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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahnfahrgeschwindigkeit
wärts zu treiben, desto mehr vorsehen, als die einseitig aus das Fährschiff wirkende Stromgeschwindigkeit stets die Kette bogenförmig auszulegen sucht. Man hat hier zunächst statt der Ketten Drahtseile benutzt und von diesen ein stärkeres von 46 mm Durchmesser als Leitseil und ein schwächeres von 29 mm als Treibseil angeordnet. Das über zwei seitliche Führungsrollen des Fährschiffs gebende Leitseil ist etwa alle 38 m durch stromaufwärts im Grunde befestigte Ankertaue, die durch hakenartige Klauen das Seil angreifen und trotzdem den Übergang über die Führungsrollen gestatten, gehalten. Das stromaufwärts liegende Treibseil ist über zwei auf dem Schiffe befindliche und durch eine kleine Dampfmaschine zu treibende Seilscheiben von 2,51 m Durchmesser geschlungen und, wie auch das Leitseil an den Ufern, durch Gewichte gespannt. Die großartigste Fähre dieser Art in Europa besitzt die Alföld-Fiumaner Bahn (ungar. Staatsbahn von Großwardein nach Esseg und Villány) bei Erdöd zur Überschreitung der Donau; das Fährschiff ist 88,5 m lang und faßt 8 Personen- oder 10 Güterwagen. - Vgl. M. M. von Weber, Schule des Eisenbahnwesens (4. Aufl., Lpz. 1885).
Eisenbahnfahrgeschwindigkeit, die Geschwindigkeit, mit der die Eisenbahnzüge (s. d.) fortbewegt werden. Die E. ist abhängig von der Gestaltung der Eisenbahn, d. h. davon, ob diese stärkere oder schwächere Steigungen und Krümmungen hat, sowie von der Art und Zusammensetzung der fahrenden Züge und der Beschaffenheit der die Züge fortbewegenden Lokomotiven. Die in schnellfahrenden Zügen einzustellenden Fahrzeuge müssen in durchaus gutem Zustande sein, sie müssen sämtlich auf Federn ruhen, mit elastischen Zugvorrichtungen und mit elastischen Puffern versehen sein. Diese Züge dürfen ferner nicht zu schwer sein, d. h. sie dürfen nicht zu viel Wagen enthalten, und müssen thunlichst mit durchgehender, vom Lokomotivführer zu handhabender Bremse versehen sein. Nach der neuen "Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen Deutschlands" vom 5. Juli 1892, die an Stelle des "Bahnpolizeireglements für die Eisenbahnen Deutschlands" vom 30. Nov. 1885) (s. Bahnpolizei) am 1. Jan. 1893 in Kraft getreten ist (s. Eisenbahn-Betriebsordnung), darf die Fahrgeschwindigkeit niemals diejenigen Grenzen übersteigen, welche für die einzelnen Lokomotiven je nach ihrer Bauart festgesetzt sind, der in den Zügen vorhandenen Anzahl der zu bremsenden Wagenachsen (s. Eisenbahnbremsen) entsprechen und durch die Besonderheiten der einzelnen Bahnstrecken geboten sind. Die Erfüllung dieser Bedingungen vorausgesetzt, ist als größte zulässige Fahrgeschwindigkeit in der Stunde anzunehmen: für Personenzüge ohne durchgehende Bremse 60 km, mit durchgehender Bremse 80 km; für Güterzüge 45 km; für Arbeitszüge (zur Kies-, Schienen- u. s. w. Beförderung) 30-45 km. Unter besonders günstigen Verhältnissen kann für Personenzüge mit Genehmigung der Landesaufsichtsbehörden (s. Eisenbahnbehörden) eine größere Geschwindigkeit, bis zu 90 km in der Stunde zugelassen werden. Unter gleichen Voraussetzungen dürfen Güterzüge bei einer Zugstärke bis zu höchstens 100 Wagenachsen mit einer Geschwindigkeit von 50 km, bis 80 Wagenachsen mit 55 km und bis 60 Wagenachsen mit 60 km Geschwindigkeit in der Stunde befördert werden. Auf Bahnstrecken, welche stärkere Steigungen als 1:400 und Krümmungen von weniger als 1000 m Halbmesser haben, muß die Fahrgeschwindigkeit angemessen verringert werden. Züge, an deren Spitze die Lokomotive mit dem Tender voranfährt, oder die durch Lokomotiven befördert werden, deren sämtliche Achsen vor der Feuerbüchse liegen und die nicht mit Vorrichtungen zur Verhütung des bei dieser Anordnung stattfindenden starken Schwankens und "Schlingerns" versehen sind, dürfen nicht" schneller als 45 km in der Stunde fahren. Züge, die von einer Lokomotive geschoben werden, ohne daß sich an ihrer Spitze eine führende Lokomotive befindet, dürfen höchstens mit einer Geschwindigkeit von 25 km in der Stunde fahren. Die größte Geschwindigkeit einzeln (leer) fahrender Lokomotiven darf, abgesehen von Probefahrten, für die keine Beschränkung stattfindet, 50 km in der Stunde nicht überschreiten; jedoch können je nach der Art der Lokomotiven mit der ausdrücklichen Genehmigung der Aufsichtsbehörde auch größere Fahrgeschwindigkeiten gestattet werden. Für jede einzelne Lokomotive ist nach Maßgabe ihrer Bauart die größte zulässige Fahrgeschwindigkeit vorzuschreiben und an der Lokomotive anzuzeichnen.
In England werden einzelne Schnellzüge zwischen größeren Städten mit großer Geschwindigkeit befördert. Zu den schnellsten Zügen gehört ein Zug von London nach Edinburgh (der sog. fliegende Schotte, Flying Scotchman), der zum Durchfahren der 642 km betragenden Entfernung zwischen beiden Städten, einschließlich der Aufenthalte auf den Zwischenstationen, 510 Minuten braucht, durchschnittlich also 75,5 km in der Stunde zurücklegt. In Deutschland verkehren gegenwärtig die schnellsten Züge auf der Strecke Berlin-Wittenberge-Hamburg; dieselben legen die 286 km lange Strecke einschließlich des Aufenthaltes in 218 Minuten zurück, werden also mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 78,6 km in der Stunde befördert und übertreffen somit noch den fliegenden Schotten. In Nordamerika wird auf einzelnen, im Osten gelegenen, im guten Zustande befindlichen Eisenbahnen ebenfalls mit großer Geschwindigkeit gefahren. So verkehrt z. B. auf der Neuyork-Central- und Hudson-River-Eisenbahn seit 28. Okt. 1891 ein besonders schneller Zug, der "Empire State Expreßzug", der die 439,0 engl. Meilen (707,3 km) lange Strecke von Neuyork über Albany und Syracuse nach Buffalo in 8 Stunden 40 Minuten, also mit einer durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit von rund 84 km in der Stunde zurücklegt. Probezüge einzelner Bahnen haben noch viel größere Geschwindigkeiten, bis zu 92 engl. Meilen (148 km) in der Stunde erreicht. Auf der großen Mehrzahl der amerik. Bahnen, besonders im Westen, beträgt die Fahrgeschwindigkeit nur 25-50 km in der Stunde. Auch auf den russ., ital. und span. Eisenbahnen wird nur mit geringer Geschwindigkeit gefahren.
Bei der Vergleichung verschiedener E. dürfen übrigens nicht die wirklichen Längen der betreffenden Strecken in Betracht gezogen werden, es müssen vielmehr die virtuellen Längen eingesetzt werden, unter denen man diejenigen Längen versteht, in denen die Neigungs- und die Krümmungsverhältnisse durch entsprechende Zusätze zu den wirklichen Längen berücksichtigt sind.
Aus umstehender Übersicht ist die durchschnittliche Geschwindigkeit zu entnehmen, mit der die Schnellzüge in den Hauptländern des europ. Festlandes im Sommer 1890 in der Stunde gefahren sind.