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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frankreich (Bildungs- und Unterrichtswesen)

Der öffentliche Unterricht teilt sich in den Hochschulunterricht (instruction supérieure), Gymnasial- und Realschulunterricht (instruction secondaire) und den Volksschulunterricht (instruction primaire).

Das höhere Bildungswesen umfaßt die Fakultäten der prot. Theologie, der Medizin, des Rechts, der Naturwissenschaften und der Mathematik (sciences) sowie die der philos.-histor.-philol. Wissenschaften (lettres), die Hochschulen der Pharmacie, die Vorbereitungsanstalten für das Studium der Medizin und Pharmacie, die Normalschulen (Seminare) für den höhern Unterricht und deren Vorbereitungsanstalten und die großen wissenschaftlichen Institute.

Die Fakultäten sind nicht zu Universitäten vereinigt, sondern bestehen getrennt nebeneinander. Doch haben sich in der neuesten Zeit gewichtige Stimmen für die Umwandlung der Fakultäten in Universitäten nach Art der deutschen Hochschulen erhoben. Freie Fakultäten sind die für kath. Theologie (Aix, Bordeaux, Lyon, Paris, Rouen). Vom Staate werden erhalten 2 für prot. Theologie (Montauban, Paris); 13 Fakultäten der Rechte (Aix, Bordeaux, Caen, Dijon, Grenoble, Lille, Lyon, Montpellier, Nancy, Paris, Poitiers, Rennes, Toulouse); 6 Fakultäten der Medizin (Bordeaux, Lille, Lyon, Montpellier, Nancy, Paris); 15 Fakultäten der Mathematik und Naturwissenschaften (Besançon, Bordeaux, Caen, Clermont, Dijon, Grenoble, Lille, Lyon, Marseille, Montpellier, Nancy, Paris, Poitiers, Rennes, Toulouse). In den zuletzt genannten Orten findet sich auch je eine Fakultät der philos.-histor.-philol. Wissenschaft. Außerdem bestehen drei höhere Schulen für Pharmacie (Paris, Montpellier, Nancy) und zwei für Medizin und Pharmacie (Marseille, Nantes). Die Anzahl der Studierenden in den staatlichen Fakultäten betrug Jan. 1891: 20785, nämlich 94 Theologen, 7728 Rechtsbeflissene, 5191 Mediziner, 1647 Studierende der "sciences", 2647 Studierende der "lettres", 1771 Pharmaceuten, 1707 noch in der Vorbereitung begriffene Mediziner und Pharmaceuten. Die Anzahl der Studierenden in den freien Fakultäten betrug 931. Neben diesen staatlichen Hochschulen bestehen seit 1875 freie kath. Universitäten zu Angers, Lille, Lyon, Paris und Toulouse. Dem höhern Unterricht in Kunst und Wissenschaft dienen ferner hervorragende Institute, wie das Collège de France mit Lehrstühlen für Mathematik, Naturwissenschaften, Philosophie, Sprachen und Litteraturen; die Schule zur praktischen Übung in den exakten Wissenschaften (École pratique des hautes études).

Daneben sind noch zahlreiche Fach- und Specialschulen vorhanden. Die Ausbildung der kath. Theologen erfolgt in den bischöfl. Diöcesanseminaren und in einer Anzahl von Klöstern. Dem Sprach- und Geschichtsstudium dienen die École spéciale des langues orientales vivantes in Paris, die École spéciale in Athen, die École d'archéologie in Rom und die École des Chartes (Schule für das Studium von Handschriften, Urkunden u. s. w.) in Paris. Für Kaufleute, Gewerbtreibende, Industrielle, Land- und Forstwirte bestehen höhere Handelsschulen (École des hautes études commerciales) in Paris und die École supérieure de commerce in Le Havre, Paris, Lyon, Bordeaux und Rouen und viele mittlere und niedere Handelslehranstalten.

Seit der Ausstellung von 1878 macht sich eine lebhafte Bewegung zu Gunsten der Umgestaltung des technischen Unterrichts bemerkbar. Es bestehen neben den Hochschulen (École polytechnique, École nationale des ponts et chaussées, École centrale des arts et manufactures [Schule für Civilingenieure], École des manufactures de l'état für die Beamten der staatlichen Tabak- und Pulverfabriken) jetzt 12 Gewerbeschulen, 5 Kunst- und Gewerbeschulen, z. B. die Nationalschulen der dekorativen Kunst zu Aubusson, Limoges und Nizza, die Nationalschule der industriellen Künste zu Roubaix und die École des arts et métiers zu Aix, Chalons-sur-Marne u. a.; ferner Uhrmacherschulen, eine Tabakmanufakturschule, die Nationalforstschule zu Nancy, die École secondaire forestière und die École primaire forestière zu Barres, das Institut national agronomique zu Paris, die höhern Ackerbauschulen zu Grignon, Grand-Jouan und Montpellier, die Gartenbauschule zu Versailles, 23 praktische und 16 niedere Ackerbauschulen, gegen 90 landwirtschaftliche Lehrstühle und 43 landwirtschaftliche Versuchsstationen, Schäferschulen, z. B. in Rambouillet, drei Veterinärschulen (Alfort, Lyon, Toulouse), eine Gestütschule; eine höhere Bergschule (École des mines) zu Paris, eine Bergschule zu St. Etienne und zwei Steiger- und Häuerschulen (Alais, Douai). Die École libre des sciences politiques trägt dem modernen Bedürfnisse nach Belehrung in polit. Beziehung Rechnung, und die École préparatoire au commerce d'exportation ist für die Heranbildung von Exporteuren errichtet worden.

Der Förderung der Kunst dienen außer den obengenannten Schulen noch die École nationale et spéciale des beaux-arts zu Paris, Kunstschulen zu Lyon, Dijon, Bourges und Algier und die Académie nationale de France zu Rom, das Conservatoire national de musique et de déclamation zu Paris und dessen Filialanstalten, 17 Nationalmusikschulen und 6 Singschulen für Chorknaben. Von den Militärschulen sind die bedeutendsten: die höhere Kriegsschule zu Paris, das Prytanée militaire zu La Flêche, die École spéciale militaire zu St. Cyr, die Artillerie- und Genieschulen zu Fontainebleau und Versailles, die Kavallerieschule zu Saumur, die Infanterieschule zu St. Maixent, die Pyrotechnische Centralschule zu Bourges, die Schule für Ärzte und Apotheker des Heers, die Verwaltungsschule zu Vincennes und die Militärturnanstalt zu Joinville-le-Pont. An allen großen Seeplätzen bestehen hydrogr. Schulen. Von hervorragender Bedeutung ist besonders die Marineakademie zu Brest. Zahlreich sind die gelehrten Gesellschaften aller Art besonders in Paris.

Von den wissenschaftlichen Sammlungen sind hervorzuheben das Muséum d'histoire naturelle, der Jardin des Plantes, die Naturaliensammlungen und botan. Gärten mehrerer großen Städte, das Bureau des Longitudes (Schiffahrtsamt), die Staatssternwarten, das Meteorologische Centralinstitut, das Nationalmuseum zu Paris, das Conservatoire national des arts et métiers (s. d.) u. a. Große Bibliotheken finden sich namentlich in Paris.

Einen bedeutenden Aufschwung hat seit 1871 das Mittelschulwesen genommen: neue Lyceen und Kollegien sind eröffnet worden, und Staat und Gemeinde haben für ihre gedeihliche Entwicklung große Summen geopfert. In den Lektionsplänen wurde den lebenden Sprachen, der Geschichte und Geographie ein breiter Raum gewährt, und ebenso erfuhren die militär. Übungen und das Turnen Be-^[folgende Seite]