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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Erdbeere

selben ist die Monatserdbeere (Fragaria semperflorens Heyne), fälschlich Alpenerdbeere genannt (s. Tafel: Beerenobst, Fig. 9). Sie ist die einzige E., die den ganzen Sommer blüht und fruchtet.

2) Die Moschuserdbeere (Fragaria elatior Ehrh.). Sie hat einen viel beschränktem Verbreitungsbezirk als die vorige Art, ist aber in Mitteleuropa ziemlich gemein. Die Blatt- und Blütenstiele sind, wie auch die Blätter oben und unten, weich behaart. Die Frucht (s. Tafel: Beerenobst, Fig. 8) ist ziemlich groß, spitz und stumpfkantig, reich und moschusartig gewürzt. Wildwachsende Pflanzen werden durch Fehlschlagen des einen oder des andern Geschlechts oft zweihäusig und darum unfruchtbar. In den Gärten jedoch, in denen eine größere Anzahl von Individuen dieser Art und anderer, stets zwitteriger Art nebeneinander kultiviert zu werden pflegt, ist die Befruchtung fast immer gesichert und die Moschuserdbeere fruchtbar. Ihre verbreitetste Kulturform ist die Vierlander E.

3) Die Virginische oder Scharlacherdbeere (Fragaria virginiana Ehrh.) ist in Nordamerika zu Hause und wurde erst in der Mitte des 17. Jahrh. in Europa eingeführt. Die Blattstiele sind mit abstehenden weichen Haaren besetzt, die Blätter auf der obern Fläche glatt, die Frucht (s. Tafel: Beerenobst, Fig. 10) groß und schön. Diese ausgezeichnete Art hat entweder aus dem Wege natürlicher Wandlung oder infolge einer Kreuzung mit andern Arten, vorzugsweise mit der folgenden, viele Varietäten hervorgebracht.

4) Die Chile-Erdbeere (Fragaria chilensis Molin.), eine andere amerik. Art, unterscheidet sich durch die Größe der Blätter und der Blüten, wie auch die Größe der Frucht, welche bei einigen ihrer Spielarten das Volumen eines mittelgroßen Hühnereies erreicht. Die Blätter und Blattstiele sind von abstehenden Haaren weißlich-grau. Auch sie wird durch Fehlschlagen oft zweihäusig und darum unfruchtbar, wenn sie nicht durch in der Nähe stehende Pflanzen der eigenen oder einer andern Art befruchtet wird. Sie wurde 1712 in Europa eingeführt und zunächst in Frankreich kultiviert.

5) Die großfrüchtige Garten- oder Ananaserdbeere (Fragaria grandiflora Ehrh. oder ananassa Duch.). Das Herkommen dieser E. ist nicht genau bekannt, wahrscheinlich aber ist sie eine botanische oder Gartenform der vorigen. Blätter und Blütenstiele sind mit weißen abstehenden Haaren besetzt, erstere nur auf der obern Fläche; Kelchblätter aufrecht, die Früchte (s. Tafel: Beerenobst, Fig. 11) rot oder blaßrot, von Ananasgeschmack.

Andere Arten sind für die Gartenkultur bedeutungslos, z. B. der in Mitteleuropa gemeine Bresling (Fragaria collina Ehrh.), welcher in der Hauptsache durch den der Frucht eng sich anschließenden Kelch charakterisiert ist.

Von den unter 3, 4 und 5 beschriebenen Arten stammen alle großfrüchtigen Spielarten (Sorten) der Gärten ab. Diese zählen nach Hunderten. So lange man aber nicht alle Sorten unter gleichen lokalen Verhältnissen kultiviert und jahrelang beobachtet hat, wird es immer schwer sein, die anbauwürdigsten unter ihnen herauszufinden. Als feststehend muß betrachtet werden, daß Varietäten, welche unsern veränderlichen Winter nicht ohne Schaden überstehen, oder deren Blüten oft unfruchtbar bleiben, oder deren Blätter vor oder nach der Frucht verdorren, aus den Gärten verbannt werden müssen. Ebensowenig für die Kultur sind diejenigen geeignet, welche nicht reichlich Frucht tragen, oder welche ihre Früchte auf einmal und nicht in angemessener Folge zur Reife bringen, oder die auf Kosten des Ertrags übermäßig viele Ausläufer erzeugen, oder deren Frucht kein volles, festes Fleisch besitzt.

Die Erdbeerzucht und auch die Treiberei derselben bildet einen lohnenden gärtnerischen Kulturzweig. Die E. werden durch Ausläufer vermehrt, durch Samen nur dann, wenn man neue Sorten oder von Monatserdbeeren dankbarerer tragende, weniger Ausläufer bildende Pflanzen erziehen will. Zur Anlage von Erdbeerbeeten wählt man von den an den Ausläufern entstandenen jungen Pflanzen nur die stärksten, den Mutterstöcken am nächsten stehenden. Auch sollte man sie nur von einjährigen Stöcken wählen. Die beste Zeit zur Anlage einer Pflanzung ist der Monat August, da sie dann schon im nächsten Jahre ertragsfähig ist. Die E. erfordert einen tiefgründigen, frischen (nicht feuchten), nahrhaften Boden und eine zwar freie, aber weder rauhe, noch der Mittagssonne ausgesetzte Lage. Das Gedeihen der Pflanzung wird durch Überspritzen der Beete abends bei trockner Witterung, durch mehrmalige Lockerung des Bodens, Unterdrückung des Unkrauts und dadurch, daß man die Entwicklung von Ausläufern in den nötigen Schranken hält, gefördert. Letztere werden von August bis November mit der Schere abgeschnitten, nicht abgerissen, bei welcher Gelegenheit man auch die alten Fruchtstengel und die zu unterst am Stocke stehenden alten, lebensschwachen Blätter wegnimmt. Im Frühjahr sollte man keine Ausläufer (Ranken) schneiden wollen, da sie in dieser Zeit nur sparsam auftreten und weder den Stock noch die Blüten- und Fruchtbildung benachteiligen, andererseits auch bis zum August die kräftigsten jungen Pflanzen liefern. Nach dem Schneiden muß das Erdreich nicht nur behackt, sondern auch mit gut verrottetem Rindermist oder mit der aus Mistbeeten ausgeworfenen Erde gedeckt werden, nicht nur um den Boden frisch zu erhalten, sondern auch um ihn gegen tief eindringenden Frost zu schützen. Das Deckmaterial aber wird in der zweiten Hälfte des März wieder abgeräumt und wenn möglich durch etwas guten Kompost ersetzt. Bei trockner Witterung ist fleißig zu gießen, während der Blütezeit nur mit dem Rohr und stets nur am Fuß der Pflanze, um nicht die Befruchtung zu verhindern.

Um die Früchte gegen die Berührung mit dem etwa aufgeweichten Boden zu sichern, stützt man die Pflanzen durch kleine Drahtgestelle, sog. Erdbeerhalter, oder bedeckt den Boden rings um den Stock mit Flachsschäben, Kiefernnadeln oder Lohe. Gegen die Nacktschnecken, welche die Früchte anfressen und mit ihrem Schleim beschmutzen, muß man mit allen Mitteln einschreiten. Länger als 4 Jahre sollte man keine Pflanzung erhalten wollen, da die Stöcke nach dieser Zeit immer weniger leisten und die Früchte an Größe und Güte verlieren. Wer sich eine immer reiche Ernte an guten Früchten sichern will, muß neue Beete anlegen, solange die alten noch in vollem Ertrage stehen.

Von den zahlreichen deutschen Sorten sind besonders ertragreich: frühreifende: Teutonia, Saronia, Deutsche Kronprinzessin, Helvetia; mittelfrühe: König Albert von Sachsen, eine der allerbesten Sorten, Austria, Otto Lämmerhirt und Professor Dr. Liebig; spätreifende: Bavaria und Graf Moltke. Von ausländischen Sorten: Königin Marie Hen-^[folgende Seite]