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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Feuerversicherung
Versicherung zu bewirken, und falls der Ver-
sicherte die Prämie nicht zahlt, den Hypotheken-
glluibiger davon zu benachrichtigen und ihm eine
gewisse Frist zu gewähren, damit er durch Zablnng
der Prämie die Fortdauer des Vertrags sichern
kann; ferner im Falle, daß die Gesellschaft die
Versicherung gar nicht oder nicht zu den alten Be-
dingungen fortsetzen, oder sie vermindern oder auf-
heben will, dem Hypothekengläubiger zeitig vor-
her davon Anzeige zu machen und nach einem
Schaden, der die Hälfte der Versicherungssumme
übersteigt, statt wie in allen andern Fällen die Po-
lice aufzuheben, auf Verlangen noch eine gewisse
Zeit nach dein Brande für den Nest zu Gunsten des
Hypothekgläubigers Versicherung zu gewähren. In
einzelnen Fällen muß vermittelst der sog. Selbst-
versickerung (s. d.) der Versicherte (wegen seines
Interesses an der Erhaltung des besonders gefähr-
deten oder schwer ersetzbaren Versicherungsgegen-
standes) je nach dem Wortlaut der Police in einem
vorher vereinbarten bestimmten Verhältnis den
Schaden im Brandsalle tragen helfen; dies ist z.B.
der Fall bei Modellen, Reihenscheunen, Strohdie-
men und Gebäuden unter weichem, d. h. Stroh- oder
Schindeldach u. s. w. (obligatorische Selbstversiche-
rung). Unfreiwillige oder natürliche Selbstversiche-
rung liegt vor, wenn sich bei der Regulierung eines
Schadens ergiebt, daß der Wert oder die Menge
des am Tage des Brandes Vorhandenen die darauf
genommene Versicherung übersteigt. In solchen
Fällen hat der Versickerte zu Partialsckäden im
Verhältnis des ungedeckten Werts zum Gesamtwerte
der Vernickteten Gegenstände beizutragen, während
er bei Totalschäden erst das die Versicherungssumme
übersteigende Mehr auf sich nimmt. Durch Zahlung
einer höhern Prämie für den sog. "premier i-jgqnL"
kann sich der Versicherte den Ersatz des ganzen Par-
tialschadens, ohne daran durch natürliche ^elbst-
versicherung mitbeteiligt zu sein, in voller Höhe bis
zu der durch die Versicherungssumme gezogenen
Grenze sichern; dieses Verfahren ist in England
aufgekommen und von den Franzosen angenom-
men, bei uns jedoch wenig gebräuchlich. Bei den
industriellen Risikos sind hauptsächlich Vetriebs-
kraft, Beleuchtung, Heizung und Trocknung die
zu prüfenden Gefahrsmomente. Der Landwirt-
schaft haben die Versicherer zwei bedeutende Zuge-
ständnisse gemacht, erstens: das Recht der Freizügig-
keit der versicherten Objekte innerhalb des ganzen
Versicherungsgehöfts, zweitens: die gegenseitige
Ausgleichung der Werte für die Erntefrüchte.
Nachversicherungen, Ortsveränderungen oder
Wechsel des Eigentümers der Versicherungsgegen-
stände in andern als Erbschaftsfällen und sonstige
Veränderungen des Vcrtragsverbä'ltnisses werden
entweder durch einen Anbang zur Police oder(wcnn
die Gefahr sich nickt erhöht) durch einen Verände-
rungsschein, auch Genehmiguugsvermerk genannt,
bescheinigt.
Für die ganze fachtechnische Behandlung
des Feueroersickcrungsgcschäfts haben langjährige
Praxis und Erfahrung bei allen Gesellschaften im
Grunde übereinstimmende Gebräuche und Formen
ausgebildet und festgestellt. Neunzehn deutsche
Anstalten (Aachen-München, Berlinische, Deutsche,
Preußische, Magdeburg, Colonia,Schlesische,Elber-
feld, Thuringia, Essen, Gladbach, Leipzig, Stettin,
Gotha, Deutscher Phönir, Providentia, Transatlan-
tische, Lübecker und Bayrische Hypotheken- und
Wechselbank) bilden einen besondern Verband mit
jurist. Persönlichkeit für gleichartige Behandlung
des Geschäfts sowie zu gemeinsamer Verhütung
und Abwehr unlautcrn Konkurrenztreibens. Dieser
Verband hat einen litterarisch gebildeten ständigen
Sekretär und versammelt sich regelmäßig. Öster-
reich hat eine ähnliche Einrichtung in seinem Kon-
kordat für die Beteiligung von dessen Mitgliedern
am Fabrikversicherungsgcschäft. In den deutschen
Staaten (außer Bayern) unterliegen zur Vermeidung
von Überversicherung, Betrug und Brandstiftung
die Anträge auf Versickerung gegen Feuersgefahr
der ortspolizeilicken Prüfung (Präventivkontrolle).
In Frankreich (auch in Elsaß-Lothringen) kann der
Mieter die Gefahr des Regresses versichern, den
der Hausbesitzer für einen durch Sckuld des erstern
auf dem Grundstück entstandenen Brand gesetzlich
an ihm zu nehmen berechtigt ist; ebenso kann der
Besitzer sich gegen die aus Feuerschäden hergeleiteten
Ansprüche seiner Mieter durch Versicherung schützen.
Jeder kann für einen durch Schuld seines Nachbarn
bei ihm entstandenen Brand gesetzlich Regreß am
Nachbar nehmen; auch hiergegen kann letzterer sich
versichern. Außcrdeutsche Gesellschaften, z. V. Assi-
curazioni Generali in Trieft, versichern auch gegen
die cliömHFL, d. h. gegen unverschuldete Schäden
durch Entgang an Miete und Packt u. s. w., gegen
den Verlust des Reinertrags durch Stillstand des
Betriebes infolge von Bränden oder Explosionen,
als Ergänzung zur eigentlichen F.
Bei Abmessung der zu übernehmenden Gefahr
hat der Versicherer die Bauart, Bedachung, Be-
nutzung der Versickerungsgegenstände und die Nach-
barschaft zu berücksichtigen. Je nach der Klasse, in
welche der Gegenstand dieser Gefahrcnsumme nach
gehört, grenzt der Versicherer für denselben sein
Marimum für eigene Rechnung ab. Die für über-
nommene Gefahr zu zahlende Prämie zerfällt tech-
nisch in die reine Risikoprämie szur Sckä'dendeckung
erforderliche Prämie), den Zuschlag für die geschäft-
lichen Unkosten und den Ünternehmergewinn (bei
Erwerbsanstalten).
DerB et rieb desFeuerversicherungsgeschäfts,der
landesgesetzlich derpolizeilicken Genebmignng bedarf,
wird zunächst durch die Agenten im Verkehr mit dem
Publikum vermittelt. Diefe pflegen einem General-
agenten zu unterstehen, der für einen größern Bezirk
(Provinz) die Vertragsurkunden u. s. w. ausfertigt
und mit der Hauptverwaltung der von ihm ver-
tretenen Gesellschaft in Abrechnung steht. Der fach-
männische Leiter, Direktor der Anstalt, ist dem Auf-
sichtsrat verantwortlich, dessen Mitglieder aus der
Gesamtheit der Versickerten (bei gegenseitigen An-
stalten) oder der Aktionäre (bei Aktiengesellschaften)
in der Generalversammlung gewählt und bestellt wer-
den. Die Geschäftsführung ist durch ein Statut (Ver-
fassung) geregelt, dessen Form und Inhalt der Ge-
nehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde bedarf.
Die am Sckluh eines Geschäftsjahres für darüber
hinauslaufende Versicherungen vorausbezahlten,
also noch nicht verdienten Prämien, Ubcrträge,
müssen sorgfältig reserviert und zinsbar angelegt,
desgleichen für bei Jahresschluß angemeldete und
noch zu regulierende, also schwebende Sckäoen ein
genügender Kapitalsbetrag zurückgestellt werden.
Ferner muß es das Bestreben jeder gilt verwalteten
Anstalt sein, außer dem stets möglickst unberührt
zu erhaltenden Grundkapital allmählich durch Ab-
stoßung eines Teils vom jährlichen Gewinn über