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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frankreich (Geschichte 1789-95)

Als der Nationalkonvent seine Sitzungen begann, war die radikale jakobinische Partei, der Berg, der Gironde keineswegs an Zahl, wohl aber an Thatkraft und Rücksichtslosigkeit überlegen. Auf Collot d'Herbois' Antrag wurde F. 25. Sept. zur Republik erklärt. Und auch nach außen hatte die Revolution den Sieg errungen. Die Preußen zogen sich zurück, Belgien wurde erobert, Custine nahm Trier, Speier und Mainz, Montesquiou überzog Savoyen. Aber der Zwiespalt zwischen dem Berg und der Gironde trat immer unverhüllter hervor, und der mit dem 5. Dez. beginnende Prozeß des Königs gestaltete sich sogleich zum Kampfe der beiden Parteien um die Herrschaft im Konvent. Die Gironde wollte den des Hochverrats beschuldigten König nur richten und dann die Berufung an das Volk zulassen, die Deputierten vom Berg aber schüchterten die Girondisten derart ein, daß schließlich auch sie für den Tod Ludwigs XVI. stimmten. Am 20. Jan. 1793 wurde das Todesurteil ausgesprochen und am 21. vollzogen. In allen Teilen des Landes wütete der Aufruhr; die royalistische Vendée (s. d. und Chouans) bedrohte die Hauptstadt; England, Holland, Spanien, Neapel und das Deutsche Reich kämpften gegen die Revolution, deren Terrorismus aber mit den äußern Gefahren nur wuchs. Am 10. März wurde das Revolutionstribunal (s. d.) zur Bestrafung aller polit. Vergehen errichtet, und um dem Gouvernement révolutionnaire mehr Kraft zu geben, trat 6. April der Wohlfahrtsausschuß (s. d.) ins Leben, der den Vereinigungspunkt der revolutionären Häupter und eine oberste Regierungsbehörde für innere und äußere Politik zu bilden hatte. Alsbald begann mit Hilfe der Massen ein neuer Kampf gegen die gemäßigteren Republikaner, von denen man Untersuchung der Septembermorde und Ähnliches befürchtete. Die Unverletzlichkeit der Deputierten ward aufgehoben, und dies war die Einleitung zum Verfahren gegen die Girondisten. Die Bedrohten beantragten eine Untersuchungskommission, die Hébert verhaftete und den Rat auflöste. Dieser Schritt gab das Zeichen zum Aufstande. Die Banden der Vorstädte erschienen 31. Mai bewaffnet vor dem Konvent, um die Proskription von 34 Girondisten zu fordern. Am 2. Juni wurde der Streich durchgesetzt und die Ächtung der Girondisten als Vaterlandsverräter erlangt. Die meisten derselben waren indes entkommen; die, deren man habhaft werden konnte, wurden hingerichtet, ihre Fürsprecher vertrieben.

Jetzt flammte in den Provinzen der Aufstand für Königtum und Kirche auf. General Wimpffen zog in der Bretagne ein nicht unbedeutendes Korps zusammen, das er gegen die republikanischen Truppen führte und mit dem er Paris zu nehmen gedachte. Marseille, Bordeaux und andere Städte des Südens nahmen die Partei der Girondisten; Lyon wurde durch die Royalisten zur Lossagung von der revolutionären Regierung bewogen. Als Antwort beschwor 10. Aug. 1793 der Konvent auf dem Marsfelde eine radikale Verfassung, die jedoch sogleich bis zum Ende des Krieges suspendiert wurde; er befahl die Verhaftung aller Verdächtigen und die Massenerhebung des Volks. Carnot wurde im August an die Spitze des Heerwesens gestellt; Hunderttausende wurden mobil gemacht und nach allen Punkten und Grenzen des Reichs entsendet. Der Krieg im Innern wurde immer gräßlicher; in der Vendée begann ein wahres Morden. Die Greuel, welche die republikanischen Truppen in dem überwundenen Marseille und Bordeaux verübten, veranlaßten Toulon, sich 29. Aug. an die Engländer zu übergeben, doch wurde es im Dezember genommen, nachdem schon vorher 9. Okt. Lyon gefallen war und ein schreckliches Gericht erfahren hatte. Am 5. Okt. wurde eine neue Zeitrechnung und ein neuer Kalender eingeführt. Auch das Christentum wurde abgeschafft und dafür durch Hébert und seine Genossen von der Pariser Commune der Kultus der Vernunft eingeführt. Am 14. Okt. ward die Königin Marie Antoinette verurteilt, 16. enthauptet; ihr folgten 31. Okt. 21 Deputierte der Rechten, teils Girondisten, teils Anhänger des Herzogs von Orléans, und 6. Nov. der Herzog selbst auf das Blutgerüst. Der Wohlfahrtsausschuß hatte jetzt alle Gewalt an sich gerissen. Robespierre bewirkte 13. März 1794 die Verhaftung der 20 Hébertisten (s. d.), die darauf 24. März hingerichtet wurden. Da die Partei Dantons, die einen gemäßigten Weg einschlagen wollte, Robespierre ebenfalls im Wege stand, so wurden auch Danton und seine Freunde verhaftet, des Royalismus angeklagt und 5. April guillotiniert.

Robespierre, Saint-Just und Couthon bildeten nun ein Triumvirat des Schreckens. Alles war zu einer neuen Revolution bereit, die den Konvent stürzen und Robespierre die Diktatur verleihen sollte. Zunächst führte Robespierre den Kultus des höchsten Wesens ein. Dann mußte Couthon auf eine schnellere Justiz des Revolutionstribunals und auf ein Gesetz antragen, wonach die Ausschüsse das Recht erhielten, die Deputierten eigenmächtig vor das Tribunal zu stellen. Mit Furcht und Schrecken gab endlich der Konvent nach, und Robespierre begann nun die Hinrichtungen in Masse (par fournées). Sein Schreckensregiment war indes von kurzer Dauer. Am 8. Thermidor (26. Juli) verlangte er von dem Konvent vergebens die Erneuerung der Ausschüsse. Am 9. Thermidor erhoben sich auf Talliens Aufforderung alle Mitglieder, schwuren die Republik zu retten und ließen Robespierre mit seinem Bruder, Saint-Just, Couthon und Lebas verhaften. Gleiches geschah mit Henriot, dem Anführer der Pariser Banden, der den Angriff auf den Konvent schon vorbereitet hatte. Am Abend gelang es indes den Jakobinern, die Gefangenen zu befreien. Nun ernannte der Konvent Barras zum Kommandanten der Nationalgarde, erklärte die Aufrührer außer dem Gesetz und trug mit Hilfe der Sektionen einen vollständigen Sieg über Henriot, der das Stadthaus zu verteidigen hatte, davon. Schon 28. Juli (10. Thermidor) bestieg Robespierre das Schafott; 76 andere Terroristen wurden teils hingerichtet, teils ausgestoßen.

Das Volk hatte durch das System des Terrorismus furchtbar gelitten; alle Klassen sehnten sich nach Ruhe. Es bildete sich unter Fréron eine Art Leibwache des Konvents aus den Söhnen der wohlhabenden Bürger, die sog. "Jeunesse dorée". Am 11. Nov. wurde endlich der Jakobinerklub geschlossen, und bald darauf erfolgte das Verbot aller Volksvereine. Die 73 Deputierten, die gegen den 31. Mai protestiert hatten, und alle andern Geächteten wurden zurückgerufen. Die Hungersnot und die fast völlige Entwertung der Assignaten gaben jedoch immer wieder Gelegenheit zu Aufständen. Am 23. Mai 1795 ordnete hierauf der Konvent die Entwaffnung der Vorstädte an, und die demokratische Partei, ihrer Führer und ihrer Klubs beraubt, verlor hiermit allen Einfluß. Man beriet und beschloß, nun eine neue, gemäßigtere republikanische Ver-^[folgende Seite]