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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ernährung

Überschuß aufgespeichert, und es kann der Fettansatz im Körper, namentlich bei großer körperlicher Ruhe, so weit getrieben werden, daß krankhafte Fettansammlungen eintreten. Für die Gesamternährung ist noch der Umstand von großer Bedeutung, daß die Darreichung von Fetten den Eiweißumsatz verringert und der Körper bei gleichzeitiger Fett- und Eiweißzufuhr weniger Eiweiß zerstört, als wenn nur Eiweiß verzehrt wird. Fett äußert also eine eiweißersparende Wirkung.

3) Kohlenhydrate. Sie werden vorzugsweise mit der Pflanzennahrung als Stärkemehl, Zucker und Pflanzenschleime eingenommen. Im Tierkörper wie in der Fleischnahrung finden sich nur kleine und für die E. bedeutungslose Mengen von Kohlenhydraten, wie Glykogen und Traubenzucker. Nur in der Milch steigt der Gehalt an Zucker zu einer Größe, daß er für die E. von wesentlicher Wichtigkeit ist. Innerhalb des Körpers werden die Kohlenhydrate gleich den Fetten zu Kohlensäure und Wasser verbrannt. Entsprechend ihrer Zusammensetzung liefern sie jedoch nur etwa die Hälfte der Verbrennungswärme und Spannkräfte wie die Fette. Gleichwohl haben die Kohlenhydrate für die E. des Menschen die größte Bedeutung. Sie sind wegen der leichten und sehr ergiebigen Produktion durch die Pflanze der billigste Nährstoff. Innerhalb des Körpers übernehmen sie dieselbe Rolle wie das Fett, sodaß der Mensch ebensogut mit Eiweiß und Stärkemehl wie mit Eiweiß und Fett zu ernähren ist. Auf den Eiweißumsatz wirkt Kohlenhydratnahrung ebenso ersparend wie Fettzufuhr. Die reichliche Aufnahme von Kohlenhydraten befördert aber auch den Fettansatz, indem die Kohlenhydrate leichter zersetzlich sind und an Stelle des in der Nahrung aufgenommenen Fettes und auch des Fettes, das bei der Spaltung des Eiweißes gebildet ist, verbrannt werden. Für einzelne Tierklassen, wenn auch noch nicht für den Menschen, ist der experimentelle Nachweis erbracht, daß sich die aufgenommenen Kohlenhydrate auch direkt an der Fettbildung und am Fettansatze beteiligen. Mit Recht überwiegt daher in der menschlichen Nahrung die Menge der von den Pflanzen reichlichst gebotenen Kohlenhydrate die Fettzufuhr. Nach den Ermittelungen von Voit nimmt der erwachsene körperlich arbeitende Mensch in seiner täglichen Nahrung als stickstofffreie Nährstoffe durchschnittlich 56 g Fett und 500 g Kohlenhydrate ein.

4) Anorganische Nährstoffe. Die Zahl derselben, deren der menschliche und tierische Körper bedarf, ist sehr beschränkt; außer dem Wasser sind es nur die kohlensauren und phosphorsauren Salze und die Chloride von Kalium, Natrium, Ammonium, Calcium und Magnesium, welche nebst Eisen für die Lebensvorgänge unbedingt notwendig sind. Die Salze beteiligen sich bei dem Aufbau der Zellen wie bei den Umsetzungen im Körper in hervorragendem Maße. In Körperflüssigkeiten, wie Lymphe, Blutserum, überwiegen die Natriumsalze gegenüber den Kaliumverbindungen, die besonders in den organisierten Gebilden, in den Muskelfasern und Zellen der Drüsen und Organe vorkommen. Die chem. Eigenschaften der phosphorsauren und kohlensauren Alkalien gestatten, daß die vom Körper gebildeten Säuren leicht und rasch gebunden und in einer das Zellenleben nicht mehr beeinträchtigenden Weise durch die Niere ausgeschieden werden können. Die phosphorsauren und kohlensauren Erden sind so schwer löslich, daß sie sich vorzüglich zur Ablagerung in Knochen eignen und diesen durch Einlagerung in die organische Substanz eine Härte und Widerstandsfähigkeit verleihen, wie sie das Stützgerüst des Körpers erfordert. Das Eisen ist unentbehrlich zur Bildung des Blutfarbstoffs (s. d.). Das Kochsalz, vorhanden in allen Körperflüssigkeiten, spielt eine vielseitige wichtige Rolle, indem es die Quellungszustände der Zellen erhält und auf die Diffusionsvorgänge und Säfteströme nachhaltend einwirkt. Durch die Thätigkeit der Magendrüsen wird das Kochsalz in freie Salzsäure zerlegt, wodurch der Magensaft die wichtigsten Eigenschaften erhält, welche für die Verdauung und Lösung der Eiweißstoffe maßgebend sind. Bei E. mit Pflanzenkost muß Kochsalz als solches der Nahrung zugefügt werden, weil die großen Mengen der Kaliumverbindungen in der Pflanzenkost Störungen im Zellenleben bedingen, die nur durch ein reichlicheres Maß von Natriumverbindungen ausgeglichen werden können.

Die bisher erwähnten Gruppen von Verbindungen bezeichnet man als Nährstoffe. Sie werden einzeln für sich nur ausnahmsweise, wie Fette, Zucker, Kochsalz, genossen. Meist sind es Gemische von Nährstoffen, die wir unter dem Namen von Nahrungsmitteln (s. d.) aus dem Pflanzen- oder Tierreiche entnehmen und zur täglichen E. verwenden. Mit Hilfe der Nahrungsmittel setzen wir die Nahrung zusammen, welche dann eine geeignete und vollkommene wird, wenn sie alle Nährstoffe in der Menge und Mischung enthält, wie sie der Körperbestand und die Körperfunktionen bedürfen. Die Zusammensetzung der Nahrungsmittel, also ihr Gehalt an Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten u. s. w., ergiebt den Nährwert derselben, jedoch nur vom chem. Standpunkte aus. Es ist klar, daß für die Zwecke der E. des Körpers nur die Nährstoffe in Frage kommen, welche vom Darmkanal aufgenommen und in den Blutkreislauf gelangt sind. Je weniger verdaulich Nahrungsmittel sind, desto wertloser wird die Nahrung bei gleicher Zusammensetzung. Der wirklich physiol. Nährwert der Nahrung und einzelner Nahrungsmittel läßt sich also nur auf Grund von Versuchen über ihre Verdauungs- oder Ausnutzungsfähigkeit bestimmen. (S. Verdauung.) Die animalischen Nahrungsmittel werden viel vollkommener ausgenutzt als die vegetabilischen. In letztern sind die Nährstoffe wie Eiweiß, Kohlenhydrate u. s. w. von den Pflanzenzellen eingeschlossen, deren äußere Hülle aus unverdaulicher und schwer löslicher Cellulose besteht. Bei der E. mit Pflanzenkost ist es also besonders wichtig, daß die Nahrungsmittel in geeigneter Weise bearbeitet werden, um auf mechan. Wege (durch Zerkleinern, durch Kochen u. s. w.) die Zellenmembranen zu sprengen und den Inhalt hierdurch leichter löslich und aufnehmbar zu machen. (S. Vegetarierkost.)

Pettenkofer und Voit stellten an verschiedenen Personen zahlreiche Ernährungsversuche an und fanden als mittleres Kostmaß, daß der kräftige Arbeiter täglich 118 g Eiweiß, 56 g Fett und 500 g Kohlenhydrate in seiner Nahrung bedarf. Ältere Personen oder nicht körperlich arbeitende Menschen reichen mit einem Kostmaß von etwa 80 g Eiweiß, 30 g Fett und 300 g Kohlenhydraten aus. Die E. der Truppen ist durch ganz bestimmte Vorschriften geregelt und erreicht im Frieden die Normen, wie sie für den mittlern Arbeiter gefunden sind. Beim Manöver und im Kriege ist besonders