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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frankreich (Finanzwesen)

wesen. - Der Kassationshof entscheidet niemals über die streitige Sache, sondern nur über die richtige Anwendung des Gesetzes und des Verfahrens. Derselbe zählt 49 Mitglieder, die drei Kammern bilden: Civil-, Kriminal- und Requetenkammer. In gewissen Fällen urteilen die vereinigten Kammern (toutes chambres réunies). Die Richter der Arrondissementsgerichte, der Appellhöfe und des Kassationshofs sind unabsetzbar, müssen aber (seit 1852) in einem gewissen Alter in den Ruhestand versetzt werden; auch ist die Versetzbarkeit und Absetzbarkeit der Richter wegen dauernder Schwäche durch Gesetz vom 30. Aug. 1883 erleichtert worden. Es giebt im franz. Gerichtswesen in Wirklichkeit nur zwei Instanzen, da der Kassationshof nicht über die streitige Sache urteilt. Außer den Friedens- und Handelsgerichten, den Präfekturräten, den Prud'hommes ist bei allen Gerichten eine Staatsanwaltschaft (ministère public) thätig, die bei den Kreis- und höhern Gerichten von Staatsprokuratoren (procureurs de la république) versehen wird. Bei den höhern Gerichten heißt er procureur général. Der Staatsprokurator hat in Kriminalsachen die Anklage zu führen und muß in gewissen Civilsachen (den sog. kommunikablen Sachen) gehört werden, während er in andern Civilsachen das Wort ergreifen kann (partie jointe), in andern (z. B. Nichtigkeit gewisser Ehen) als Hauptpartei (partie principale) auftritt. Außer in den Verwaltungstribunalen herrscht in ganz F. Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens.

Finanzwesen. Die Einnahmen setzen sich zusammen aus direkten und indirekten Abgaben. Zu den direkten Abgaben gehören: die Grund- und Gebäudesteuer von 1791 (1894: 196723060 Frs.), die Personal- und Mobiliarsteuer von 1791 (88173135 Frs.), die Thür- und Fenstersteuer von 1795 (57205001), die 1791 eingeführte Gewerbesteuer (122645558) und die Steuerrollentaxe (1052650), die Taxen auf die Güter der Toten Hand (6,6 Mill.), die Abgaben von Bergwerken (4,1 Mill.), die Pferd- und Wagensteuer (12444000), die Visitation der Apotheken (392000), die Aichgebühren (4800000), die seit 1871 eingeführten Steuern auf Billards und geschlossene Gesellschaften (6800000). Die Erträgnisse der Domänen betrugen 19401900, die der Forsten 28050120 Frs. Viel wichtiger sind in F. die indirekten Abgaben mit insgesamt 2050 Mill. Frs.: die Einregistrierungs- (548499600), die Stempelabgaben (161785000), die 4prozentige Einkommensteuer von beweglichem Vermögen (69249000), die Monopole und staatlichen Industrien (629044880) und die Zölle (465726130), die verschiedenen Einnahmen (58550892) und die eigentlichen indirekten Steuern (601865350). Die letztern bestehen aus Getränkesteuer (Wein, Cider, Bier, Alkohol) im Betrage von 469 Mill. Frs., Salzsteuer (seit 1806 eingeführt) mit 10,94, 3prozentige Expeditionssteuer mit 5,45 Mill. Frs. Mineralöl, andere Öle, Stearin und Kerzen, Essig u. s. w. bringen 10700, 2254800, 8424600 und 3041500 Frs. ein. Zuckerzoll und -Steuer sind auf 203 Mill. veranschlagt. Unter den Monopolen sind Zündhölzer-, Tabaks- und Pulvermonopol (411057000), Posten (164860300) und Telegraphen (42761480) die wichtigsten. - Insgesamt erreichen die Einnahmen einschließlich durchlaufender Einnahmen (74,44 Mill. Frs.) 1894 eine Höhe von 3390739882 Frs. Dazu kommt noch für Algerien ein Betrag von 48,29 Mill. Frs.

Die Ausgaben setzen sich folgendermaßen zusammen: die öffentliche Schuld erfordert 1284,56, Gehalt und Repräsentation des Präsidenten 1,2, die Gesetzgebenden Körper 11,97 Mill. Frs. Die Finanzverwaltung kostet 19,47, die Justiz 35,01 der Kultus 242,8 Mill. Frs. Im Ministerium des Äußern betragen die gewöhnlichen Ausgaben 15,42 Mill., die für Protektorate 922600 Frs. Die Kosten des Ministeriums des Innern betragen für Verwaltung 17,09, öffentliche Sicherheit 16,47, Gefängnisse 17,66, Subventionen 11,58, Wohlthätigkeit 7,3 und verschiedene Ausgaben 1,18 Mill. Frs. Der Kriegsminister gebrauchte 633,65, die Marine 266,86 Mill. Frs. Handel und Industrie erforderten 23,46, Post und Telegraph 2,26, die Kolonien 73,84 Mill. Frs. Für das Ministerium des Ackerbaues sind 28,96, für das der öffentlichen Arbeiten 81,99 ordentliche, 174,63 Mill. Frs. außerordentliche Ausgaben angesetzt. Regie-, Erhebungs- und Betriebskosten belaufen sich auf 358, Ausfälle und Rückzahlungen auf 42,13 Mill. Frs. - Insgesamt betragen die Ausgaben 3368902094 Frs. und mit denen für Algerien (70,11 Mill.) 3439,02 Mill. Frs.

Die Geschichte der franz. Staatsschuld (Dette publique) reicht bis auf Philipp den Guten zurück und unter Franz I. wurden die ersten Renten gezahlt. 1760 mußte schon mehr als ein Drittel der Staatseinkünfte (100 Mill. Livres) als Zinsen und zur Tilgung der öffentlichen Schulden verwendet werden. Zu Ludwigs XVI. Zeit wurde es gebräuchlich, auf Staatsgüter Assignaten (s. d.) auszugeben, wovon 1792 für 1564 Mill. und 1796 sogar für 45 Milliarden Livres im Umlaufe waren. Durch ein Gesetz vom 28. Aug. 1797 wurde bestimmt, daß von der öffentlichen Schuld nur ein Drittel und zwar unter dem Namen "Tiers consolidé" in das von Cambon geschaffene "Große Buch der öffentlichen Schulden" eingetragen werden sollte. Dieser Betrag belief sich auf 40216000 Frs. (mit den Schulden der damals mit F. vereinigten Länder 46 Mill.) und bildet die Grundlage der heutigen Staatsschuld. Dieselbe stieg unter Napoleon I. um 558, unter der Restauration um 3154, unter der Juliregierung um 1516, verminderte sich 1851 um 425, vermehrte sich aber unter Napoleon III. wieder um 6938 und endlich seit 1870 um 12703 Mill. und wird heute auf 30 Milliarden, und wenn man als öffentliche Schuld noch die Anleihen und Schulden der Departements und Gemeinden, welche dieselben seit 8-10 Jahren besonders zur Ausführung von Schulbauten und Straßen aufgenommen haben, im Betrage von 3½ Milliarden dazurechnet, auf 35-36 Milliarden oder 1000 Frs. auf den Kopf der Bevölkerung geschätzt, zu deren Verzinsung und Tilgung im Budget (1894) die Summe von 1284568168 Frs. eingestellt ist. (S. Französische Rente.) Die wichtigsten Posten sind für die 4½prozentige Rente 305,54, die 3prozentige Rente 456,12 Mill. Frs., für die 3prozentigen Annuitäten 144,13 Mill., für Annuitäten an Eisenbahngesellschaften 49,42, Zinsen der schwebenden Schuld 21 Mill., für andere kündbare Kapitalien 86,71 Mill., für die Leibrenten 871385 Frs., für Militärpensionen 124,7, Civilpensionen 66 Mill. Frs. In das Budget für 1895 sind 1235,34 Mill. Frs. für Zinsen und Annuitäten eingestellt.

Am 1. Jan. 1893 betrug die Gesamtschuld 30611685122 Frs. Seit 1862 ist die Schuld der