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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Friedrich Wilhelm (Kurfürst von Brandenburg)
einer Musteranstalt erhoben, der Müllroser- oder
Friedrich-Wilhelmskanal angelegt, der bestimmt war,
den großen poln.-schles. Handel dnrch die kurfürftl.
Lande zu leiten. 1681 wurden an der Goldküste im
Königreich Arim (s. Ahanta) die ersten Verträge
abgeschlossen, 1682 dicVrandenburgisch-Afrikanifcke
Compagnie begründet. Außerdem wurden auch in
Scncgambicn ausgedehnte Küstengebiete erworben
und zu ihrem Schutz auf einer Insel die Feste Arguin
erbaut. In Amerika ward auf der dän. Insel St.
Thomas eine brandend. Faktorei angelegt.
In der auswärtigen Politik stand Brandenburg
nach dem Frieden von Oliva fast vereinzelt. In
Clcve ward der alte Erbstreit mit Pfalz-Neuburg
endgültig geregelt. Im Juni 1666 wurde Magde-
burg, das nach der Reichsunmittelbarkeit strebte,
durch ein Truppenkorps gezwungen, dem Kurfürsten
als künftigen Landesherrn zu huldigen und eine
kurfürstl. Garnison in seinen Mauern aufzunebmen.
Durch eine Kette von Allianzen suckte sich F. W. im
Besitz seiner Länder zu sichern. Die ihm angetragene
poln. Königskrone schlug er aus (1669), ebenso
weigerte er sich entschieden, an dem Eroberungszuge
Ludwigs XIV. gegen Holland teilzunehmen. Durch
die überraschend schnellen Erfolge der franz. Waffen,
durch den Zusammenbruch des Holland. Staates
sah F. W. nicht bloß den Protestantismus, sondern
auch die deutschen Westgrenzen gefährdet. Um sie
zu schützen, erklärte er den Krieg an Frankreich;
doch der Feldzug am Mittelrhein (1672) führte zu
keinem Ergebnis, da die österr. Bundesgenossen an
dem Kriege nur zum Schein sich beteiligten. Anfang
1673 wurden die Verbündeten auch in Westfalen
von Turenne zurückgedrängt. Da es F. W. nicht
gelang, Kaifer und Reich mit sich fortzureißen, da
vielmehr der leitende Minister in Wien, Fürst Lob-
kowitz, alle Bewegungen hemmte und bis zu offenem
Verrat ging, so entschloß sich der Kurfürst zu einem
Separatfrieden, der im Juni 1673 in Vossem fest-
gestellt wurde; doch behielt sich F. W. ausdrücklich
für einen Reichskrieg seine Pflichten als Neichsfürst
vor. Schon 1674 wurde der Neichskrieg gegen
Frankreich beschlossen; die Brandenburger und die
Reichstruppen gingen über den Rhein und drangen
im Elsaß vor, wurden aber 1675 wieder zurückge-
drängt. Auf dem Rückzug nach Franken erhielt der
Kurfürst die Nachricht, daß die Schweden, die Ver-
bündeten Frankreichs, in die Kurlande eingebrochen
seien. Er entwarf mit seinem Neffen, dem Oranier,
einen gemeinfamen Kriegsplan gegen Frankreich
und Schweden und sicherte sich die Unterstützung
der Holländer, Österreicher und mehrerer norddeut-
schen Staaten. In Eilmärschen brach das brandend.
Heer von Franken aus nach der Heimat auf. In
der Nacht zum 15. Juni gelang es Derfflinger, eine
schwcd. Abteilung in Rathenow zu überfallen, der
wichtige Havelübergang wurde besetzt. Damit war
die schwed. Aufstellung mnnordö st l. Havelufer durch-
brochen. Der Kurfürst folgte dem fchleunig sich zu-
rückziehenden Hauptheer unter Waldemar Wrangel,
ereilte es am Morgen des 28. Juni bei dem Dorfe Ha-
kenberg und brachte in einer glänzenden Neiterschlacht
den Schweden eine sehr empfindliche Niederlage bei.
(S. Fehrbellin.) Noch 1675 nahmen die Branden-
burger die Inseln Wollin und Usedom sowie die
Festung Wolgast; 1677 wurde nach einer schweren
Belagerung Stettin überwältigt, im folgenden Jahre
auch der llbergang nach Rügen vollzogen und die
Festungen iHtralsund und Greifswald eingenommen.
Danach war ganz Pommern dem Kurfürsten unter-
worfen. Noch einen letzten Versuch wagten die Be-
siegten. Von Livland her brach ein schwed. Korps
unter Horn in Ostpreußen ein. F. W. sandte ihnen
den General von Görtzke entgegen, dann traf er
selbst an der Weichsel ein. Die Schweden waren
bereits auf dem Rückzüge. Rastlos jagte ihnen der
Kurfürst mitten im Winter bei schneidender Kälte
nach, auf 1000 Schlitten ging es über das Kurische
Haff; bis zwei Tagemärsche vor Riga setzten Treffen-
feld und Schöning dem flüchtenden Feinde nach.
Der Kurfürst stand allerorts als Sieger da. Allein
seine Hoffnungen sollten furchtbar getäufcht werden.
Alle Verbündeten Brandenburgs, Holland, der Kai-
ser und die Reichsstände, hatten mit Frankreich Frie-
den geschloffen und den Kurfürsten in Stich gelassen.
Den gebieterischen Forderungen Ludwigs XIV., der
für Schweden eintrat, mußte sich F. W. endlich fügen.
Schweren Herzens leistete er von neuem Verzicht
auf Stettin und Vorpommern, nur die Landstriche,
die 1653 bei dem Stettiner Vertrag ihm noch abge-
nommen waren, wurden durch den Vertrag von
Et. Germain (Juni 1679) zurückgegeben. Die Ver-
bindung mit dem unzuverlässigen Hause Osterreich
erschien wertlos; der Kurfürst trug jetzt kein Be-
denken, auf die von Frankreich ihm gemachten Er-
bietungen einzugehen. Im Okt. 1679 wurde eine
geheime Allianz vereinbart. Der erneute Verlust
Pommerns war nicht das einzige, was F. W. dem
Kaiserhofe fchuld gab. Als 1675 während des Schwe-
dischen Krieges die Piastenfamilie in Schlesien aus-
starb, da ließ Kaiser Leopold die Herzogtümer Lieg-
nitz, Vrieg und Wohlau, die nach den Erbverträgen
an Brandenburg kommen mußten, als heimgefallene
böhm. Lehen einziehen und weigerte dem Kurfürsten
die Herausgabe ebenso wie er das Herzogtum Iägern-
dorf fortdauernd ihm vorenthielt. Einen gewissen
Ersatz für die Verluste in Pommern und Schlesien
bildeten mehrere friedliche Erwerbungen, die Bran-
denburg in den nächsten Jahren zufielen. Nach dem
Tode des Administrators von Magdeburg trat F. W.
1680 die Herrschaft über das Herzogtum Magde-
burg an, 1687 wurde von Sachsen Stadt und Amt
Burg hinzuerworben. Die litauischen Herrschaften
Serrey und Tauroggen überließ die Prinzessin
Luise Radziwill dem Kurhause; in Ostfriesland
erhielt Brandenburg das Vesatzungsrecht der wich-
tigen Nordseehäfen Emden und Greetsiel. Die De-
fensivallianz mit Frankreich wurde im Jan. 1681
erneuert; den Übergriffen Ludwigs XIV. durch die
berüchtigten Reunionskammern (s. d.) vermochte
F. W. nicht entgegenzutreten. Die Schwäche und
Nutzlosigkeit der gegen Frankreich geschlossenen
Associationen erkennend, hielt F. W. für geraten,
in das Unvermeidliche sich vorläufig zu schicken, die
letzten Erwerbungen Frankreich zu überlassen, aber
durch einen Vertrag das Reich vor weitern Gewalt-
thaten Ludwigs XIV. sicher zu stellen. Hauptsächlich
d es Kurfürsten Werk war der im Aug. 1684 zu Regens-
burg geschlossene 20jährige Waffenstillstand, nach
welchem alles bis zum 1. Aug. 1681 Eroberte und
außerdem Straßburg Frankreich zugesprochen wurde.
Bald trat jedoch eine Erkaltung in den Beziehungen
zu Frankreich ein. Ludwig XIV., wiewohl mit
Schweden entzweit, widersetzte sich doch den bran-
denb.-hannov. Plänen gegen Schweden. Eine De-
fensivallianz, die F. W. mit Wilhelm III. von Holland
einging, erregte in Paris große Entrüstung. Die
so beginnende Entfremdung zwischen Frankreich
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