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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Elektrodynamik

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Elektrodynamik

E.

Elektrodynamik (grch.), ein Ausdruck, der eigentlich im Gegensatze zu Elektrostatik (s. d.) gebraucht werden sollte, um die Lehre von den Wirkungsgesetzen der dynamischen (bewegten) Elektricität, der elektrischen Ströme, zu bezeichnen. Gewöhnlich versteht man jedoch unter E. nur jenen Teil der dynamischen Elektricitätslehre, der die gegenseitige Einwirkung elektrischer Ströme untereinander oder zwischen elektrischen Strömen und Magneten behandelt. Nachdem es sich gezeigt hatte, daß Ströme auf bewegliche Magnete und auch Magnete auf bewegliche Stromleiter wirken, wobei die Stromleiter magnetische Eigenschaften aufweisen, lag der Gedanke nahe, daß auch bewegliche Ströme aufeinander wirken würden. In der That fand Ampère Anziehungs- und Abstoßungserscheinungen zwischen beweglichen Stromleitern (1820-26). Es kam hierbei zunächst darauf an, verläßliche Erfahrungsgesetze zu gewinnen. Zu diesem Behufe ersann Ampère ein Verfahren, die Stromleiter leicht beweglich aufzuhängen und andere elektriscke Ströme in passender Weise darauf wirken zu lassen.

^[Fig. 1.]

Ein derartiges Ampèresches Gestell (s. nachstehende Fig. 1) besteht aus zwei voneinander isolierten Metallstäben, in deren Quecksilbernäpfchen zunächst rechteckige Rahmen aus Kupfer oder aus dem specifisch leichtern Aluminiumdraht derart eingehängt werden, daß sie sich frei drehen können. Verbindet man nun je einen der Drahtträger mit einem der Pole einer Voltaschen Kette und stellt dem nunmehr elektrisch durchströmten Drahtgehänge einen andern festen, elektrisch durchströmten Draht in paralleler oder gekreuzter Lage entgegen, so verrät jenes Drahtgehänge durch seine Drehung, je nach den Bedingungen, elektrische Anziehung oder Abstoßung. In solcher Weise stellte Ampère (dem andere auf verschiedenen Wegen folgten) fest: 1) Parallele gleichgerichtete Ströme ziehen einander an. 2) Entgegengesetzt gerichtete parallele Ströme stoßen einander ab. 3) Sind zwei Ströme gleichzeitig gegen den Scheitel eines Winkels gerichtet oder kommen beide von dem Scheitel des Winkels, so ziehen sie sich an. 4) Geht ein Strom gegen den Scheitel eines Winkels, ein anderer von dem Scheitel des nämlichen Winkels, so stoßen sich diese beiden Ströme ab.

^[Fig. 2.]

In sehr einfacher Weise läßt sich die Anziehung paralleler Ströme derselben Richtung zeigen, wenn man eine schlaffe Spirale aus Kupferdraht (s. beistehende Fig. 2) in einen Stromkreis lotrecht so einschaltet, daß die untere Spitze in Quecksilber taucht. Infolge der gegenseitigen Anziehung der gleichgerichteten parallelen Stromwindungen verkürzt sich die Spirale derart, daß ihre untere Spitze aus dem Quecksilber gezogen, mithin der elektrische Strom unterbrochen wird. Sobald dies geschehen ist, senkt sich jene Drahtspitze - vermöge des Gewichts der am untern Ende wirkenden kleinen Kugel - wieder in das Quecksilber, und das Spiel beginnt von neuem u. s. w. In solcher Weise ist hier der obige Satz 1 angewendet, um einen selbstthätigen Stromunterbrecher zu erhalten. Aus 3 und 4 folgt: Zwei geradlinige, gekreuzte Ströme streben sich parallel zu stellen. Und weil jeder Punkt eines geradlinigen Stroms sich als der Scheitel eines auf 180° gestreckten Winkels ansehen läßt, so ergiebt sich aus obigem Satz 4: Die Teile eines und desselben geradlinigen Stroms stoßen einander ab. Bezüglich der Intensität der gegenseitigen Einwirkung fand Ampère: Die Stärke der gegenseitigen Einwirkung zweier paralleler Stromelemente verhält sich gerade wie das Produkt der Stromstärken, wie die Längen der Stromteile und umgekehrt wie das Quadrat ihres Abstandes. Aus den elektrodynamischen Grundgesetzen lassen sich Notationen von beweglichen begrenzten Stromleitern unter Einfluß von festen in sich zurücklaufenden Stromleitern theoretisch ableiten und erfahrungsweise erhärten. Auch zwischen elektrischen Strömen und Magneten jeder Art bestehen Wechselwirkungen. (S. Elektromagnetismus und Elektromagnetische Rotation.) Um diese besser zu verstehen, nehmen wir mit Ampère (1820-21) an, daß jeder Magnet sich als ein Eisenstab auffassen läßt, bei dem jedes Molekül von einem elektrischen Strom beständig umkreist wird. Wenn alle diese Molekularströme eines jeden Querschnittes des Eisenstabes zueinander parallel und in derselben Richtung laufen (Fig. 3), so erscheint jener Stab auf das höchste magnensiert. Wenn dagegen jene Molekularströme teilweise oder gar alle von jener gleichgerichteten, gegenseitigen, parallelen Lage abweichen, so heben sie sich in ihrer magnetisierenden Wirkung auf die Eisenmoleküle zum Teil oder gänzlich auf, weshalb dann der Eisenstab nur schwach