Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Diplomatik; Diplomātik; Diplomatisches Korps

339

Diplomatik - Diplomatisches Korps

mächtigte Minister, Ministerresidenten, Geschäftsträger; dazu kommen die päpstl. Nuntien als besondere und bei den kath. Höfen vor allen übrigen Diplomaten bevorrechtete Rangklasse. Über die Vorrechte der D. s. Exterritorialität.

Diplomātik (grch.), diejenige histor. Hilfswissenschaft, welche die Dokumente oder die im Geschäftswege entstandenen Schriftstücke früherer Zeiten verstehen, beurteilen und gebrauchen lehrt. Ihren Namen erhielt sie von der wichtigsten und schwierigsten Klasse dieser Dokumente, den Diplomen (s. d.) oder Urkunden, an denen sie auch zur Wissenschaft sich heranbildete und allmählich die gegenwärtige Ausdehnung und Bedeutung ihres Begriffs erreichte. Man hatte zwar schon seit dem Anfange des 16. Jahrh. geschichtlichen Werken Urkunden beigegeben; größere Bedeutung erlangten dieselben jedoch erst bei Gelegenheit der vielfachen, während des 17. Jahrh. in Deutschland erörterten staats- und fürstenrechtlichen Streitfragen (bella diplomatica). Der belg. Jesuit Dan. Papebroek machte den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Behandlung der Urkunden und faßte die Ergebnisse seiner Forschung in einer Abhandlung zusammen, die dem zweiten Bande der «Acta Sanctorum, Aprilis» (Antw. 1675) beigegeben ist. Der Umstand, daß hier die Echtheit der ältesten, namentlich vieler merowing. Urkunden der Abtei St. Denis angezweifelt worden war, veranlaßte den gelehrten Benediktiner Mabillon, mit seinem berühmten Werke «De re diplomatica» (Par. 1681; mit Supplementen, 2 Bde., ebd. 1704; Neap. 1789) zu antworten, das der neuen Wissenschaft den Namen verlieh und deren eigentliche Grundlage wurde, ohne jedoch eine vollständige Behandlung derselben zu geben oder auch nur zu beabsichtigen. Nach Mabillon, der seine Erfolge vor allem dem reichen Material zu verdanken hatte, das ihm zur Verfügung stand, erfuhren auf lange Zeit hin nur die einzelnen Teile der D. entweder ganz neue Begründung oder weitere Ausführung und Bereicherung. So erweiterte der Engländer Madox die Formelkunde, brach Heineccius der Siegelkunde neue Bahn und behandelte Bessel, der Abt des Klosters Göttweih, die Specialdiplomatik der deutschen Könige und Kaiser von Konrad Ⅰ. bis Friedrich Ⅱ. und begründete namentlich die diplomat. Geographie Deutschlands. Bessels berühmtes «Chronicon Gotwicense» (2 Bde., 1732) wurde durch Heumans «Commentarii de re diplomatica imperatorum et regum Germ.» (2 Bde., Nürnb. 1745‒53) gewissermaßen ergänzt. In Frankreich fügte Montfaucon die griech. Schriftkunde und Charpentier die Kenntnis der Tironischen Noten hinzu, denen die von Baring und Walther mit großem Fleiße gesammelten Buchstabenproben und Abkürzungen der lat. Schrift sich ergänzend anschlossen.

In Deutschland ward die D. auch unter die Gegenstände des Universitätsunterrichts aufgenommen und zu diesem Behufe von Eckhard (1742) und Joachim (1748) in Kompendien gebracht und damit gleichzeitig Paläographie, Chronologie und Siegelkunde nebst rechts- und staatsgeschichtlichen Erörterungen verbunden. Mit ebenfalls sehr reichen Hilfsmitteln und im wesentlichen wieder von Mabillons Standpunkte aus, behandelten Toustain und Tassin, gleichfalls Benediktiner, aufs neue die D. sehr ausführlich in dem noch immer wichtigen «Nouveau traité de diplomatique» (6 Bde., Par. 1750‒65; deutsch von Adelung und Rudolf u. d. T. «Lehrgebäude der D.», 9 Bde., Erf. 1759‒69), während drei andere Benediktiner, Dantine, Durand und Clemencet, in «L’art de vérifier les dates» (1750; 3. Aufl., 3 Bde., 1783‒92) für die histor. und diplomat. Chronologie eine treffliche Grundlage schufen. Eine systematische Fassung der D. versuchte zuerst Gatterer seit 1765, dann mit etwas mehr Erfolg Gruber (1783) und Zinkernagel (1800). Eine größere Umgestaltung würde jedenfalls Schönemann herbeigeführt haben, wenn nicht dessen «Versuch eines vollständigen Systems der D.» (2 Bde., Hamb. 1800‒1) wegen des frühen Todes des Verfassers unvollendet geblieben wäre. Zunächst wurde nun der D. einerseits ein neuer Boden geschaffen, andererseits ihre Nutzanwendung gemacht in der Verwaltung und Ordnung der Archive, beides mehr und mehr nach richtigen wissenschaftlichen Grundsätzen. Unter die Früchte dieser Arbeit sind namentlich die ausgezeichneten Urkundensammlungen und Regesten zu rechnen, die in immer wachsender Zahl die sicherste Grundlage für geschichtliche Studien darbieten. Durch die an die Aufgabe von Urkunden sich anschließenden allgemeinen Grundsätze, welche Sickel aufgestellt hat, ist dieser nach Mabillon zum zweiten Begründer der D. geworden. Ihm zur Seite arbeitete mit gleichem Verdienste Ficker. Daneben wurden auch einzelne Zweige der D., wie die Schriftkunde durch Kopp u. a., die Sphragistik und Heraldik durch Melly, Bernd, den Fürsten zu Hohenlohe-Waldenburg u. a. gefördert, während mehrere Zeitschriften, wie die «Zeitschrift für Archivkunde, D. und Geschichte» von Höfer, Erhard und von Medem (1833‒35) und die «Zeitschrift für die Archive Deutschlands» von Friedemann (1846‒53) den fortlebenden Sinn für das Ganze der Wissenschaft bekundeten. Gegenwärtig bildet das Handbuch von Breßlau (s. unten) das wichtigste Hilfsmittel zur Einführung in die D., außerdem enthalten besonders die «Archivalische Zeitschrift» (Bd. 1‒13, hg. von Löher, Stuttg. und Münch. 1876‒88 und Neue Folge, Bd. 1‒2, hg. durch das bayr. Allgemeine Reichsarchiv in München, 1890‒91) und die «Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung» von Mühlbacher (Bd. 1‒13, Innsbr. 1879‒92) wichtige Beiträge zur D. Ihr dienen auch die von v. Sybel und Sickel herausgegebenen «Kaiserurkunden in Abbildungen» (Berl. 1880‒91). (S. Archiv.) – Vgl. Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre (2 Bde., Innsbr. 1877); Leist, Urkundenlehre. Katechismus der D. u. s. w. (Lpz. 1882); ders., Die Urkunde, ihre Behandlung und Bearbeitung (Stuttg. 1884); Posse, Die Lehre von den Privaturkunden (Lpz. 1887); Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre (Bd. 1, ebd. 1889).

Diplomatisches Korps, die Gesamtheit der an einem Hofe beglaubigten diplomat. Geschäftsträger. Erst seitdem es üblich geworden ist, ständige Gesandtschaften zu unterhalten, konnte man die zu ihnen gehörenden Personen als eine durch Beruf und gesellschaftliche Stellung gebildete Einheit auffassen; die Bezeichnung D. K. soll zuerst in Wien 1754 aufgekommen sein. Das D. K. ist weder eine jurist. noch eine polit. Körperschaft und hat auch in der Regel keine Veranlassung zu irgend welcher Thätigkeit; allein es giebt in dem höfischen und polit. Leben bisweilen Gelegenheiten, bei denen es sich nicht um die Interessen eines oder mehrerer einzelner Staaten, sondern um die Stellung und Wirksamkeit der diplomat. Vertreter überhaupt handelt und bei denen aus diesem Grunde das