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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eis
beim Erstarren des Wassers Wärme erzeugt wird,
so gefrieren die Flüsse, Seen u. s. w. nur langsam.
Während ein Teil des Wassers zu E. wird, erwärmt
sich der andere Teil durch die erzeugte Wärme.
Ebenso kann das Auftauen großer Eismassen wegen
des gewaltigen Wä'rmeverbrauchcs nur langsam
durch die Sonne bewirkt werden. Die Verheerungen
durch Überschwemmungen würden bei geringerer
Schmelzwärme, wie Black bemerkt hat, noch viel
furchtbarer sein, als es ohnehin der Fall ist.
Durch genaue Beobachtung der Vorgänge beim
Eisschmelzen und Frieren ist Black zur Vorstellung
der latenten Wärme (s. Latent) geführt worden.
Wenn ein Fläschchen mit Wasser von 0° 0. in einem
warmen Raume von 30° 0. in einer Viertelstunde
5° (^. annimmt, so braucht ein Fläschchen mit der
gleichen Gewichtsmenge E. in demselben Raume
sechzehn Viertelstunden zum vollständigen Schmelzen.
Hieraus sowie aus den erwähnten Mischungsver-
suchen fand Black die Schmelzwärme des E. zu
80 Kalorien. Bei aufmerksamer Beobachtung sieht
man die an einem frei aufgehängten Eisstück herab-
steigenden kalten Luftströme, denen das E. Wärme
entzieht, ohne sich doch selbst zu erwärmen. - Der
Gefrierpunkt des E. läßt sich durch großen Druck, der
die Volumcnverminderung beim Schmelzen beför-
dert, herabsetzen. W. Thomson (1850) und Mousson
(1858) haben durch sinnreich eingerichtete Versuche
dargcthan, daß in der That E., bei einer Tempera-
tur unter 0° 0., durch einen sehr hohen Druck wie-
der tropfbar flüssig wird. Ja Mousson hat gezeigt,
daß Wasser unter einem Drucke von etwa 13000
Atmosphären bei 18" O.Kälte noch flüssig bleibt. Der
Umstand, daß zusammengedrücktes E. schon unter
0° ô. flüssig wird, bewirkt die Regelation oder
das Aneinandcrfricren von Eisstückcn, die gegen-
einander gepreßt werden. Hierbei schmelzen näm-
lich die Eisstücke in ihren Berührungspunkten; das
so sich ergebende, unter 0" 0. kalte Schmelzwasser
entweicht in die zwischen den Eisstücken befindlichen
Fugen, entzieht sich dadurch dem Druck und wird
folglich wieder fest. In solcher Weise können daher
Eisstücke durch die bei ihrer Zusammendrückung ent-
stehenden Brüche, Verschiebungen der Eistrümmer
und durch das Wiedergefrieren des Schmclzwassers
in Formen so gepreßt werden, als ob das E. pla-
stisch wäre. Daß aber nicht wahre Vildsamkeit beim
E. vorhanden ist, zeigen anderweitige Versuche, nach
denen das E. zwar eine gro'f-ere Tragfestigkeit und
auch etwas Elasticität und Biegsamkeit besitzt, sich
jedoch unter gewöhnlichen Umständen gegen aus-
giebigere spannende sowie dehnende Kräfte als
spröde zeigt. Die Negclation des E. wurde zuerst
(1850) von Faraday zur Sprache gebracht und seit-
dem besonders von Tyndall, den beiden Thomson,
Helmholtz u. a. studiert und verschieden ausgelegt.
Aus dem erwähnten eigentümlichen Verhalten des
E. bei hohem Druck erklärt sich die Geschmeidigkeit,
mit der das vermöge seiner schwere langsam ab-
wärts gleitende Gletschereis die Formen der Thäler
ausfüllt, sich denselben anpaßt und dabei langsam
(30-60 cin für den Tag) abflieht, über Erhöhungen
wegschreitet, von steilen Wänden abstürzt und dann
am Fuße derselben wieder als ganzes Gletschereis
abermals abwärts rutscht. Heftigere Kälte giebt
dem E. größere Festigkeit; das E. der Polarländcr
läßt sich kaum mit dem Hammer zerschlagen.
Mit der Bildung des E. in Seen und rubia,
fliehenden Gewässern verhält es sich eigentümlich.
Es erkalten nämlich die obersten Teilchen zuerst,
sinken, da sie dichter sind, unter, während wär-
mere, also minder dichte Teilchen sich erheben. Und
so erkaltet die ganze Masse durch eine "Strömung"
der Wasserteilchen. Ist in solcher Weise alles
Wasser auf > 4° (I abgekühlt, fo erreicht es seine
größte Dichte und jene Strömung hört auf. Er-
kaltet die obere Schicht unter > 4" 0., fo fängt sie
an, sich wieder auszudehnen, und sinkt nicht mehr
zu Boden. Bei fortdauernder Abtühlung bildet
sich endlich eine Eisdecke. In sehr rasch strömen-
den Gewässern wird das Wasser durch die mechan.
Strömung gemischt, und die erste Krystallbildung
des E. beginnt an dem Boden und an den Ufern,
weil da die Bewegung des Wassers wegen der Rei-
bung am langsamsten ist, mithin die Eisbildung am
wenigsten stört, und ferner weil durch die Rauhig-
keit des Bodens und der Ufer das Ansetzen der Eis-
krystalle am meisten begünstigt wird. Vom Boden
reißt die Strömung das Grund eis (in Hamburg
"Siggeis") nach oben. Es bildet sich schwimmendes
Treibeis (s.d.), das endlich zur Eisdecke wird. Das
Grundeis bildet lockere Eismassen, die zuweilen
Schlamm und Kies u. dgl. mit sich führen und da-
von ein fchmutzig graues Aussehen gewinnen. Das
Vorhandensein des Grundeises wurde zuerst von
Plot (1705) zur Sprache gebracht, und seitdem
vielseitig (Hales 1731, Hugi 1827, Strehlke 1832,
Arago 1833 u. a.) studiert.'
Meerwasser und überhaupt Salzwasser erfordert
zum Gefrieren eine größere Kälte als reines Wasser,
und es scheidet bei der Unterkühlung, solange solche
Lösungen schwach sind, reines E. aus. Dieser Um-
stand wird in kalten Regionen benutzt, sowohl um
aus dem erhaltenen E. durch Schmelzen ein trink-
bares Wasser zu erhalten, als auch um durch frak-
üoniertes Ausfrieren eine immer konzentriertere
^alzsole herzustellen, aus der dann bei einer be-
stimmten tiefern Temperatur das Salz heraus-
kristallisiert. Als Anhaltspunkt, ob E. oder Salz
bei der Uuterkühlung ausgeschieden wird, dient,
daß immer jener Körper herauskrystallisiert, der
austreten muß, damit die Lösung für eine bestimmte
niedere Temperatur weder unter- noch übersättigt,
sondern gerade gesättigt erscheine. Über die Er-
niedrigung des Gefrierpunktes beim Wasser in Salz-
lösungen wurden in jüngerer Zeit eingehendere
Studien gemacht (Dufour 1860, Rüdorf seit 1861,
Pfaundler 1876 u. a.). In ähnlicher Weise, wie aus
Salzlösungen sich reines E. ausscheidet, geschieht
dies auch aus schwachen alkoholhaltigen Flüssig-
keiten (Wein, Branntwein), und ebenso aus gefärb-
ten Flüssigkeiten. Aus gashaltigem Wasser tritt
beim Gefrieren des letztern das Gas blasensörmig
aus. Um die Temperatur des E. und Schnees herab-
zusetzen und dieselben dadurch in wärmerer Luft
haltbarer zu machen, vermischt man dieselben mit
Koch- und andern Salzen. Indem ein Teil dieser
Mischung sich auflöst, entsteht für diese Verflüssi-
gungsarbeit ein Wärmeverbrauch, durch den die
Temperatur derselben bedeutend herabgesetzt wird.
(S. Lösungswärme.)
Die Verbreitung des E. auf der Erde ist ab-
hängig von den innerhalb gewisser Grenzen wechseln-
den klimatischen Zuständen ihrer Oberfläche. In der
Nähe der Kältepole, die aber nicht genau mit den
geogr. Polen zusammenfallen, und in Gebirgen, die
eine gewisse, nach ihrer Lage verschiedene Höhe über-
steigen, giebt es Cismasscn, die nie vollständig