Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

322
Friedrich Wilhelm (Kurfürst von Brandenburg)
RegenZburger Reichstage, wo über die Neuordnung
der Reichsverfassung beratschlagt wurde, trat immer
deutlicher als Ziel der österr. Politik das Streben
hervor, die Neformbestimmungen des Westfälischen
Friedens beiseite zu schieben und die Beratung der
Verfassung zu hintertreiben. Dies durchschauend,
entschloß sich F. W. zu einem Frontwechsel, er
trat (Nov. 1653) zu der Opposition über und er-
reichte bald, daß wenigstens ein Teil der im Frieden
gegebenen Versprechungen vom Kaiser eingelöst
wurde. Waldeck, der die Leitung der Reichspolitik
erhielt, richtete seine Absicht dahin, zwischen Bran-
denburg und andern norddeutschen Staaten eine
Union herzustellen; mit Hessen - Cassel, mit den
braunschw. Fürsten und auch mit einem Katholiken,
dem Erzbischof von Köln, Maximilian Heinrich,
wurden Unterhandlungen eingeleitet. Aber ehe sie
zum Abschluß gelangen konnten, wurde durch den
Krieg zwischen Polen und Schweden die brandenb.
Politik in ganz andere Bahnen gerissen. (S. Schwe-
disch - Polnisch - Brandenburgisch - Dänischer Krieg
von 1655 bis 1660.) Als im Verlauf des Krieges
Brandenburg mit Polen und mit dem Kaiser sich ver-
binden mußte, schied Graf Wald eck aus des Kurfürsten
Dienst aus. Ihm folgte als einflußreichster Ratgeber
Otto von Schwerin. Des Krieges Ergebnis war die
durch die Verträge von Labiau, Wchlau und Oliva
gewährleistete Souveränität des Herzogtums Preu-
ßen, die Lösung von der poln. Lebnshoheit.
In den I. 1660-72 wandte sich die Thätigkeit
F. W.s vor allem auf die innere Politik, auf die Ord-
nung der Verwaltung und die Hebung des Wohl-
stands. Doch zunächst galt es, die Stände der ein-
zelnen Territorien niederzuwerfen, die sich seit den
letzten hundert Jahren zu völligen Mitregenten des
Staates aufgeschwungen hatten. InCleve-Mark
hatten die Stände bei der Holland. Aristokratie eifrige
Unterstützung gefunden und waren auch vom Kaiser
und dem Ncuburger Pfalzgrafen begünstigt worden;
durch die Rczcsse von 1649 und 1653 hatten sie
mehrfache Erfolge über die fürstl. Gewalt davonge-
tragen und fast volle Selbstherrlichkeit gewonnen.
Nach dem Olivacr Frieden kehrte F. W. an der Spitze
seiner Armee nach Eleve zurück; es gelang nun 1660
und 1661, wenigstens die wichtigsten polit. Sonder-
rechte den Ständen wieder zu entziehen. - In
Brandenburg hatte schon der Landtag von 1653
eine Auseinandersetzung gebracht. In den folgen-
den Jahren wurde namentlich die finanzielle Macht
der märkischen Stände gebrochen. Das verschuldete
ständische Krcditwerk, welches drei Landessteuern
verwaltete, die ganz und gar in die Hände der Stände
gelangt waren, wurde durch kurfürstl. Kommissare
wiederholten Revisionen unterzogen und zuletzt aller
Bedeutung beraubt. Durch (Einführung der städti-
schen Accise wurde das Steuerbewilligungsrecht der
Stände wenigstens für die Abgaben der Städte be-
seitigt. Das bisber freie Versammlungsrecht der
ständischen Ausschüsse wurde eingeschränkt, die Lei-
tung der Ausschußverhandlungen seit 1683 an kur-
fürstl. Beamte übertragen. - Am leidenschaftlichsten
wurde in Ostpreußen der Kampf zwischen dem ererb-
ten Recht der Privilegierten und dem neuen Fürsten-
recht geführt. Der zum Teil schon halb poln. Adel,
der nach der poln. Libertät begehrte, die ostpreuß.
Städter voll Trotz und Eigensinn, die streng luth.
Geistlichkeit, die von dem kath. Polenkönige weniger
sich bedroht glaubte als von dem reform. Branden-
burger, sie alle vereinigten sich, um dem Kurfürsten
die im Frieden von Oliva erworbene Souveränität
zu bestreiten, sie weigerten ihm die Huldigung. Erst
als F. W. selbst im Okt. 1662 mit einem Heere in
Königsberg erschien, folgte ein Wandel. Bei gegen-
seitigem Nachgeben kam mit den Ständen ein Frie-
densschluß zu stände durch die Assekurationsakte
vom Mai 1663; am 18. Okt. huldigten die Ost-
preußen im Beisein der poln. Kommissare dem
souveränen Herzog von Preußen. Gegen den auf-
sässigen Junker Christian Ludwig von Kalkstein, der
nach Polen ging und von Warschau aus gegen den
Kurfürsten hetzte, lieft sich F. W. zu einer Gewalt-
that fortreißen; Kalkstein wurde in Warschau er-
griffen, heimlich über die Grenze geschleppt und im
Nov. 1672 in Memel enthauptet.
Nachdem durch den märkischen Landtag von 1653
die ersten Kosten für ein stehendes Heer bewilligt
worden waren, widmete sich der Kurfürst unausge-
setzt der weitern Vervollkommnung seiner Truppen,
besonders suchte er die Selbständigkeit der Regi-
mentsinhaber, der Obersten, zu beschränken, die bis-
her auf Grund ihrer Kapitulationen die von ihnen
geworbenen Truppen allein in der Hand batten
und eine Inspektion durch den Kurfürsten nicht zu-
ließen. Die Reiterei wurde durch Derfflinger, die
Artillerie durch Sparr organisiert. Eine Lieblings-
schöpfung F. W.s war die brandenb. Flotte, die im
zweiten Schwedischen Kriege gegen Schweden, 1680
und 1681 gegen Spanien focht und an 30 Kriegs-
fahrzeuge zählte.
Die schon 1651 und 1652 begonnenen Finanz-
reformen wurden von neuem aufgenommen, die
Verwaltung der Domänen weiter verbessert, die aus
dem Dreißigjährigen Kriege verbliebenen übermäßi-
gen Schulden getilgt, die verpfändeten Staatsgüter
eingelöst, über den Amtmännern, denen die Ver-
waltung der einzelnen Domänen anvertraut war,
standen für die verschiedenen Provinzen die neuein-
gerichteten Amtskammern, die ganze Verwaltung
wurde einheitlich zusammengefaßt durch das Kolle-
gium der "Staatskammerräte", später durch ein-
zelne leitende Persönlichkeiten, wie Kanstein, Glade-
beck, Knyphausen. Auch der Geh. Staatsrat wurde
durch den Kurfürsten in mehrfacher Hinsicht umge-
staltet. Durch die von F. W. teils ganz neu ge-
schaffenen, teils aus ältern weiter entwickelten Be-
hörden wurde der Grund gelegt für die Ausbildung
des prcuß. Beamtentums. Eine besonders rege per-
sönliche Teilnahme widmete er den kirchlichenFragen.
Sein Lieblingsgedanke blieb die Union der Refor-
mierten und Lutheraner, sie fand aber bei den Geist-
lichen keine Unterstützung. Mit Rat und That nahm
sich F. W. der bedrängten Glaubensgenossen in den
kath. Ländern an. Der Aufhebung des Edikts von
Nantes folgte auf dem Fuße das berühmte Pots-
damer Edikt (1685), durch das den verfolgten franz.
Ealvinisten die kurfürstl. Lande geöffnet, Mittel und
Wege zur Auswanderung an die Hand gegeben
wurden. (S. Refugie's.) Wie die Einwanderung der
Franzosen für das Aufblühen der Städte und der
Industrie epochemachend gewirkt hat, ähnlich bat die
besonders von der Kurfürstin Hcnriette begünstigte
Aufnahme von Holländern den Ackerbau und die
Viehzucht, die Moorkultur, die Kanalanlagen, die
Entwässerungsarbeiten in den Marken außerordent-
lich gefördert. Auck trat F. W. mit lebhaftestem per-
sönlichem Interesse für die Ausbreitung des Handels
und des Verkehrs und für die Begründung von über-
seeischen Kolonien ein. Die brandenb. Post wurde zu