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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Frau (Weib)

heit auszeichnete, des Mannes Genossin in Freud und Leid, die Herrin im Hause, die dem Manne aber auch in die Schlacht folgte, ihn zum Kampfe anfeuerte und seine Wunden verband. Die Germanen sahen in den F. etwas Heiliges und Weissagendes, sie suchten in schwierigen Fragen ihren Rat.

Zu einem wahren Kultus erhob sich seit dem 10. Jahrh. die Verehrung der F. zur Zeit der höchsten Blüte des occident. Rittertums. Sänger und Ritter huldigten in willenloser Unterwerfung der Macht weiblicher Schönheit. Für die F. dichtete man, für sie zog man in den Kampf und zu Turnieren, ihre Gunst wird das höchste Lebensglück, ihnen zollt man eine hingebende Schwärmerei, die zuweilen einen fast religiösen Charakter annimmt. Allerdings drang dieser ideale Standpunkt des Rittertums nirgends tief ins Leben ein, sondern bildete sich mehr wie ein auf der Oberfläche der Gesellschaft sich abspielendes reizendes, phantastisch dekoriertes Schauspiel aus, worin die tiefsinnige und religiöse Schwärmerei den klaren Gedanken überwog, während im alltäglichen Leben immer noch häufige Spuren von brutaler Verachtung des weiblichen Geschlechts und Verhöhnung seiner Rechte unterliefen. Immerhin wirkte der Minnedienst zeitweilig auf die Hebung der Sitte und Kunst sehr bedeutend und segensreich ein. Aber mit dem 14. Jahrh. verliert er mehr und mehr an Kraft und verschwindet in den grobianischen Zeiten des 15. und 16. Jahrh. zumal in Deutschland vollständig. Aber eine neue Kulturwelle, ein Ausläufer der Renaissance, hob den Einfluß der F. wieder, wenigstens äußerlich, besonders im 17. Jahrh. Es war das die oberflächliche Galanterie, gemischt aus schäferlich-arkadischen und chevaleresken Elementen, steif und frivol, ceremoniös und kokett zu gleicher Zeit, die zumal in Frankreich herrschte und von da aus in andere europ. Länder hinüberwirkte. Es bildeten sich bestimmte Regeln für das Schickliche; man lernte nach dem Anstande lieben; geistreiche F. hatten den Vorsitz in litterar. Cirkeln; franz. Hofetikette und franz. Maitressenwesen traten mit dieser Galanterie in Verbindung, und auch an mehrern kleinern deutschen Höfen ward mit Frivolität und üppiger Vergnügungssucht diese galante Form des Umgangs zwischen beiden Geschlechtern nachgeahmt.

Andererseits war es aber Deutschland, wo das Ideal der ritterlichen Minne seine edelste Wiedergeburt erlebte. Das geschah vor allem durch die deutschen Dichter des 18. Jahrh., Klopstock an der Spitze. Von neuem wird die F. die verehrte und gefeierte Vertreterin der höchsten sittlichen und ästhetischen Ideale. Die sentimentale Richtung, die von Klopstock bis in Goethes Anfänge herein in unserer Dichtung herrscht, entspricht dem Grundwesen der deutschen F., die mehr gemütvoll und häuslich-schlicht als witzig und geistreich ist, bei der daher im Gegensatz zur roman. Galanterie die Liebe und der Umgangston weit eher nach der Seite des Ernstes und der Empfindsamkeit, der innigen Sympathie und träumerischen Schwermut herüberneigte. Gerade die ans dieser Richtung sich ergebenden Überschwenglichkeiten, die von Lessing, Wieland, Goethe und Schiller vermieden und auf ihr richtiges Maß zurückgeführt wurden, charakterisieren am genauesten die Höhe des german. Frauenideals, weil in ihnen die Sprache des vollen Herzens, wenn auch überschwenglich und übertrieben, zu Tage trat. Dieser Vertiefung des Ideals ist seitdem aber auch die Gegenströmung einer sog. Emancipation der F. entgegengetreten, deren Tendenz im 19. Jahrh. besonders in den Saint-Simonisten und durch Schriftstellerinnen wie George Sand Vertreter fand und die noch heute eine große Rolle spielt.

In rechtlicher Beziehung ist nach dem gegenwärtigen Rechtszustande auf dem Gebiete des Privatrechts das weibliche Geschlecht fast durchgängig kein Grund einer Beschränkung der Handlungsfähigkeit, wie das früher der Fall war. Die Geschlechtsvormundschaft über unverheiratete F. ist in Deutschland und andern Ländern durchgängig beseitigt. Eine Beschränkung tritt ein durch die Ehe, so lange diese besteht, zufolge der Rechte des Ehemanns am eheweiblichen Vermögen (s. Ehefrau). Die F. sind, wenn nicht etwas anderes bestimmt ist, unfähig, in Lehen und Familienfideikommissen zu folgen, weil, abgesehen von dem geschichtlichen Zusammenhang der Lehen mit dem Kriegsdienst, die Familie, um deren vermögensrechtliche Dotierung es sich bei jenen Gütern handelt, wie der Familienname nur durch den Mannsstamm fortgepflanzt wird. Die Beschränkung der F. bei Bürgschaften haben die meisten neuern Gesetze beseitigt. Bestehen geblieben ist die Unfähigkeit der F. zu Vormundschaften (mit Ausnahme der über die eigenen Kinder) und die Unfähigkeit, als Zeuge bei Rechtsgeschäften (z. B. Testamentszeuge) aufzutreten. Vor Gericht darf sich die F., soweit der Anwaltszwang auch nicht für Männer besteht, selbst auch in Prozessen vertreten. Die F. ist nicht unfähig, Schiedsrichter zu werden, aber sie kann von jeder Partei abgelehnt werden. Dagegen werden die F. als Richter, Geschworne, Schöffen nicht berufen und sind bisher als Rechtsanwälte nicht zugelassen; auch sind F. nicht berechtigt, öffentlich zu wählen oder gewählt zu werden. Daß F. überhaupt gesetzlich unfähig wären, öffentliche Staats- oder Gemeindeämter zu bekleiden, läßt sich nicht sagen, entspricht auch nicht dem thatsächlichen Zustande. F. sind als Lehrerinnen an öffentlichen Lehranstalten, in der kaiserl. Post- und Telegraphenverwaltung, im staatlichen Eisenbahndienst zugelassen. - Besonders ungünstig und reformbedürftig war die vermögensrechtliche Stellung der verheirateten F. nach engl. Recht. Doch ist durch das Gesetz zum Schutz der Ehefrauen der ärmern Klasse von 1870 und durch die Ehefrauen-Eigentumsakte von 1882 das geltende Recht seiner größten Härten entkleidet worden. Ein wunder Punkt ist die Rechtlosigkeit des unehelichen Kindes und seiner Mutter dem Vater gegenüber im franz. Rechte. - Die Kirche hat die aktive Teilnahme der F. abgelehnt: mulier taceat in ecclesia. Doch ist das in der prot. Kirche bezüglich der Teilnahme an den Geschäften der Gemeinde nicht ohne Ausnahme geblieben. (S. Frauenarbeit und Frauenfrage.) - Vgl. Meiners, Geschichte des weiblichen Geschlechts (4 Tle., Hannov. 1799-1800); Laboulaye, Recherches sur la condition civile et politique des femmes depuis les Romains jusqu’à nos jours (Par. 1843); Weinhold, Die deutschen F. im Mittelalter (Wien 1851; 2. Ausg., 2 Bde., ebd. 1882); Jung, F. und Männer (Königsb. 1847); Klemm, Die F. Kulturgeschichtliche Schilderungen (6 Bde., Dresd. 1854-58); J.^[Jules] Michelet, La femme (Par. 1860; deutsch von Spielhagen, 2. Aufl., Lpz. 1875); Zapp, Geschichte der deutschen F. (Berl. 1872); W. Hoffmann, Der Zustand des weiblichen Geschlechts in der Heidenwelt (3. Aufl., Heidelb. 1873); Scherr,