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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Französische Litteratur

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Französische Litteratur (Altfranzösische Periode 1150-1230)

spricht ein aus dem Anfang des 12. Jahrh. stammendes Bruchstück des Alberich von Besançon (vgl. P. Meyer, Alexandre le Grand, 2 Bde., Par. 1886). Um 1150 entstanden die Bearbeitungen von Statius' Thebais als "Roman de Thèbes" (hg. von Constans, 2 Bde., Par. 1891), von Virgils Äneide als "Roman d'Énéas" (hg. von Salverda de Grave, Halle 1892). Am meisten Anklang fanden die Sage von der Eroberung Trojas und die Geschichte Alexanders d. Gr.; die Autoritäten der franz. Trouvères bildeten die Erzeugnisse der spätgriech. und spätlat. Litteratur, Dictys und Dares, Pseudo-Kallisthenes u. a. Der "Roman de Troie", die ins rittermäßige umgearbeitete Erzählung von der Zerstörung Trojas von Benoit de Sainte-More, einem Normannen, entstand um 1180 (hg. von Joly, 2 Bde., Par. 1870-71). Von den Bearbeitungen der Alexandersage hatte der vor 1188 von Lambert li Tors und Alexandre de Bernay verfaßte "Roman d'Alexandre" (hg. von Michelant, Stuttg. 1846) den größten Erfolg, und die in ihm verwendete zwölfsilbige Langzeile erhielt durch diesen Roman ihren Namen Alexandriner.

Bearbeitungen bretonischer Sagenstoffe. Bereits in der nach der lat. Geschichte des Geoffrey of Monmouth bearbeiteten Reimchronik "Le roman de Brut" des normann. Trouvère Wace finden sich die ritterlich umgewandelten Bestandteile der Sagen von Arthur und seinen Helden, die hier zuerst als Ritter der Tafelrunde erscheinen. Aber schon vor dem Bekanntwerden dieser Reimchronik (1155) hatten normann. Spielleute die in England und Nordfrankreich vorgetragenen kelt. Lieder (Lais, s. d.) der breton. Sänger sich angeeignet, ihren Sageninhalt in franz. Verse gebracht und bis nach Italien verbreitet (vgl. Rajna in der Zeitschrift "Romania", XVII). Aus diesen episodischen Erzählungen gingen durch Zusammenordnung, Umdichtung, durch eigene Erfindungen und anderswoher entlehnte Zuthaten der Bearbeiter die höfischen Romane von Artus (s. d.) und seinen Helden hervor. Die ältesten breton. Romane der F. L. handelten von Tristan und Isolde. Zwei Bearbeitungen, die eine von Bérol, die andere von Thomas, sind in Bruchstücken erhalten. Der erfolgreichste höfische Umdichter der breton. Stoffe war Chrétien de Troyes (1130-90), der im "Erec", im "Chevalier au lion", im "Lancelot" und "Perceval" den Höhepunkt der ritterlichen Kunstepik erreicht. Auch die Legende von Joseph von Arimathia, dem Überbringer der Abendmahlsschüssel (des Grals), wurde zuerst von Robert von Boron (um 1170) mit dem Kreise der Tafelrunde in Verbindung gebracht und in weiterer Verquickung legendenartiger christl. und sagenhaft breton. Motive zur Unterlage der Darstellung eines geistlichen Rittertums. Während Chrétien und seine Fortsetzer den Stoff in gebundener Rede behandelten, bearbeiteten gelehrte Kleriker (clercs) die Geschichte des Grals und die übrigen breton. Stoffe in ausführlichen Prosaromanen, wovon die meisten in verjüngter Gestalt gegen das Ende des 15. und im Laufe des 16. Jahrh. noch im Druck erschienen. Hierher gehören der Prosaroman vom heil. Gral (um 1200), die "'Suche des heil. Grals" ("Queste du St. Graal"), der Roman von Merlin, von Lancelot du Lac, "La mort Artur", der Roman von Tristan. (Vgl. P. Paris, Les romans de la Table ronde, 5 Bde., Par. 1868-77.)

In derselben Weise wurden auch biblische und orientalische Sagen bearbeitet, nachdem die Bibel durch Paraphrasen der Geistlichen, der Orient durch das Schwert der Kreuzritter auch den Laien und weltlichen Sängern des Occidents aufgeschlossen worden waren, wie z. B. in den epischen Gedichten von Judas Makkabäus, Barlaam und Josaphat von Gui de Cambrai (hg. von Zotenberg und Meyer, Stuttg. 1864), Heraklius von Gautier d'Arras (um 1218), Cléomadès von Adenes li Rois (hg. von Van Hasselt, 2 Bde., Brüss. 1865-66), Flore und Blancheflor nach maur. Sagen (hg. von Bekker, Berl. 1844, und von Du Méril, Par. 1856) u. s. w. - Endlich sind teils vereinzelte lokale, teils gemischte Sagen, die nur äußerlich an einen der größern volkstümlichen Sagenkreise angelehnt wurden, auch in größern epischen Gedichten bearbeitet worden. So in den Romanen "Méraugis" von Raoul de Houdenc (hg. von Michelant, Par. 1869), "Partenopeus de Blois" (hg. von Crapelet, ebd. 1834), "Comte de Poitiers" (hg. von Michel, ebd. 1831), und dieselbe Sage in mehr kunstgemäß-ritterlicher Form und mit lyrischen Einschaltungen im "Roman de la Violette" von Gerbert de Montreuil aus dem ersten Viertel des 13. Jahrh. (hg. von Michel, ebd. 1834). Eine dem letztern ähnliche Form und Behandlung des Stoffs zeigen die Romane "Chastelain de Coucy" und "Guillaume de Dole", und die halb in Prosa, halb in Versen verfaßte Erzählung "Aucassin et Nicolete" (hg. von Suchier, 3. Aufl., Paderb. 1889; deutsch von Hertz, Wien 1865) u. s. w.

Während ein großer Teil dieser Dichtungen infolge ihres ritterlich- oder geistlich-internationalen Charakters sich zur Aufnahme und Nachbildung bei den Nachbarvölkern Frankreichs eignete, ist im ganzen die volkstümliche Heldendichtung, die auch in diesem Zeitraum den Höhepunkt erreichte, seltener über die Grenzen des franz. Sprachgebietes hinausgewandert, obgleich auch hier einzelne Dichtungen, wie das Rolandslied, schon frühzeitig von Deutschen, Engländern, Skandinaviern und insbesondere von Italienern bearbeitet und übertragen wurden.

Im 12. Jahrh. werden die ältern Gesänge erneuert, verjüngt, hier und da ergänzt und untereinander in Übereinstimmung gebracht. Zuletzt treten die Spielleute mit ganz neuen Erfindungen hervor, die schon Anklänge an die Artusromane und die morgenländ. Sagenstoffe enthalten, und mit dem Reize ritterlicher Liebesverhältnisse und Abenteuerlichkeit ausgestattet, von dem alten Thema des Heldenliedes vollständig abweichen. Um die Masse von Gedichten, deren handschriftliche Überlieferung zwischen 1150 und 1470 fällt, in Gruppen zu ordnen, sind verschiedene Versuche gemacht worden. Am einfachsten ist folgende Einteilung: a. Lieder, die von den Kriegen handeln, in denen unter Führung der Könige mit den Feinden des Reichs und des Christenglaubens gestritten wurde. Sie enthalten die ältesten Bestandteile der nationalen Epik. Außer den Gedichten aus der vorhergehenden Periode sind hierher zu rechnen die "Chanson des Saisnes" (bearbeitet von Jehan Bodel, Ende des 12. Jahrh.), "Aspremont", "Les enfances Ogier le Danois", "Berte", "Mainet"), "Couronnement de Louis", und ferner der aus dem Süden stammende, in der Folgezeit ungemein reich entwickelte Sagenkreis von Guillaume d'Orange u. a. b. Epen, welche die Kämpfe der Feudalherren mit dem Königtum und untereinander darstellen. In der ersten Gruppe treten hervor "Renaud de Montauban") oder "Les quatre fils Aimon" (hg. von Michelant, Stuttg. 1862),