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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Gambenwerk; Gambesson; Gambetta

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Gambenwerk - Gambetta

hatte man G. in verschiedenen Größen und Lagen. Auf dem Griffbrett waren Bünde angebracht, die den Fingern ihre Stelle anwiesen. Die G. war in allen Kulturländern Europas schon im 15. Jahrh. bekannt und andauernd beliebt. Seit der Mitte des 18. Jahrh. wurde sie vom Violoncello verdrängt; der letzte große Virtuos auf der G. war Karl Friedr. Abel (s. d.). – In der Orgel ist G. oder Viola da Gamba der Name eines den Ton jenes Bogeninstruments nachahmenden achtfüßigen Registers.

Gambenwerk, auch Gambenfügel, Geigenklavier, Klaviergambe, Bogenflügel, ein von Hans Heyden in Nürnberg um 1610 erfundenes Instrument, in Klavierform gebaut, mit Darmsaiten bezogen und mit einer Tastatur versehen. Grundgedanke war, die Vorzüge der Streichinstrumente (die beliebig langgezogene und in ihrer Klangstärke modifizierbare Töne erzeugen) mit der Leichtigkeit des Klavierspiels zu verbinden. Heydens G. benutzte kolophoniumbestrichene Räder zum Anstreichen der Saiten, die durch ein Schwungrad gedreht wurden. Dasselbe Ziel verfolgten Gleichmann, Hohlfeld, Greiner, Meyer, Kunz und Rölligs Xaenorphica oder Tastengeige (1801).

Gambesson (frz., spr. gangbessóng), s. Gambison.

Gambetta, Léon, eigentlich Napoléon, franz. Staatsmann, geb. 3. April 1838 zu Cahors aus einer genuesischen Familie jüd. Herkunft, studierte die Rechte und ließ sich 1859 in Paris als Advokat nieder. Bei den Wahlen zum Gesetzgebenden Körper 1863 nahm er zuerst einen thätigen Anteil an der Wahlagitation für Emile Ollivier, nachdem er sich in einigen polit. Prozessen neben seinen Parteigenossen Favre, Crémieux u. s. w. bemerklich gemacht hatte. Als im Nov. 1868 der Minister Pinard die Zeitungen, welche die Subskription zu einem Denkmal für den am 3. Dez. 1851 auf den Barrikaden gefallenen Volksvertreter Baudin eröffnet hatten, gerichtlich verfolgen ließ, übernahm G. die Verteidigung eines der angeklagten Redacteure und hielt dabei eine feurige Rede, worin er den Staatsstreich vom 2. Dez. und das zweite Kaisertum auf das schonungsloseste angriff. Von daher stammt sein Ruf als polit. Redner, er wurde seitdem öfters zu polit. Plaidoyers herangezogen und von der radikalen Partei bei jeder Gelegenheit als einer der «Unversöhnlichen» gefeiert. Bei den Wahlen von 1869 wurde G. sowohl zu Paris wie zu Marseille in den Gesetzgebenden Körper gewählt und erregte durch seine effektvolle Beredsamkeit großes Aufsehen. Er wandte sich insbesondere gegen das Plebiscit vom April 1870 und den Minister Ollivier, den er der Abtrünnigkeit beschuldigte. Am 15. Juli 1870 tadelte er zwar das Verfahren der Regierung bei der Kriegserklärung, stimmte aber für die verlangten Kredite. Nachdem Napoleon Ⅲ. bei Sedan gefangen war und der Gesetzgebende Körper 4. Sept., vom Volke bedrängt, seine Sitzungen hatte schließen müssen, zog G. an der Spitze eines Volkshaufens nach dem Pariser Stadthause, um die dritte Republik auszurufen, und übernahm in der «Provisorischen Regierung der nationalen Verteidigung» das Ministerium des Innern. Anfangs blieb er als Regierungsmitglied in Paris; aber bald erhielt er den Auftrag, die Leitung der in Tours eingesetzten Regierungsdelegation zu übernehmen, und verließ daher Paris 7. Okt. im Luftballon, stieg in Amiens nieder und reiste von da nach Tours, wo Cremieux das Departement des Krieges an ihn abgab.

Seitdem übte G. thatsächlich die Diktatur aus, um alle Kräfte der Provinzen zum Entsatz der belagerten Hauptstadt anzuspannen. In fanatischen Proklamationen wurde das Volk zum Vernichtungskriege aufgerufen und alle waffenfähige Mannschaft aufgeboten. Die Aufstellung der Nordarmee, der Loire-Armee und später der Ostarmee war sein Werk, bei dem er von Freycinet wesentlich unterstützt wurde, dessen Ideen den meisten dieser Maßregeln zu Grunde lagen. Aber G.s Hoffnung, mit unausgebildeten, neu zusammengestellten Scharen gegen geschulte Truppen im offenen Felde etwas auszurichten, schlug fehl, und auch die terroristische Weise, in der er gegen unglückliche Heerführer und widerspenstige Beamte verfuhr, konnte das Geschick des Krieges nicht ändern. Die deutschen Heere drangen immer weiter vor, sodaß G. selbst Mitte Dezember mit der Regierungsdelegation nach Bordeaux flüchten mußte. Als endlich die Pariser Regierung sich zur Kapitulation bequemte, trat die Friedenssehnsucht in ganz Frankreich so mächtig hervor, daß G. sich nicht direkt zu widersetzen wagte und in den Waffenstillstand sowie in die Berufung einer Nationalversammlung willigte. Aber er versuchte derselben ein einseitig republikanisches Gepräge aufzudrücken, indem er durch Dekret «alle Mitschuldigen der Regierung vom 2. Dez.» (d. h. alle vormaligen Minister, Staatsräte, Senatoren, Präfekten und offiziellen Kandidaten des zweiten Kaiserreichs) sowie die Mitglieder aller vormals in Frankreich regierenden Häuser von der Wählbarkeit ausschloß. Auf Einspruch Bismarcks, der für die vertragsmäßig ausbedungene volle Freiheit der Wahlen eintrat, hob jedoch die Pariser Regierung das Dekret vom 31. Jan. 1871 auf, worauf G. 6. Febr. sein Amt als Regierungsmitglied und Minister niederlegte. Von zehn Departements in die Nationalversammlung gewählt, nahm er das Mandat für den Niederrhein an. Bei der Abstimmung vom 1. März stimmte er gegen den Frieden und legte zugleich, wie die übrigen Deputierten der abgetretenen Provinzen, sein Mandat nieder. Kurze Zeit brachte er in Zurückgezogenheit in San Sebastian zu. Bei einer Ergänzungswahl aufs neue in die Nationalversammlung gewählt, trat er 2. Juli 1871 in diese ein und übernahm die Führung der äußersten Linken. Er griff die Monarchisten, besonders die Bonapartisten, bei jeder Gelegenheit aufs heftigste an, suchte auf wiederholten Rundreisen die Bevölkerung für die Herstellung der Republik zu gewinnen, agitierte für Auflösung der in ihrer Mehrheit monarchischen Nationalversammlung, veranstaltete eine Massenpetition für die Auflösung und unterstützte die zu diesem Zwecke gestellten Anträge. Als er aber erkannte, daß er auf solche Weise nur Thiers’ Sturz mit verursacht und dadurch den Bonapartisten in die Hände gearbeitet habe, lenkte er ein und trat fortan in seinem 5. Nov. 1871 gegründeten Journal «La République française» als Anwalt einer gemäßigtem Haltung auf, indem er das Wesen des «Opportunismus» schuf, d. i. eine Politik des Erfolgs von Fall zu Fall, ohne welche die so rasche Wiedererhebung Frankreichs kaum möglich gewesen wäre. Seine gemäßigtere Richtung bewies er auch, indem er für die Verfassung vom 25. Febr. 1875 stimmte. Bei den nach Auflösung der Nationalversammlung stattfindenden Wahlen vom 20. Febr. 1876 errang G. einen glänzenden Sieg: in vier großen Städten (Paris, Marseille, Bordeaux, Lille) gewählt, trat er als Vertreter von Belleville (Paris) mit gegen