesuiten überall selbst deren Vordringen begünstigte. Überall behauptete sich der Katholicismus unter thatkräftigen Führern, an deren Spitze der junge Herzog Maximilian I. von Bayern stand. Aber erst als dieser eine prot. Reichsstadt, Donauwörth, 1607 auf das parteiische Urteil des kaiserl. Reichshofrates hin unterwarf, ergriff die Protestanten die Sorge um ihre Zukunft gegenüber der Entschlossenheit ihrer Gegner. Die Kampfesstimmung beider Parteien zeigte sich in dem Zusammenschluß in zwei Bündnissen, der Protestantischen Union 1608 unter pfälzischer und der Katholischen Liga 1609 unter bayr. Führung, die aber beide nur einen Teil der Glaubensgenossen umfaßten. Besondere Erregung brachte der Jülich-Clevesche Erbfolgestreit wegen der Frage, ob diese reichen bisher kath. Lande an einen Protestanten oder Katholiken fallen sollten. Die erbberechtigten Brandenburg und Pfalz-Neuburg ergriffen trotz kaiserl. und span. Gegenwirkung Besitz von dem Lande, sie behaupteten sich und teilten es schließlich unter sich im Vertrag von Xanten 1614.

Den Anstoß zum offenen Ausbruch des Kampfes gaben aber die Vorgänge in den kaiserl. Erblanden, deren überwiegend prot. Stände für ihre polit. und religiösen Freiheiten dauernd im Kampfe mit der Landesregierung lagen. Dieser Streit verband sich mit einem Zwist im Hause Habsburg selbst. Kaiser Rudolfs ältester Bruder Matthias, von den ungar. und österr. Ständen unterstützt, zwang den Kaiser zuerst zur Abtretung von Ungarn, Österreich und Mähren, schließlich auch von Böhmen und seinen Nebenlanden. Wie Matthias den ihm helfenden Ständen, so hatte auch Rudolf den zuerst ihm treu gebliebenen Böhmen in dem Majestätsbrief (s. d.) von 1609 weitgehende religiöse Zugeständnisse machen müssen. Die Versuche des vom Bischof Khlesl beratenen Matthias (1612-19), diesen Freiheiten zum Trotz den gegenreformatorischen Bestrebungen Raum zu schaffen, riefen 1618 in Böhmen den offenen Aufstand hervor. (S. Dreißigjähriger Krieg.) In dessen Beginn starb Matthias; ihm folgte der Jesuitenzögling Ferdinand II. (1619-37).

Mit Hilfe der Katholischen Liga unter Maximilian von Bayern gelang es Ferdinand, der empörten Böhmen und des von ihnen zum böhm. König erwählten Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz durch den entscheidenden Sieg am Weißen Berge bei Prag (1620) Herr zu werden. Während in den Erblanden ein hartes Strafgericht über die Aufständischen erging und binnen wenigen Jahren der Protestantismus unterdrückt wurde, trug man zur Vollstreckung der über Friedrich V. verhängten Reichsacht den Krieg in die Pfalz; auch sie wurde bis 1623 unterworfen, die Oberpfalz und die Kur an Bayern übertragen. Aber der siegreiche Aufschwung habsburg. Macht erregte die Eifersucht Frankreichs und Englands, die Bedrohung Norddeutschlands durch die ligistischen Truppen unter Tilly brachte die Stände des Niedersächsischen Kreises und mit ihnen Christian IV. von Dänemark zu kriegerischer Rüstung gegen den Kaiser. Zugleich aber erstand diesem ein neuer Helfer in Wallenstein, der ihn obendrein von seiner Abhängigkeit von der Liga befreite durch die Aufstellung eines eigenen kaiserl. Heers. Mit diesem schlug er die Gegner im Felde, unterwarf Deutschland bis zur Meeresküste, bis sein offenkundiges Bestreben, gegenüber der Macht der Reichsfürsten wieder eine kaiserl. Souveränität im Reiche zu errichten, die Feindschaft auch der ligistischen Genossen gegen den Kaiser wachrief, denen es gelang, auf dem Regensburger Kurfürstentag 1630 Wallenstein zu stürzen. Aber schon stand ein neuer Gegner in König Gustav Adolf von Schweden auf deutschem Boden. In wunderbarem Siegeszuge während der Jahre 1631-32 eroberte er Norddeutschland, schlug Tilly, der zuvor Magdeburg eingenommen, vernichtend bei Breitenfeld und am Lech; im Frühjahr 1632 war Gustav Adolf Herr von Süddeutschland. Die geradezu verzweifelte Lage des Kaisers und seiner Genossen rief Wallenstein wieder in den Krieg. Dieser gewann durch den Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen (16./6. Nov. 1632) bald wieder die Oberhand; aber der Gegensatz, in den er durch seine selbständige Politik und Kriegführung zum Kaiser geriet, verschärfte sich zu offener Feindschaft, zur Absetzung Wallensteins, und endete schließlich mit dessen Ermordung in Eger (1634). Es gelang der kaiserl. Politik, nach dem Siege bei Nördlingen (1634) über die Schweden, Sachsen, hernach auch Brandenburg und andere Protestanten dem schwed. Bündnis abwendig zu machen und gegen einzelne Zugeständnisse sich im Prager Frieden (1635) im ganzen den Sieg der kath. Reaktionspolitik zu sichern. Aber der Eintritt des eifersüchtigen Frankreichs in den Krieg fachte diesen von neuem an; doch nicht mehr um große Glaubensinteressen, nur für die Habsucht großer und kleiner Machthaber schlugen sich die Heere mit wechselndem Erfolge auf deutschem Boden. Die Verheerung des Landes war eine entsetzliche, und sie dauerte fort, während die Diplomaten in Münster und Osnabrück endlos über einen Abschluß verhandelten, der schließlich 24. Okt. 1648 im Westfälischen Frieden (s. d.) zu stande kam. Dieser war das traurige Ende einer traurigen Epoche. Die Zerrissenheit Deutschlands war ärger als je und lieferte es widerstandslos den Eingriffen der Fremden aus, die es auch für die Folgezeit zum Schlachtfeld der europ. Kriege machten. Frankreich wie Schweden rissen die Grenzgebiete an sich und behielten dauernd ihre Hand in deutschen Dingen. Der Wohlstand des Landes war vernichtet, die Bewohnerzahl um mehr als die Hälfte verringert, ganze Gebietsstrecken lagen wüst. Das Volk selbst war in der Kriegsnot entartet, das geistige Leben war ertötet, alles ging unter im Kampf um die notdürftigste äußere Existenz. Die Arbeit zweier Jahrhunderte hat nicht vermocht, alle Spuren dieser dreißig Jahre zu vertilgen.

Die einzelnen Staaten des Deutschen Reichs von 1648 bis 1803.

A.Weltliche Gebiete.

1) Königreich.

Böhmen (Kurfürstentum).

2) Herzogtümer.

Arenberg.

Bayern.

Berg.

Braunschweig-Calenberg.

" -Grubenhagen.

" -Lüneburg (seit 1692 Kurfürstentum Hannover).

" -Wolfenbüttel.

Bremen (1648 an Schweden, 1715 an Hannover).

Cleve.

Hinterpommern.

Holstein.

Jülich.

Kärnten.

Krain.

Lothringen (zeitweilig bei Frankreich).

Magdeburg.

Mecklenburg-Güstrow.

" -Schwerin.

Österreich (Erzherzogtum).

Sachsen (Albertinische Linie; Kurfürstentum).

" -Altenburg }

" -Coburg-Gotha }

" -Weimar-Eisenach } Ernestin. Linie.

" -Lauenburg (seit 1702 zu Hannover) }

Savoyen.

Schlesien (1675 österr., 1763 preuß. Provinz).