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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Eisenbahntarife
billigsten Normalklasse des Spccialtarifs IH für
geringwertige Rohstoffe derIndustrie und der Land-
wirtschaft, namentlich der Brennmaterialien (Stein-
kohlen, Braunkohlen, Brennholz, Torf), Erze, Erden,
Düngemittel, Kartoffeln und Rüben. Auf denpreuß.
Staats bahnen ist für die vier letzten Artikel ein
allgemeiner Ausnahmetarif mit billigern Sätzen,
namentlich auf weitere Entfernungen durchgeführt
worden, während von der Ausdehnung desselben
auf Brennmaterialien und Erze bisher hat abgesehen
werden müssen. Es ist aber 1. Mai 1893 ein be-
sonderer Ausnahmetarif für Erze und Koks zum
Hochofenbetriebe eingeführt worden. Auf den preuß.
Staatsbahnen bestand ferner seit 1. Sept. 1891 für
die Beförderung von Getreide und Mühlenerzeug-
nissen auf größere Entfernungen ein billiger Aus-
nahmetarif (Staffeltarif), gegen dessen Bei-
behaltung aus Kreisen der mittel-, wcst- und süd-
deutschen Gebiete indes teilweise Einspruch erhoben
wurde, weil man von der gewährten Frachtermäßi-
gung eine Beeinträchtigung der eigenen Interessen,
insbesondere eine Benachteiligung des heimischen
Marktes befürchtete. Infolgedessen hat sich die prcuß.
Regierung gelegentlich der Verhandlungen im Reichs-
tage über den deutsch-russ. Handelsvertrag zur
Aushebung des Staffeltarifs zum 1. Aug. 1894 ent-
schlossen.
Wie für den Güterverkehr besteht auf den deut-
schen Eisenbahnen ein einheitliches Tarifschema auch
sür die Beförderung von Leichen, Fahrzeugen
und lebenden Tieren. Der Tarif ist u. d. T.
"Deutscher Eiscnbahntarif für die Beförderung vmj
Leichen,Fahrzeugen und lebenden Ticren,Teil1" her-
ausgegeben und wie der Gütertarif 1. Jan. 1893 in
neuer Bearbeitung erschienen. Hinsichtlich des Per-
sonen-und Gepäckverkchrs erstreckt sich die Zuständig-
keit der Generalkonferenz nur auf die allgemeinen
Tarifvorfchriftcn und die allgemeinen Zusatzbestim-
mungen zur Eisenbahn-Verkchrsordnung. Die von
der Generalkonferenz für diesen Verkehr beschlossenen
einheitlichen allgemeinenVestimmnngensind I.April
1894 u. d. T. "Deutscher Eisenbahn-Personen- und
Gepäcktarif, Teil I", veröffentlicht worden.
Über die Mitwirkung der wirtschaftlichen Beiräte
in Tarifangelegenheiten s. Eisenbahnbeiräte.
In O st erreich-Ungarnsinden sich Vorschriften,
betreffend das Tarifwefen, in den allgemeinen Be-
stimmungen über das bei den Eisenbahnen zu be-
obachtende Konzessionssystem vom 29. Dez. 1837
und 18. Juni 1838, in der Eisenbahn-Betriebsord-
nung vom 16. Nov. 1851, in dem Eisenbahnkon-
zessionsgesetz vom 14.Sept. 1854, dem gemeinsamen
Gesetze vom 24. Dez. 1867 und 27. Juni 1878, in
dem provisorischen übereinkommen in betreff der
Eisenbahnen vom 29. Juli und 21. Aug. 1868, end-
lich in dem Betriebsrcglement (s.d. und Eisenbahn-
recht Nr. II, 3, Eisendahnverein, Eisenbahn-Ver-
kehrsordnung). 1876 haben die östcrr.-ungar. Bah-
nen mit Ausnahme der Südbahn ein einheitliches
Tarifsystcm und eine gemeinsame Klassifikation, den
sog. Reformtarif, vereinbart, welcher in einem ge-
meinsamen Teil I der Tarife (neueste Ausgabe vom
1. Jan. 1893) aufgenommen worden ist und sich
ganz ebenso wie der deutsche Tarif auch auf die
Beförderung von Leichen, Fahrzeugen und leben-
den Tieren erstreckt.
Der Reformtarif ist folgendermaßen zusammen-
gesetzt: 1) Eilgut: a. normal, d. ermäßigt für be-
stimmte Artikel, hauptsächlich Lebensrnittel, c er-
mäßigt für gebrauchte Emballagen; 2) Frachtgut:
I. Stückgutklasse (Normalklasse), II. Stückguttlasse.
Ermäßigte Wagenladungsklasse ^V,L und (^; Special-
tarife 1, 2 und'3. Für sperrige Güter, Gold- und
Silberbarren, Geld und sonstige Wertsachen, explo-
dierbare Gegenstände und solche von mehr als 6,3 m
Länge, Kähne, Boote u. s. w., endlich Ausstellungs-
güter gelten besondere Tarifbestimmungen und
Frachten. Außerdem bestehen bei den einzelnen Ver-
waltungen für bestimmte Artikel und Verkehrsbc-
ziehungen zahlreiche Ausnahmetarife.
Der Neformtarif stellt sich in: wesentlichen dar
als ein Wertklassifikationstarif, der indes in einigen
Pnnkten Grundsätze des Wagcnraumsystems an-
genommen hat. Insbesondere zeigt sich dies durch
die Forderung der Aufgabe von 100001(F für einen
Frachtbrief und Wagen bei den Wagenladungs-
tlassen L, (^ und den Spccialtarifen/sowie durch
die Möglichkeit des Zusammenladens verschiedener
Wagenladungsgüter. Die in den deutschen Resorm-
tarif aufgenommenen allgemeinen Wagcnladungs-
klassen und die Möglichkeit der Aufgabe von Stück-
gütern als Wagenladungen fehlt dagegen und die
Klassifikation ist auch bei Eil- und Stückgut auf-
recht erhalten.
Die Einheitsfätze der österr.-ungar. Bahnen sind
durchgehends nach dem Staffelfyftem gebildet, aber
fast für jede Bahn verschieden in der Höhe und in
den Anordnungen der Staffeln. Ebenso verhält es
sich mit den Manipulationsgebühren, dagegen sind
die übrigen Nebengebühren einheitlich festgesetzt.
Eine mehr gemeinwirtschaftliche Tarifpolitik ver-
folgen die österr. und ungar. Staatsbahnen, bei
erftern besteht auch seit dem 1. Aug. 1884 ein Staats-
eisenbahnrat und ein aus diesem gebildeter ständiger
Beirat. (S. Eisenbahnbeiräte.)
Die österr. und ungar. Staatsbahnen haben auch
seit dem 1. Juli bez. 1. Jan. 1891 sehr ermäßigte
sog. Zonentarife zur Einführung gebracht, welche
aber in Wirklichkeit Staffeltarife find, indem die
Bezeichnung Zonentarif sich nur daraus gründet,
daß man statt nach Kilometern nach 10 km als Ein-
heit rechnet. Die Übersicht ^ auf S. 901 giebt die
Sätze des österreichischen Staatsbahntarifs von
1891 sowie (in Klammern beigefügt) die 15. Juli
1892 zum Teil wieder abgeänderten, meist erhöhten
Sätze in Kreuzern für 100 KZ und 1 km an.
Der Ausnahmetarif 1 hat diefelben Sätze wie
Specialtarif3 und umfaßt Asche, Cichorienwurzeln,
Kartoffeln, Heu und Stroh, Holz, Kohlen und Koks,
Lohe, Zuckerrüben. Er kommt bei Frachtzahlung
für mindestens die Tragfähigkeit des verwendeten
Wagens zur Anwendung; desgleichen der Aus-
nahmetarif 2, der eine Anzahl Abfälle und Roh-
produkte enthält. Außerdem sind noch zu erwäh-
nen der Ausnahmetarif 3 bei Aufgabe von Eil-
gütern im Gewicht von 5000 bez/10000 kx in
einem Wagen, und der Ausnahmetarif 4 für Güter
der Klaffen 1 und 2 bei Aufgabe in Mengen von
5000 bez. 10000 kx, sowie für die bei Aufgabe
von 10000 1cZ in Klasse ^ eingereihten Güter in
Mengen von 10000 1<3 in einem Wagen, wodurch
sowohl den Eilgütern als den Gütern der Klassen 1,
2 und ^ bei Aufgabe in größern Mengen erheb-
liche Ermäßigungen gewährt werden.
Die Übersicht 15 auf S. 901 gicbt die Einheitssätze
des ungarischen Staatsbahntarifs nach der neue-
sten Ausgabe vom 1. Febr. 1892 in Kreuzern für
100 1cZ und 1 km an.