Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

265

Erfindungen und Entdeckungen

von Hypothesen und Theorien und demgemäß planmäßig angestellte Experimente gemacht.

Eine Erfindung betrifft allerdings auch immer eine Sache, die vorher dem Menschen nicht bekannt war. Aber dieselbe steht mit schon bekannten Dingen in engem Zusammenhang; sie tritt nicht als etwas völlig Neues in die Erscheinung. Es werden an bekannten Dingen Änderungen vorgenommen, sodaß man mit dem veränderten Dinge qualitativ oder quantitativ bessere Wirkungen hervorbringen kann, als mit dem bekannten. Gewisse Teile an einem materiellen Dinge oder in der Operationsfolge (dem Verfahren) zur Herstellung eines solchen werden durch andere ersetzt zur Erzielung einer neuen oder vollkommenern Wirkung.

Die Entdeckungen betreffen jedoch nicht nur die materielle Körperwelt, sondern auch abstrakte Dinge, allgemeine Gesetze, wissenschaftliche Wahrheiten, die als solche einen rein geistigen Besitz darstellen; auch die Erfindungen können auf dem rein intellektuellen, dem künstlerischen, dem philosophischen, dem moralischen Gebiete liegen. Die Rechenkunst mit Hilfe von Logarithmen ist als eine Erfindung zu bezeichnen, die Logarithmen selbst stellen eine Entdeckung dar. Man kann von der Erfindung eines Versmaßes, eines philos. Systems, einer Staatsform u. dgl. sprechen. Indessen neigt der Sprachgebrauch dazu, als Erfindungen nur Neuerungen auf materiellem Gebiete zu bezeichnen und speciell solche, welche, zur Befriedigung materieller Bedürfnisse bestimmt, eine gewerbliche Verwertbarkeit gestatten. Diese Erfindungen können einen Körper betreffen, z. B. ein Werkzeug, eine Maschine, oder ein Verfahren zur Herstellung eines Körpers. Die Substitutionen, durch welche die Erfindungen auseinander hervorgehen, können aus einer Formveränderung oder einer Stoffveränderung oder einer Veränderung in den Operationen, welche das Herstellungsverfahren ausmachen, oder aus mehrern dieser Elemente bestehen. Diesen Entwicklungen gemäß kann man die Erfindung im engern Sinn, d. h. die gewerblich verwertbare Erfindung, definieren als eine durch Substitution hervorgebrachte Neuerung an einem Mittel zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse des Menschen, welche Neuerung dieses Ziel in einer vollkommenern Weise erreicht, als es bisher möglich war.

Die ersten Erfindungen, die der Naturmensch machte, waren einfache Werkzeuge, die den Zweck hatten, die Wirksamkeit seiner Organe, namentlich des Arms und der Hand, zu verstärken. So entstand beispielsweise, nachdem der Mensch die Entdeckung gemacht hatte, daß die Wucht seines Arms durch die Benutzung eines in die Hand genommenen Steins vergrößert würde, durch besondere die Wirkung dieses Steins erhöhende Formgebung das primitive Werkzeug der Steinaxt.

Erfinden ist weder als eine Kunst, noch als eine Wissenschaft zu bezeichnen; es ist eine eigentümliche geistige Fähigkeit, welche bei dem einen stärker entwickelt ist als bei andern, bei verhältnismäßig wenigen überhaupt in beträchtlichem Maße vorkommt. Wissenschaftliche Kenntnisse, besondere Vertrautheit mit den Grundlagen, auf welchen die Erfindung erstehen kann, Konzentrierung des Verstandes auf ein zu erreichendes Ziel können für sich ohne Mithilfe der angeborenen Fähigkeit kaum zu Erfindungen führen. Große Gelehrte, Forscher und Entdecker sind nur selten große Erfinder. Die erfinderische Kraft besteht eher in einer besondern Kombinationsgabe; sie ist deshalb auch nicht im ausschließlichen Besitz besonderer Stände oder Berufsklassen.

Wenn die durch Substitution an Bekanntem erzielte Wirkung im nützlichen Sinne sehr verschieden ist von dem, was früher erreichbar war, so haben wir eine Erfindung, welche der gewerblichen Thätigkeit neue Wege öffnet. Eine große Erfindung kann hunderte und tausende kleiner Erfindungen nach sich ziehen, welche Verbesserungen an der erstern darstellen, ohne ihren ursprünglichen Charakter wesentlich zu verändern. Diese Veränderungen, Kombinationen mit bekannten Stoffen und Formen, die nach dem Vorbilde analoger Fälle hervorgebracht werden, erfordern oft nur eine sehr geringe erfinderische Thätigkeit, sie sind ein Ergebnis der gewerblichen Routine. Dennoch können solche anscheinend unbedeutende Abänderungen die Haupterfindung praktisch nützlich machen und ihr einen technischen Wert verleihen, die diese ursprünglich nicht besaß. Die Dampfmaschine in ihrer ursprünglichen Form blieb 7 Jahre lang als einziges Exemplar ohne Wiederholung, und es dauerte 30 Jahre, bis sie, mit Verbesserungen versehen, fabrikmäßig gebaut wurde.

In den meisten Staaten sind Maßregeln getroffen worden, welche dem Erfinder gestatten, den ihm gebührenden Lohn an Geld und Anerkennung zu ernten, und trotzdem den Segen seiner Erfindung der Allgemeinheit zukommen lassen. Dies wird erreicht durch Patente (s. d.), welche der Staat gegen eine mäßige Abgabe erteilt. In allen Ländern mit guter Patentgesetzgebung hat seit deren Einführung die Menge der Erfindungen ungemein zugenommen. Wenn auch viele derselben von geringem Wert sind, so kann man doch behaupten, daß die Kultur, soweit sie von Industrien und Gewerben getragen wird, niemals raschere und erstaunlichere Fortschritte gemacht hat, als unter dem Schutze der Patentgesetze. Dies wird auch aus der folgenden Tabelle ersichtlich, welche in chronol. Ordnung wichtige Erfindungen und Entdeckungen aufzählt, letztere insofern, als sie zu bedeutenden gewerblichen Erfindungen geführt haben. Manche aus dem grauen Altertum stammende Erfindungen von großer Bedeutung fehlen in der Aufzählung, wie die Darstellung des Schmiedeeisens, der Bronze, des Quecksilbers, die Erfindung des Spinnens und Webens, der Brotgärung, der Wein- und Bierbereitung.

Die folgende Tabelle reicht bis 1880; die Bedeutung der später gemachten Erfindungen ist mit Ausnahme einiger, z. B. des Mannesmannschen Röhrenwalzverfahrens, des Gasglühlichts u. a. (s. die betreffenden Artikel), noch in der Entwicklung begriffen. Über die geogr. Entdeckungen s. Reisen.

Zeit Gegenstand Urheber

um 600 v. Chr. Wasseruhr Assyrer.

um 560 Sonnenuhr Anaximander.

um 250 Flaschenzug, Schraube, Hydrostatik Archimedes.

um 100 Heber, Druckpumpe, Reaktionsrad Heron von Alexandria.

400 n. Chr. Aräometer Hypatia.

um 750 Scheidewasser (Salpetersäure), Königswasser, Höllenstein, Sublimat; Destillation, Kupellation Geber.

um 950 Vitriolöl (Schwefelsäure), Alkohol Rhases.