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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahnbeiräte
Staatseisenbahnen an. Die Vezirkseisenbahn-
räte, bestehend bei den Eisenbahndirektionen zu
Altona, Berlin, Vreslan, Vrombcrg, Erfurt, Frank-
furt a. M., Hannover, Magdeburg und Köln, an
letzterm Orte gemeinschaftlich für die beiden Direk-
tionen von Köln und die Direktion in Elbcrfeld,
werden aus Vertretern des Handelsstandes, der
Industrie, der Land- und Forstwirtschaft zusammen-
gesetzt und müssen von den betreffenden Staats-
eisenbahndirektionen in allen die Verkehrsinteressen
ihres Bezirks berührenden wichtigen Fragen, nament-
lich aber in Fahrplan- und Tarifangelegenheiten
(s. Eisenbahnfahrpläne und Eisenbahntarife) gehört
werden. Der Landeseisenbahnrat besteht aus
einem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter, die
vom König, und zwar auf die Dauer von .8 Jahren,
ernannt werden, aus zehn von den Ministern der
öffentlichen Arbeiten (2), der Finanzen (2), für
Handel (3) und für Landwirtschaft (3) für die
Dauer von 3 Jahren berufenen Mitgliedern, die
nicht unmittelbare Staatsbeamte sein dürfen, end-
lich aus zusammen 30 Vertretern der verschiedenen
Provinzen und der Städte Berlin und Frankfurt
a. M. Die letztern Mitglieder werden durch die
Bezirkseiscnbahnräte aus den Kreifen der Land-
und Forstwirtschaft, der Industrie oder des Handels-
standes innerhalb der betreffenden Bezirke gewählt.
Dem Minister der öffentlichen Arbeiten ist es vor-
behalten, aufter diesen ständigen Mitgliedern in ge-
eigneten Fällen noch besondere Sachverständige bei
den Beratungen behufs Auskunftsertcilung zuzu-
ziehen. Der Landeseifenbahnrat, der auch einen
aus seinem Vorsitzenden und vier Mitgliedern be-
stehenden ständigen Ausschuß zur Vorbereitung
seiner Beratungen bestellt, muß mindestens zweimal
jährlich nach Berlin berufen werden. Ihm sind zur
gutachtlichen Äußerung vorzulegen: die dem Ent-
wurf des Staatshaushaltsetats beizufügende Über-
sicht der Normaltransportgebühren für Personen
und Güter; die allgemeinen Bestimmungen über
die Anwendung der Tarife, die Anordnnngen wegen
Zulassung oder Vcrsagung von Ausnahme- und
Differentialtarifen (f. Eisenbahntarife) sowie An-
träge auf allgemeine Änderungen der Vetriebs-
und Vahnpolizeireglements (s. d. und Eisenbahn-
Verkehrsordnung , Eisenbahn - Betriebsordnung),
soweit sie nicht technische Bestimmungen betreffen.
Außerdem kann der Minister der öffentlichen Arbei-
ten in wichtigen, das öffentliche Verkehrswesen be-
rührenden Fragen Gutachten von dem Landeseisen-
bahnrat verlangen. Die Verhandlungen des Landes-
eisenbahnrates, ebenso wie die darauf von dem Mi-
nister der öffentlichen Arbeiten getroffenen Entfchei-
dungen werden von lctzterm dem Landtag vorgelegt.
Die Eisenbahnrätc in Bayern (Verordnung vom
16. März 1881), S ach scn (Verordnung vom 9. Juli
1881), Baden (Verordnung vom 4. Nov. 1880),
Hessen (Verordnung vom 5. Juli 1881) und M c ck-
lenburg-Schwerin (Verordnung vom 12. Mai
1890) und der Beirat der Verkchrsanstaltcn in
Württemberg (Verordnung vom 20.März 1881)
sind ähnlich zusammengesetzt und habcn ähnliche
Befugnisse. In Oldenburg besteht scit 1877 eine
"Freie Vereinigung zur Wahrung und Förderung der
Eisenbabnverkcchrsintcressen im Gebiete der olden-
durg. Staatsbahnen". Besondere Anordnungen der
Negierung sind nicht erlassen.
Mit den deutschen E. in sehr vielen Punkten
übereinstimmende beirätlichc Vertretungen bestehen
auch in Frankreich, Rußland, Italien, Dänemart
und Osterreich.
In Frankreich zählt das 1878 eingesetzte und
1880, 1887, 1889 und 1893 umgestaltete Ooiuit6
coQLuitatil ä68 di6iniii8 äe k6r 53 Mitglieder, und
zwar sind dies 4 höhere Beamte "von Rechts wegen"
und 49 durch den Präsidenten der Republik ernannte
Mitglieder, darunter 6 Mitglieder des Staats-
rates, ferner 19 höhere Beamte aus den Mini-
sterien und sonstigen Behörden, 8 Abgeordnete und
4 Senatoren, Mitglieder der Handelskammern von
Paris und der Departements, einzelne Mitglieder
freier wirtschaftlicher Vereine, ein Mitglied des
Ausschusses des internationalen Eisenbahnkon-
gresses, ein Arbeiter oder Angestellter einer Eisen-
bahn u. s. w. Zu den Veratungsgegenständen ge-
hören außer Tarif- und Fahrplanangelegenheiten
u. a. auch die Errichtung von Stationen und Halte-
stellen und neuerdings die Wohlfahrtseinrichtungcn
für Beamte und Arbeiter.
Der Eisenbahnrat in Rußland für die Prüfung
und unter Umständen auch für die Entscheidung
der den Bau und Betrieb und die wirtschaftlichen
Verhältnisse der russ. Eisenbahnen betreffenden An-
gelegenheiten ist 1885 eingerichtet und besteht unter
dem Vorsitz des Ministers der Verkehrsanstalten
aus 2 gewählten Vertretern der Privatbahnen,
11 höhern vom Kaiser ernannten Beamten, 4 Ver-
tretern des Handels, der Gewerbe, der Landwirt-
schaft und des Bergbaues, die von den Ministern
der Finanzen und der Krongütcr berufen werden.
Nachdem 1889 die Staatsaufsicht über das Tarif-
wcfcn der Eifenbahnen dem Minister der Verkehrs-
anstalten abgenommen und dem Finanzministcr
übertragen worden, ist auch diesem Minister ein be-
sonderer Rat für Tarifangelegenheiten und ein
Tarifausfchuh (Tarifkomitee) beigegeben. Der Tarif-
rat (für die allgemeinen Tarifangelegenheiten) setzt
sich unter dem Vorsitz des Ministers aus dessen Ge-
hilfen, den Direktoren der Abteilungen für Eifen-
bahnangelegenheiten, für Handel, für Gewerbe, aus
2 Mitgliedern des Verkehrsministeriums, je einem
Mitglied der Reichskontrolle, der Ministerien der
Finanzen, der Domänen und des Innern, 3 Ver-
tretern der Landwirtschaft, 2 Vertretern von Handel
und Gewerbe, einem Vertreter des Hüttenwesens
und drei Vertretern der Privatbahnen zusammen.
Der Tarifausschuß (für befondere Tarifangelegen-
heiten) besteht aus dem Direktor der Abteilung für
Eisenbahnangelegenheiten als Vorsitzendem und aus
5 höhern Beamten (Mitgliedern anderer Ministerien
und der Reichskontrolle).
In Italien ist durch königl. Verordnung ein
Rat für Eiscnbahntarifangelegenheiten 1886 ge-
bildet, bestehend aus 29 Mitgliedern - der Mehr-
zahl nach höhere Beamte - unter dem Vorsitz des
Ministers der öffentlichen Arbeiten. Hiervon werden
7 Mitglieder, als Vertreter der Vetriebsgefellschaften
und Privatbahnen von diesen und 6 Mitglieder von
den Vertretern der Landwirtschaft, des Handels und
der Gewerbe gewählt.
Dänemark besitzt seit 1886 einen Eiscnbahnrat
von 23 Mitgliedern, die auf Vorschlag der wirt-
schaftlichen Körperschaften vom Minister des Innern
ernannt werden zwecks beratenden Znsammenwir-
kens mit der Direktion der Staatsbahncn bci Be-
handlung wichtiger, den Staatsdahndctricb be-
treffender Fragen, insbesondere der Fahrplan- und
Tarifangelegenheiten.