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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Friedrich II. (König von Preußen)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Friedrich II. (König von Preußen)'

er sah, wie der Prinz nur allzu sehr seiner Umgebung nachgab, so griff er mit Härte und Gewalt ein, um den Sohn auf den richtigen Weg zu führen. Dadurch wurde der Prinz dem Könige immer mehr entfremdet. Reicher und vielseitiger beanlagt als der Vater, widerstrebte er dem ihm auferlegten Zwang und der pedantischen, einseitig praktischen und militär. Erziehung. Die litterar. und die heimlich gepflegten künstlerischen Neigungen des Prinzen, seine Vorliebe für die Musik, für die Dichtkunst und franz. Litteratur wurden genährt und gestärkt durch den Einfluß, den die Mutter, die ältere Schwester Wilhelmine und sein Lehrer Duhan gewannen. Allem hingegen, was von dem Könige ausging, brachte der Prinz eine unverhohlene Abneigung entgegen. So wuchs die Spannung von Jahr zu Jahr. Sie erreichte ihren Höhepunkt, als das Projekt, F. mit einer engl. Prinzessin zu vermählen, scheiterte und der Kronprinz nun seine letzte Hoffnung, aus dem Druck des väterlichen Hauses befreit zu werden, geschwunden sah. Er und seine Freunde unterhielten eine höchst bedenkliche Verbindung mit den engl. und franz. Gesandten, mit den Gegnern der Politik des Vaters. Als neue Mißhandlungen von seiten des Vaters erfolgten, entschloß sich der Kronprinz zur Flucht. Seine Jugendfreunde, die Lieutenants von Katte und von Keith, wußten um das Geheimnis und betrieben die Vorbereitungen. Die Flucht sollte auf einer Reise ins Werk gesetzt werden, die der König mit dem Kronprinzen im Sommer 1730 nach Süddeutschland und nach dem Rhein unternahm. In einem Dorfe bei Mannheim wurde der Versuch durch die Wachsamkeit des Oberstlieutenants von Rochow vereitelt; der ins Vertrauen gezogene Page Keith, ein Bruder des genannten, legte dem Könige ein Geständnis ab. F. wurde als Deserteur verhaftet, erst in Wesel, dann in Cüstrin strengem Verhör unterworfen. Katte wurde in Berlin festgenommen und dann auf besondern Befehl des Königs unter den Fenstern des Kronprinzen in Cüstrin hingerichtet. Auch F. fürchtete für sein Leben. Indessen ist es eine Fabel, daß der König anfänglich die Absicht gehabt haben soll, den Sohn mit dem Tode zu bestrafen; vielmehr dachte er nur daran, ihn von der Thronfolge auszuschließen. Auch ist unrichtig, daß erst auf Fürsprache des kaiserl. Hofs Friedrich Wilhelm für Begnadigung des Prinzen sich entschieden habe. Aber immerhin hatten die Vorgänge dazu geführt, daß die österr. Partei, die Partei des Gesandten Grafen Seckendorff und des Generals Grumbkow, am Berliner Hofe vollständig die Oberhand gewann. Nach einigem Sträuben entschloß sich F. die Vermittelung seines Feindes Grumbkow anzurufen. Seine anfänglich sehr strenge Haft wurde gemildert; im Dezember trat er als jüngster Kriegsrat bei der neumark. Kammer ein und wurde von dem Kammerdirektor Hille in Finanz- und Handelssachen unterrichtet. Bei der Hochzeit der Prinzessin Wilhelmine im Nov. 1731 erschien der Kronprinz zum erstenmal wieder am Hofe in Berlin, im nächsten Jahre erhielt er als Chef das Infanterieregiment in Ruppin. Nach dem rücksichtslosen Willen des Vaters mußte er sich ganz wider seine Neigung 1733 mit der Prinzessin Elisabeth Christine (s. d.) von Braunschweig-Bevern vermählen. Unter dem Prinzen Eugen von Savoyen wohnte er 1734 dem Rheinfeldzug im Polnischen Thronfolgekrieg bei. Im Herbst 1736 bezog F. mit seiner Gemahlin das neue, von Knobelsdorff ausgebaute Schloß zu Rheinsberg. Ungestört konnte er jetzt seinen Lieblingsneigungen, der Musik, dem Studium der Philosophie und der franz. Klassiker sich widmen, von gleichgesinnten Freunden umgeben ein heiteres und geselliges Leben führen und sich auch in ernster Weise auf seinen Herrscherberuf vorbereiten. Ein reger Briefwechsel ward mit Voltaire angeknüpft, unter dessen Einfluß sich F. allmählich von der Philosophie Christian Wolffs ab- und derjenigen Lockes zuwandte. Wie regen Anteil der Kronprinz an der Politik nahm und wie hohe Anforderungen er an den Fürsten stellte, beweisen seine ersten größern Schriften, die "Considérations sur l'état présent de l'Europe", eine gegen Frankreich gerichtete Flugschrift, sowie der Antimachiavel, gleichsam das Regierungsprogramm F.s. Auch für das Wirken Friedrich Wilhelms I., für seine Militär, und ökonomischen Bestrebungen gewann F. jetzt Verständnis. Vater und Sohn waren vollständig ausgesöhnt, als jener aus dem Leben schied.

Am 31. Mai 1740 bestieg F. den Thron Preußens. Mit Feuereifer übernahm er die Regierungsgeschäfte, auf allen Gebieten gleich rastlos thätig. Die Akademie der Wissenschaften wurde neu hergestellt, der vertriebene Philosoph Wolfs zurückberufen, Maupertuis und andere führende Geister nach Berlin gezogen, Knobelsdorff mit dem Bau eines Opernhauses beauftragt, eine neue Zeitung in Berlin ins Leben gerufen; auch der König selbst scheute sich nicht, seine gewandte Feder in den Dienst der öffentlichen Meinung zu stellen; Preßfreiheit ward, wenigstens für litterar. und wissenschaftliche Fragen, verkündet; auf kirchlichem Gebiete wurde für die christl. Konfessionen Religionsfreiheit proklamiert. Sein Interesse für die Handelspolitik bethätigte F., indem er jetzt ein eigenes Handelsdepartement im Generaldirektorium errichtete. Die Justizverbesserung wurde sogleich in die Hand genommen, das grausame Strafrecht gemildert, die Tortur aufgehoben. Wenn in der Verwaltung allenthalben ein freierer Geist sich geltend machte, so blieb doch im Grunde und dem Wesen nach die Verwaltung des Vaters bestehen. Auch in der Besetzung der Beamten- und Offiziersstellen trat fast keinerlei Änderung ein. Eine der ersten Regierungshandlungen war, daß 17 neue Bataillone, ein Husarenregiment und das Regiment Garde-du-Corps errichtet wurden. Persönliche Ruhmbegierde sowie der Wunsch, dem preuß. Staate auch im Ausland Ansehen und Achtung zu verschaffen, lenkten F. auf das Gebiet der großen Politik und auf das der kriegerischen Aktion. Vorerst schloß er sich keiner der großen Mächte an. In den ersten Monaten richtete sich F.s Politik auf die Erwerbung von Berg, um die Friedrich Wilhelm I. sich seit 15 Jahren vergeblich bemüht hatte. Dem Fürstbischof von Lüttich, der sich schon seit längerer Zeit Hoheitsrechte über die in Belgien gelegene preuß. Herrschaft Herstall angemaßt und dem Einspruch Friedrich Wilhelms I. Trotz geboten hatte, wurde jetzt in brüskem Ton eine Bedenkzeit von 2 Tagen gestellt; darauf rückten drei Bataillone und eine Dragonerschwadron in das Lütticher Gebiet und zwangen ihn schnell, dem Willen des Königs nachzugeben.

Bald sollte sich ein weit größerer Schauplatz eröffnen , auf dem F. die Kraft seines Genius voll entfalten konnte. 1740 starb der letzte Habsburger, Kaiser Karl VI. Sogleich erhob sich der Streit um das österr. Erbe; dem preuß. Könige bot sich die

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 338.