Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

67

Frankreich (Industrie)

durch die ganze Welt (die sog. "Pariser Artikel"). Nicht weniger bedeutend ist Paris in der Fabrikation feuerfester Schränke, Lampen, Messerschmiedewaren u. s. w. Für Feilenfabrikation giebt es in Paris, Arnay-le-Duc (Côte-d'Or), Portillon bei Tours, für Nadeln in Vaise bei Lyon, in Pont-à-Mousson und Aigle, für Drahtgewebe in Paris und Lyon große Etablissements. Die größten Eisengießereien und die meisten Stahl-, Schienen-, Blech- und Drahtwerke finden sich in den Depart. Meurthe-et-Moselle, Loire, Saône-et-Loire (z. B. in Creusot, s. d.), Nord und Pas-de-Calais. Stahlfedern werden hauptsächlich in Boulogne-sur-Mer, Blechwaren zu Audincourt (Depart. Doubs) und in Beaucourt (Territorium Belfort) gefertigt.

Die Möbelindustrie ist in Paris und Bordeaux stark entwickelt; es werden jährlich für 300 Mill. Frs. Möbel gefertigt, von welchen für 12,5 Mill. Frs. ausgeführt werden. In Paris besteht eine besondere Schule für diesen Industriezweig. Diese Stadt ist auch Mittelpunkt für die Fabrikation von Klavieren und erzeugt jährlich etwa 15000 im Werte von 10 Mill. Frs., ferner für Drechsler- und Schnitzwaren aller Art.

Die Uhrenfabrikation, deren Hauptsitze Paris (vorzugsweise Pendeluhren), Besançon (Taschenuhren) und Montbéliard sind, hat einen Weltruf, beschäftigt 35000 Arbeiter (ohne diejenigen, welche Reparaturen vornehmen); sie ist in ihrer Produktion (jährlich 80 Mill. Frs.) zurückgegangen, da die Ausfuhr (1887: 22,4,1892: 14,7 Mill. Frs.) infolge der Billigkeit der schweiz., amerik. und österr. Fabrikate geringer geworden ist. - Die Wagenbauindustrie beschäftigt etwa 25000 Arbeiter. Die Ausfuhr ist nicht bedeutend (7,8 Mill. Frs.) und erstreckt sich mehr auf einzelne Teile, wie Wagenlaternen, Federn u. s. w. - Die Fabrikation von Papier, Tapeten (Paris, Lyon, Marseille), Buchbinder- und Kartonnageartikeln hat große Fortschritte gemacht. Es bestehen 1888: 556 Papierfabriken (mit 30000 Arbeitern), mit einer jährlichen Produktion von 171 Mill. kg im Werte von gegen 200 Mill. Frs.

In vielen Zweigen der Lederindustrie ist F. tonangebend für den Welthandel. Namentlich leistet es in der Herstellung von Ziegen- und anderm Handschuhleder (Hauptorte: Annonay im Depart. Ardèche, Chambéry in Savoie), farbigem (St. Denis und Lyon), lackiertem Sattler- und Geschirrleder (Pont-Audemer im Depart. Eure), in Ober- und Kalbleder (Rouen, Chambéry, Lyon) und Sohlleder (Lyon, Honfleur) Vorzügliches. Der Einfuhr von rohen Fellen im Betrage von (1892) 179,98 Mill. steht eine Ausfuhr bearbeiteter Häute und von Lederwaren aller Art von 236,9 Mill. Frs. gegenüber, und den jährlichen Produktionswert schätzt man auf 900 Mill. Frs., wovon 700 Mill. auf Schuhwerk kommen, dessen Ausfuhr in den letzten 30 Jahren sich mindestens verdoppelt hat. Die Handschuhfabrikation (Paris, Grenoble) beschäftigt etwa 70000 Personen (darunter 50000 Frauen) und liefert jährlich für ungefähr 80 Mill. Frs. Waren zur Ausfuhr.

Die chemische Industrie ist in allen ihren Zweigen vertreten. Der große Verbrauch im Lande hat die Ausfuhr chem. Produkte herabgedrückt, die Einfuhr erhöht. Die Hauptzweige sind die Seifenfabrikation (347 Etablissements, 5000 Arbeiter; Produktion: 176 Mill. kg im Werte von 107 Mill. Frs.; Ausfuhr 6-8 Mill. Frs.), welche ihren Sitz vor allem in den Depart. Bouches-du-Rhône (Marseiller Seife), Seine (Paris und Umgebung) und im Depart. Nord hat; ferner die Kerzenfabrikation mit 153 Fabriken (3750 Arbeiter), in welchen teilweise auch Glycerin, Benzin u. s. w. erzeugt werden (Produktionswert 72 Mill. Frs., Ausfuhr für 5 Mill. Frs.). Die Zahl der Gasfabriken ist in letzter Zeit infolge der Einführung der elektrischen Beleuchtung nur sehr langsam gestiegen und stellte sich 1885 auf 786 (mit 14930 Arbeitern und einer Produktion von 589 Mill. cbm Gas), von welchen sich etwa die Hälfte in Paris und Umgebung, 98 im Depart. Nord, je 12 in Gironde und Rhône befinden. Sehr bedeutend ist auch die Parfümerieindustrie mit 450 Fabriken und 4-5000 Arbeitern und dem Hauptsitz in Paris (Produktionswert 35-40 Mill., Exportwert 1892: 10,8 Mill. Frs.); ferner die Harzproduktion im Depart. Landes und in der Umgegend von Bordeaux und die Anfertigung von Firnissen, Lacken und Zinnober, Zinkweiß, Ultramarin und Anilinfarben.

Auch die Glaswaren- und Spiegelfabrikation leistet Ausgezeichnetes. In 165 Glasfabriken (1872: 250) mit 23700 Arbeitern werden jährlich für 81-90 Mill. Frs. Waren (namentlich Krystallglaswaren, Flaschen u. s. w.) gefertigt. Die berühmtesten befinden sich zu St. Gobain, Baccarat, St. Louis und Nancy. Von den 7 großen Spiegelfabriken mit 2800 Arbeitern gehören 4 (St. Gobain, mit europ. Rufe, Chauny, Cirey, Montluçon) der Gesellschaft von St. Gobain, die 3 andern (Recquignies, Aniche, Jeumont) einer belg. Gesellschaft. Berühmt sind die franz. Glasbijouterien sowie künstliche Edelsteine und Perlen. 1892 wurden für 22,71 Mill. Frs. Glas- und Krystallwaren ausgeführt.

In der Anfertigung keramischer Produkte wetteifert F. mit England. Die Zahl der Etablissements (1873: 412) ist auf 489 (mit 25000 Arbeitern) gestiegen, welche Waren im Werte von 78 Mill. Frs. fabrizieren (Porzellan 46,5, Fayence 30,5 Mill.). Die Hauptsitze sind Sèvres (Nationalmanufaktur), Paris, Haute-Vienne, Vienne, Loiret (in Briare), Meurthe-et-Moselle, Nord, Oise und Saône-et-Loire. Der Wert der ausgeführten Waren (besonders Fayence und gemaltes Porzellan) betrug 1892: 14,76, der der eingeführten beträgt 19,3 Mill. Frs.

Seit Rückgang des Weinbaues hat die Bierbrauerei größere Verbreitung gefunden; bei der Bevölkerung der nördl. Landesteile ist Bier jetzt das gewöhnliche Getränk. Während in den Jahrzehnten 1830-39 jährlich 3,5, von 1840 bis 1849 4,3 Mill. hl gebraut wurden, stieg die Produktion 1860-79 auf 7,2 und erreichte 1890: 9,3 Mill. hl. Davon kommen auf das Depart. Nord allein jährlich etwa 3,3 Mill. und auf Pas-de-Calais 1,2 Mill. hl. 1892 betrug die Biereinfuhr 229153 Doppelcentner. Daran beteiligten sich Deutschland mit 171950, England mit 18575, Österreich mit 2537 und die übrigen Länder mit 36091 Doppelcentner. Ausgeführt wurden nur 68347 Doppelcentner. Die Bereitung des Branntweins aus Wein, früher ganz allgemein, kennt man kaum mehr; die 3671 Brenner benutzen Kartoffeln, Rüben, Getreide u. s. w. Berühmt ist noch die Herstellung des Cognacs (s. d.). Die Alkoholfabrikation hat sich seit 1840 mehr als verdreifacht. Sie belief sich 1891 auf 2208119 hl und war am stärksten im Depart. Nord (819376) und Pas-de-Calais (321935 hl). 1892 wurde Alkohol für 21,48 Mill. ein- und für 66,35 Mill. Frs.