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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eiche

vermag unter günstigen Verhältnissen ein Alter von mehr als 1000 Jahren und daher riesige Stärke zu erreichen, während die Traubeneiche wohl selten über 6-800 Jahre alt wird. Die Stieleiche ist vorzugsweise ein Baum der Ebenen, Niederungen, Flußauen und Hügelgelände und blüht im allgemeinen 2 Wochen eher als die Traubeneiche, die mehr die Gebirgsgegenden liebt, doch in den Gebirgen Deutschlands im Mittel höchstens bis 650 m über das Meer emporsteigt. Beide treten in verschiedenen Gegenden Mitteleuropas, teils für sich allein, teils mit andern Laubhölzern (z. B. Rot- und Weißbuchen, Ulmen, Ahornen, Eschen u. a. m.) oder auch mit Nadelhölzern (namentlich Kiefern) gemengt als waldbildende Bäume auf, zumal in den untern Donauländern (in der Bukowina, der Walachei, in Serbien, Kroatien und Slawonien), wo es noch unermeßliche, zum Teil noch im Urzustande befindliche Eichenwälder giebt. Mit der Traubeneiche am nächsten verwandt ist die weichhaarige oder Filzeiche (Quercus pubescens Willd.), die besonders im südl. Europa, doch vereinzelt auch in Mitteldeutschland und Österreich vorkommt. Sie unterscheidet sich von den andern deutschen Eichenarten durch den sammetartigen Filz der zuletzt fast lederartigen Blätter.

Unter den übrigen europ. Eichenarten nehmen die Korkeichen jedenfalls den ersten Platz ein. Es giebt zwei verschiedene Arten, die eigentliche oder südl. Korkeiche (Quercus suber L., s. Tafel: Amentaceen, Fig. 2), eine im südwestl. Europa (namentlich Südspanien und Portugal) und Nordafrika heimische Immergrüneiche mit einjähriger Samenreife und 3 Jahre lebendig bleibenden Lederblättern, und die westeurop. Korkeiche (Quercus occidentalis Gay), eine im westl. Frankreich (den "Landes" von Bayonne), in Nordspanien und Portugal wachsende E. mit zweijähriger Samenreife und nur ein Jahr ausdauernden Blättern. Beide Arten liefern den in den Handel kommenden Kork, der sich periodisch in ihrer Rinde erzeugt. (S. Kork.) Sehr verbreitet im südl. Europa ist die gemeine Immergrün- oder eigentliche Steineiche (Quercus ilex L.), ein Baum von 10 bis 20 m Höhe mit eiförmiger Krone und kleinen elliptischen oder eiförmigen, bald ganzrandigen, bald dornig gezähnten Blättern. Ihr Holz gilt für das schwerste und härteste der europ. Eichenarten. Mehrere E. Europas und des Orients haben eßbare Eicheln, so namentlich die orient. Quercus aegilops L., eine sommergrüne E., und die westeurop. und nordafrik. Quercus ballota Desf., eine immergrüne E., die vermutlich bloß eine Varietät von Quercus ilex ist. Beider Früchte werden in den betreffenden Ländern, wo man sie teils roh, teils geröstet ißt, in großen Massen zu Markte gebracht. Noch sind die Galläpfeleiche (Quercus infectoria Oliv.), eine in Kleinasien und Persien heimische Art mit ungefähr ein Jahr lebenden Blättern, welche die offizinellen Galläpfel liefert und mit der in Nordafrika und auf der Pyrenäischen Halbinsel wachsenden Quercus lusitanica Lamk., die ebenfalls Gallen produziert, identisch sein soll, und die Kermeseiche (Quercus coccifera L.), eine niedrige, strauchige Art mit immergrünen, dornig gezähnten Blättern, die in den Mediterranländern häufig vorkommt und die Kermesschildlaus (s. Kermes) ernährt, zu erwähnen. Unter den nordamerikanischen E., von denen gegenwärtig mehrere als Zierbäume überall bei uns gehalten werden, sind besonders bemerkenswert: die Roteiche (Quercus rubra L.), die Scharlacheiche (Quercus coccinea L.) und die Sumpfeiche (Quercus palustris Mich.), deren Blätter im Herbst blutrot werden; die durch weiße Rinde und unterseits weißflaumige, sich im Herbst violett färbende Blätter ausgezeichnete Weißeiche (Quercus alba L.) und die Färbereiche (Quercus tinctoria Willd.), deren zum Gelbfärben gebrauchte Rinde unter dem Namen Quercitron in den Handel kommt.

Fast alle E. sind lichtbedürftige Bäume, weshalb sie, in reinem Bestände erzogen, sich immer selbst licht stellen, wenn sie anfangs zu dicht standen. Deshalb ist es besser, bei Anlage von Eichenwäldern die E. in räumlicher Stellung (durch Auspflanzen von zuvor in Gärten gezogenen Pflänzlingen) zu erziehen. Da unter dem lichten Schirm der E. der Boden leicht verangert, so muß zwischen den Eichenreihen ein Bodenschutzholz, zu dem sich Hainbuchen, Weißtannen, auch wohl Fichten eignen, angebaut werden, oder man zieht die E. überhaupt in Vermischung mit andern Laubhölzern, Buchen u. s. w. Ganz besonders eignen sich die E. für Mittel- und Niederwaldbetrieb. Bei der großen Lichtbedürftigkeit dieser Holzarten liefern die alten, freistehenden Oberbäume des Mittelwaldes das beste Holz. Die E. gehören zu den nutzbarsten Laubhölzern der gemäßigten Zone. Außer ihrem wertvollen, namentlich beim Schiff-, Hafen- und Faßbau unentbehrlichen, sehr dauerhaften Holze ist die Rinde wegen ihres Reichtums an Gerbstoff (s. Eichenschälwald und Eichenrinde) sehr geschätzt, während die Früchte eine vortreffliche Mast für Schweine abgeben. Die gerösteten Eicheln dienen als Kaffeesurrogat, die Eichenrinde zu mediz. Zwecken. Gefahren und Feinden sind die sturmfesten E. weniger ausgesetzt als Buche und Nadelhölzer. Spätfröste schaden der E. seltener als der Buche, weil sie später ausschlägt, dagegen leidet sie oft durch Frostrisse, wegen ihrer starken Borke wird sie nicht rindenbrandig. Von Pilzen haben namentlich alte E. zu leiden, verschiedene Arten der Gattung Polyporus, Hydnum diversidens F., Telephora perdix R. Htg. u. a. rufen Rot- und Weißfäule hervor; der Eichenwurzeltöter (Rosellinia quercina) schadet den jungen Pflanzen. Ein ganzes Heer verschiedener Insekten bewohnt zwar die E., meist jedoch ohne sehr empfindlichen Schaden zu thun. Von Käfern schaden am meisten der Maikäfer, der das Holz der lebenden E. mit großen Gängen durchwühlende und dadurch verderbende Eichenbock (Cerambyc cerdo L.), mitunter auch einige Borken-, Pracht- und Rüsselkäfer. Unter den Schmetterlingen ist beachtenswert namentlich der Prozessionsspinner (Cnethocampa processionea L.), der mit verwandten Arten die jüngsten Triebe mit Blüten oft zerstörende Eichenwickler (Tortrix viridana L.) u. s. w. Von Aderflüglern sind besonders zu nennen die zahlreichen Gallwespen (Cynips), welche die wirtschaftlich teilweise recht wertvollen Gallen erzeugen; gewisse Formen der letztern nennt man Knoppern. - Die E. haben von jeher bei allen Völkern, so schon im Altertum bei den Persern und Israeliten, in hohem Ansehen gestanden; bei den Griechen und Römern waren sie dem Jupiter geheiligt. Bei den Kelten spielte namentlich die auf E. schmarotzende Mistel (s. d.) in der Heilkunde der Druiden eine hervorragende Rolle. In Eichenhainen verehrten bekanntlich auch unsere heidn. Vorfahren ihre Götter; desgleichen dienten